a. Hauptbestimmung des Inhalts
Die Hauptbestimmung, sahen wir, ist für den Inhalt des Malerischen die für sich seiende Subjektivität.
α) Dadurch kann nun weder nach selten des Inneren die Individualität ganz in das Substantielle eingehen, sondern muß im Gegenteil zeigen, wie sie jeden Gehalt in sich als dieses Subjekt enthält und in demselben sich, ihr Inneres, die eigene Lebendigkeit ihres Vorstellens und Empfindens hat und ausdrückt, - noch kann die äußere Gestalt schlechthin wie in der Skulptur von der inneren Individualität beherrscht erscheinen. Denn die Subjektivität, obschon sie das Äußere als die ihr zugehörige Objektivität durchdringt, ist dennoch zugleich aus dem Objektiven in sich zurückgehende Identität, welche durch diese Beschlossenheit in sich gegen das Äußerliche gleichgültig wird und dasselbe frei läßt. Wie deshalb in der geistigen Seite des Inhalts das Einzelne der Subjektivität nicht mit der Substanz und Allgemeinheit unmittelbar in Einheit gesetzt, sondern zur Spitze des Fürsichseins in sich reflektiert ist, so wird nun auch im Äußeren der Gestalt die Besonderheit und Allgemeinheit derselben aus jener plastischen Vereinigung zum Vorwalten des Einzelnen und somit Zufälligeren und Gleichgültigeren in der Weise fortgehen, in welcher dies auch sonst schon in der empirischen Wirklichkeit der herrschende Charakter aller Erscheinungen ist.
β) Ein zweiter Punkt bezieht sich auf die Ausdehnung, welche die Malerei durch ihr Prinzip in Rücksicht auf die darzustellenden Gegenstände erhält.
Die freie Subjektivität läßt einerseits der gesamten Breite der Naturdinge und allen Sphären der menschlichen Wirklichkeit ihr selbständiges Dasein, andererseits aber kann sie sich in alles Besondere hineinbegeben und es zum Inhalt des Inneren machen; ja erst in diesem Verflochtensein mit der konkreten Wirklichkeit erweist sie sich selbst als konkret und lebendig. Dadurch wird es dem Maler möglich, eine Fülle von Gegenständen in das Gebiet seiner Darstellungen hineinzunehmen, welche der Skulptur unzugänglich bleiben. Der ganze Kreis des Religiösen, die Vorstellungen von Himmel und Hölle, die Geschichte Christi, der Jünger, Heiligen usf., die äußere Natur, das Menschliche bis zu dem Vorüberfliehendsten in Situationen und Charakteren, alles und jedes kann hier Platz gewinnen. Denn zur Subjektivität gehört auch das Besondere, Willkürliche und Zufällige des Interesses und Bedürfnisses, das sich deshalb gleichfalls zur Auffassung hervordrängt.
γ) Hiermit hängt die dritte Seite zusammen, daß die Malerei das Gemüt zum Inhalt ihrer Darstellungen ergreift. Was im Gemüt lebt, ist nämlich in subjektiver Weise vorhanden, wenn es seinem Gehalt nach auch das Objektive und Absolute als solches ist. Denn die Empfindung des Gemüts kann zwar zu ihrem Inhalte das Allgemeine haben, das jedoch als Empfindung nicht die Form dieser Allgemeinheit beibehält, sondern so erscheint, wie ich als dieses bestimmte Subjekt mich darin weiß und empfinde. Um objektiven Gehalt in seiner Objektivität herauszustellen, muß ich mich selbst vergessen. So bringt die Malerei allerdings das Innere in Form äußerer Gegenständlichkeit vor die Anschauung, aber ihr eigentlicher Inhalt, den sie ausdrückt, ist die empfindende Subjektivität; weshalb sie denn auch nach der Seite der Form nicht so bestimmte Anschauungen des Göttlichen z. B. als die Skulptur zu liefern vermag, sondern nur unbestimmtere Vorstellungen, die in die Empfindung fallen. Dem scheint zwar der Umstand zu widersprechen, daß wir auch die äußere Umgebung des Menschen, Gebirge, Täler, Wiesen, Bäche, Bäume, Gesträuch, Schiffe, das Meer, Wolken und Himmel, Gebäude, Zimmer usf., vielfach von den berühmtesten Malern zum Gegenstande von Gemälden vorzugsweise ausgewählt sehen; doch was in solchen Kunstwerken den Kern ihres Inhaltes ausmacht, sind nicht diese Gegenstände selbst, sondern die Lebendigkeit und Seele der subjektiven Auffassung und Ausführung, das Gemüt des Künstlers, das sich in seinem Werke abspiegelt und nicht nur ein bloßes Abbild äußerer Objekte, sondern zugleich sich selbst und sein Inneres liefert. Gerade dadurch erweisen sich die Gegenstände in der Malerei auch nach dieser Seite als gleichgültiger, weil das Subjektive an ihnen anfängt als Hauptsache hervorzustechen. In dieser Wendung gegen das Gemüt, das bei Gegenständen der äußeren Natur oft nur ein allgemeiner Klang der Stimmung sein kann, die hervorgebracht wird, unterscheidet sich die Malerei am meisten von Skulptur und Architektur, indem sie mehr in die Nähe der Musik tritt und aus der bildenden Kunst her den Übergang zu der tönenden macht.