c. Die sich aus der Prosa herstellende poetische Vorstellung
Tun sich diese poetischen Forderungen nun in einer Zeit hervor, in welcher die bloße Richtigkeit der prosaischen Vorstellung schon zur gewohnten Norm geworden ist, so hat die Poesie, auch in betreff auf ihre Bildlichkeit, eine schwierigere Stellung. In solchen Tagen nämlich ist die durchgreifende Weise des Bewußtseins überhaupt die Trennung der Empfindung und Anschauung von dem verständigen Denken, welches sich den inneren und äußeren Stoff des Empfindens und Anschauens entweder zum bloßen Anstoß für das Wissen und Wollen oder zum dienstbaren Material der Betrachtungen und Handlungen macht. Hier bedarf nun die Poesie einer absichtlicheren Energie, um sich aus der gewohnten Abstraktion des Vorstellens in die konkrete Lebendigkeit einzuarbeiten. Erreicht sie aber dies Ziel, so erlöst sie sich nicht nur von jener Trennung des Denkens, das aufs Allgemeine geht, und der Anschauung und Empfindung, welche das Einzelne auffassen, sondern befreit zugleich diese letzteren Formen sowie deren Stoff und Inhalt aus ihrer bloßen Dienstbarkeit und führt sie der Versöhnung mit dem in sich Allgemeinen siegreich entgegen. Da nun aber die poetische und prosaische Vorstellungsweise und Weltanschauung in ein und demselben Bewußtsein zusammengebunden sind, so ist hier eine Hemmung und Störung, ja sogar ein Kampf beider möglich, den, wie z. B. unsere heutige Poesie beweist, nur die höchste Genialität zu schlichten vermag. Außerdem treten noch anderweitige Schwierigkeiten ein, von welchen ich nur in bezug auf das Bildliche einiges bestimmter herausheben will. Wenn nämlich der prosaische Verstand schon an die Stelle der ursprünglich dichterischen Vorstellung getreten ist, so erhält die Wiedererweckung des Poetischen, sowohl was den eigentlichen Ausdruck als auch was das Metaphorische angeht, leicht etwas Gesuchtes, das selbst da, wo es nicht als wirkliche Absichtlichkeit erscheint, sich dennoch zu jener unmittelbar treffenden Wahrheit kaum wieder zurückzuversetzen imstande ist. Denn vieles, was in früheren Zeiten noch frisch war, wird durch den wiederholten Gebrauch und die dadurch entstandene Gewohnheit nach und nach selber gewöhnlich und geht in die Prosa über. Will nun die Poesie sich mit neuen Erfindungen hervortun, so gerät sie oft wider Willen in ihren schildernden Beiwörtern, Umschreibungen usf., wenn auch nicht ins Übertriebene und Überladene, doch ins Gekünstelte, Verzierlichende, gesucht Pikante und Preziöse, das nicht aus einfacher und gesunder Anschauung und Empfindung hervorgeht, sondern die Gegenstände in einem gemachten, auf den Effekt berechneten Lichte erblickt und ihnen dadurch nicht ihre natürliche Farbe und Beleuchtung läßt. Mehr noch ist dies nach der Seite hin der Fall, daß mit der eigentlichen Vorstellungsweise überhaupt die metaphorische vertauscht wird, welche sich sodann genötigt sieht, die Prosa zu überbieten und, um ungewöhnlich zu sein, allzu schnell ins Raffinieren und Haschen nach Wirkungen kommt, die noch nicht verbraucht sind.