a. Das ganz geschlossene Haus als Grundform
Als Hauptform liegt hier das ganz geschlossene Haus zugrunde.
α) Wie nämlich der christliche Geist sich in die Innerlichkeit zusammenzieht, so wird das Gebäude der in sich allseitig begrenzte Ort für die Versammlung der christlichen Gemeinde und deren innere Sammlung. Es ist die Sammlung des Gemüts in sich, welche sich räumlich abschließt. Die Andacht des christlichen Herzens aber ist ebensosehr zugleich eine Erhebung über das Endliche, so daß nun diese Erhebung den Charakter des Gotteshauses bestimmt. Die Baukunst gewinnt dadurch die Erhebung in das Unendliche zu ihrer von der bloßen Zweckmäßigkeit unabhängigen Bedeutung, welche sie durch räumliche architektonische Formen auszudrücken sich getrieben findet. Der Eindruck, welchen deshalb die Kunst jetzt hervorzubringen hat, ist im Unterschiede der heiteren Offenheit griechischer Tempel einerseits der Eindruck dieser Stille des Gemüts, das, losgelöst von der äußeren Natur und Weltlichkeit überhaupt, sich in sich zusammenschließt, andererseits der Eindruck einer feierlichen Erhabenheit, die über das verständig Begrenzte hinausstrebt und hinwegragt. Wenn daher die Bauten der klassischen Architektur im ganzen sich breit hinlagern, so besteht der entgegengesetzte romantische Charakter christlicher Kirchen in dem Herauswachsen aus dem Boden und Emporsteigen in die Höhe.
β) Bei diesem Vergessen der äußeren Natur und der zerstreuenden Betriebsamkeiten und Interessen der Endlichkeit, das durch die Abschließung bewirkt werden soll, fallen nun ferner die offenen Vorhallen, Säulengänge usw., die mit der Welt zusammenhängen, notwendig fort und erhalten statt dessen in ganz veränderter Weise ihre Stelle im Innern der Gebäude. Ebenso wird das Licht der Sonne abgehalten oder schimmert nur getrübter durch die Glasmalereien der Fenster, welche um der vollständigen Abscheidung vom Äußeren willen notwendig sind. Was der Mensch hier bedarf, ist nicht durch die äußere Natur gegeben, sondern eine durch ihn und für ihn allein, für seine Andacht und die Beschäftigung des Inneren gemachte Welt.
γ) Als den durchgreifenden Typus aber, den das Gotteshaus im allgemeinen und seinen besonderen Teilen nach annimmt, können wir das freie Emporsteigen und Auslaufen in Spitzen, seien dieselben durch Bogen oder gerade Linien gebildet, feststellen. Die klassische Architektur, in welcher die Säulen oder Pfosten mit übergelegten Balken die Grundform abgeben, macht die Rechtwinkligkeit und damit das Tragen zur Hauptsache. Denn die im rechten Winkel ruhende Überlage zeigt bestimmt an, daß sie getragen werde. Und wenn nun auch die Balken selbst wieder die Bedachung tragen, so neigen sich doch die Flächen derselben in einem stumpfen Winkel zueinander. Von einem eigentlichen Sichzuspitzen und Emporsteigen ist hier nicht zu sprechen, sondern von Ruhen und Tragen. Ebenso ruht auch ein Rundbogen, der in einer fortgesetzten, gleichmäßig gekrümmten Linie von einer Säule zur anderen geht und aus ein und demselben Mittelpunkte beschrieben wird, auf seinen tragenden Unterlagen. In der romantischen Baukunst aber gibt das Tragen als solches und damit die Rechtwinkligkeit nicht mehr die Grundform ab, sondern hebt sich im Gegenteil dadurch auf, daß die Umschließungen im Inneren und Äußeren für sich emporschießen und ohne den festen, ausdrücklichen Unterschied des Lastens und Tragens in eine Spitze zusammengehen. Dies überwiegend freie Aufstreben und gipfelnde Zueinanderneigen macht hier die wesentliche Bestimmung aus, durch welche teils spitzwinklige Dreiecke mit schmalerer oder breiterer Basis, teils Spitzbogen entstehen, die am auffallendsten den Charakter der gotischen Bauart bezeichnen.