b. Die prosaische Vorstellung


Der poetischen Vorstellungsweise zweitens steht die prosaische gegenüber. Bei dieser nun kommt es nicht auf das Bildliche an, sondern auf die Bedeutung als solche, welche sie sich zum Inhalte nimmt; wodurch das Vorstellen zu einem bloßen Mittel wird, den Inhalt zum Bewußtsein zu bringen. Sie hat daher weder das Bedürfnis, uns die nähere Realität ihrer Objekte vor Augen zu stellen, noch - wie es beim uneigentlichen Ausdruck der Fall ist - eine andere Vorstellung, welche über das, was ausgedrückt werden soll, hinausgeht, in uns hervorzurufen. Zwar kann es auch in der Prosa notwendig sein, das Äußere der Gegenstände fest und scharf zu bezeichnen; dies geschieht dann aber nicht der Bildlichkeit wegen, sondern aus irgendeinem besonderen praktischen Zwecke. Im allgemeinen können wir deshalb als Gesetz für die prosaische Vorstellung einerseits die Richtigkeit, andererseits die deutliche Bestimmtheit und klare Verständlichkeit aufstellen, während das Metaphorische und Bildliche überhaupt relativ immer undeutlich und unrichtig ist. Denn in dem eigentlichen Ausdrucke, wie die Poesie ihn in ihrer Bildlichkeit gibt, ist die einfache Sache aus ihrer unmittelbaren Verständlichkeit in die reale Erscheinung herübergeführt, aus der sie soll erkannt werden; in dem uneigentlichen aber wird eine von der Bedeutung sogar abliegende, nur verwandte Erscheinung zur Veranschaulichung benutzt, so daß nun die prosaischen Kommentatoren der Poeten viel zu tun haben, ehe es ihnen gelingt, durch ihre verständigen Analysen Bild und Bedeutung zu trennen, aus der lebendigen Gestalt den abstrakten Inhalt herauszuziehen und dadurch dem prosaischen Bewußtsein das Verständnis poetischer Vorstellungsweisen eröffnen zu können. In der Poesie dagegen ist nicht nur die Richtigkeit und unmittelbar mit dem einfachen Inhalt zusammenfallende Angemessenheit das wesentliche Gesetz. Im Gegenteil, wenn die Prosa sich mit ihren Vorstellungen in dem gleichen Gebiete ihres Inhalts und in der abstrakten Richtigkeit zu halten hat, so muß die Poesie in ein anderes Element, in die Erscheinung des Gehalts selbst oder in andere verwandte Erscheinungen hineinleiten. Denn ebendiese Realität ist es, welche für sich auftreten und den Inhalt einerseits zwar darstellen, andererseits aber auch von dem bloßen Inhalte befreien soll, indem die Aufmerksamkeit gerade auf das erscheinende Dasein geführt und die lebendige Gestalt dem theoretischen Interesse zum wesentlichen Zwecke gemacht wird.


 © textlog.de 2004 • 19.12.2024 02:22:44 •
Seite zuletzt aktualisiert: 14.09.2004 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright