1. Leben und Schriften
In David Hume, dem zweitältesten Sohn eines schottischen Gutsbesitzers, 26. April 1711 zu Edinburg geboren, erwachte schon früh die Leidenschaft für Literatur und Philosophie. Nach kurzer Zeit kaufmännischer Tätigkeit, die ihn nicht befriedigte, reiste er nach Frankreich und verfaßte dort in ländlicher Zurückgezogenheit sein ausführliches Erstlingswerk: Abhandlung (Treatise) über die menschliche Natur, das in drei Teilen den Verstand, die Leidenschaften, die Moral behandelt, von ihm selbst als »ein Versuch« bezeichnet, »die experimentelle Methode auch auf dem geistigen Gebiete einzuführen« Das Buch hatte jedoch nach seiner Veröffentlichung zu London (1739-40) nicht den mindesten Erfolg. Es blieb nach Humes eigenem Bekenntnis ein »totgeborenes Kind« Dagegen fanden eine Reihe, zunächst anonym erschienener, Moralischer, politischer und literarischer Essays (1741 f.) nicht bloß in England, sondern auch in Frankreich viel Beifall und Verbreitung. 1747 und 1748 war er Gesandtschaftssekretär in Wien und Turin. Er begann nun sein Jugendwerk umzuarbeiten. Als erster Teil seines Systemes erschien jetzt (1748) die leichter und allgemeinverständlicher als der Treatise geschriebene erkenntnistheoretische Hauptschrift Untersuchung (Enquiry) über den menschlichen Verstand. 1751 folgte die Untersuchung über die Prinzipien der Moral, 1752 seine vielgelesenen politischen Diskurse, 1753-57 eine Anzahl kleinerer Abhandlungen über verschiedene Gegenstände, 1757 außerdem eine Natürliche Geschichte der Religion, daneben noch von 1754 bis 1761 die umfangreiche Geschichte Englands, zu der ihm seine Anstellung als Bibliothekar der Juristenfakultät zu Edinburg die Hilfsmittel gab. Seitdem veröffentlichte er nichts mehr, da er zunächst in den Strom des großen politischen und gesellschaftlichen Lebens gezogen wurde. So war er 1763-66 Gesandtschaftssekretär in Paris, am Hofe als konservativer Politiker, in den Salons als geistreicher Freidenker gefeiert; 1767-69 führte er als Unterstaatssekretär des Auswärtigen Amts die ganze diplomatische Korrespondenz. Die letzten acht Jahre seines Lebens genoß der mittlerweile berühmt und wohlhabend gewordene Philosoph, seinen Neigungen entsprechend, ein ruhig behagliches Leben im Kreise auserwählter Freunde zu Edinburg, bis er nach längerem, mit vollendeter Ruhe und Heiterkeit ertragenen Kranksein am 25. August 1776 starb.
Hume war eine heiter liebenswürdige, aber auch ziemlich kühle und nüchterne Natur, milde trotz seines Scharfsinns, offenherzig und gutmütig trotz seiner Menschenkenntnis, praktisch und doch beschaulich, ohne andere Leidenschaften als die des Erkenntnistriebs und des literarischen Ehrgeizes. Sein Freund Adam Smith (s. § 22) gab nach Humes Tode dessen Selbstbiographie (1777) und ein Neffe die kühnen, schon 1751 verfaßten Dialoge über natürliche Religion 1779 heraus. Seine Anschauungen haben am meisten in Frankreich, weniger in England gewirkt, in Deutschland hauptsächlich erst durch Kant. Die beste englische Ausgabe seiner philosophischen Werke ist die von Green u. Grose 1898, 4 Bde. Ins Deutsche sind fast alle seine Schriften schon im 18. Jahrhundert übersetzt worden, neuerdings der Treatise (mit Anmerkungen) von Th. Lipps 1895, 1904 und 1906, die Enquiry von Raoul Richter (6. Aufl. 1907, auch als 3. Band von Meiners Volksausgaben), die Dialoge von Paulsen, 3. Aufl. 1905 (die beiden letzteren bilden Bd. 35 und 36 der Philos. Bibl.), die Naturgeschichte der Religion von W. Bolin, Leipzig 1909. Humes Schreibart ist einfach und lichtvoll; als Schotte ist er nicht so sehr in die dem Engländer leicht anhaftende Breite verfallen. Seine Stärke besteht im verstandesmäßigen Zergliedern; er fühlt sich als »Anatom«, nicht als »Maler« der menschlichen Seele.