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III. [Die sozialen Wechselwirkungen und ihre Kristallisierung zu Sondergebilden; das gemeinsame Verhältnis von Käufern und Verkäufern zu der sozialen Einheit als soziologische Voraussetzung des Geldverkehrs]

 

Die Entwicklungen des Geldstoffes bringen seinen soziologischen Charakter zu immer vollkommenerem Ausdruck. Die primitiven Tauschmittel, wie Salz, Vieh, Tabak, Getreide, sind ihrer Verwendung nach von dem reinen Individualinteresse bestimmt, solipsistisch, d.h. sie werden schließlich von einem einzelnen konsumiert, ohne daß in diesem Augenblick andere noch ein Interesse daran hätten. Das Edelmetall dagegen weist durch seine Bedeutung als Schmuck auf die Beziehung zwischen den Individuen hin; man schmückt sich für andere. Der Schmuck ist ein soziales Bedürfnis, und die Edelmetalle eignen sich eben durch ihren Glanz ganz besonders dazu, die Augen auf sich zu ziehen. Darum sind bestimmte Schmuckarten auch bestimmten sozialen Positionen vorbehalten; so war im mittelalterlichen Frankreich das Tragen von Goldschmuck allen unter einem gewissen Range Stehenden verboten. Dadurch, daß der Schmuck seine ganze Bedeutung in den psychologischen Vorgängen hat, die er außerhalb seines Trägers in anderen erregt, unterscheidet sich das Edelmetall durchaus von jenen ursprünglicheren, sozusagen zentripetalen Tauschmitteln. Der Tausch als das reinste soziologische Vorkommnis, d.h. als die vollständigste Wechselwirkung, findet den entsprechenden Träger in der Substanz des Schmuckes, der alle Bedeutung für seinen Besitzer nur mittelbar, nämlich als Beziehung zu anderen Menschen, aufweist.

Wenn diese Verkörperung der Tauschaktion in einem besonderen Gebilde sich technisch so vollzieht, daß jedes Objekt, statt unmittelbar gegen ein anderes, zunächst gegen jenes eingetauscht wird, so ist nun die Frage: welches ist, näher angesehen, das dem entsprechende Verhalten der hinter den Objekten stehenden Menschen? - denn das gemeinsame Verhalten zum Händler, so sehr es Ursache und Wirkung des Geldverkehrs ist, konnte hierfür doch nur als Gleichnis dienen. Nun scheint es mir klar: das Fundament und der soziologische Träger jenes Verhältnisses zwischen den Objekten und dem Gelde ist das Verhältnis der wirtschaftenden Individuen zu der Zentralmacht, die das Geld ausgibt oder garantiert. Den Dienst, als absolute Zwischeninstanz über allen Einzelprodukten zu stehen, leistet das Geld erst, wenn die Prägung es über den bloßen Charakter als Metallquantum - von naturaleren Geldarten nicht zu reden hinausgehoben hat. Jene Abstraktion des Tauschprozesses aus den einzelnen realen Tauschen und ihre Verkörperung in einem objektiven Sondergebilde kann erst eintreten, wenn der Tausch etwas anderes geworden ist als ein privater Vorgang zwischen zwei Individuen, der völlig in den individuellen Aktionen und Gegenaktionen dieser beschlossen liegt. Dies andere und weitere wird er, indem der Tauschwert, den die eine Partei gibt, seine Bedeutung für die zweite nicht unmittelbar, sondern als bloße Anweisung auf andere, definitive Werte enthält - eine Anweisung, deren Realisierung von der Gesamtheit des Wirtschaftskreises oder von der Regierung als der Vertretung desselben abhängt. Indem der Naturaltausch durch den Geldkauf ersetzt wird, tritt zwischen die beiden Parteien eine dritte Instanz: die soziale Gesamtheit, die für das Geld einen entsprechenden Realwert zur Verfügung stellt. Der Drehpunkt der Wechselwirkung jener beiden rückt damit weiter fort, er entfernt sich aus der unmittelbaren Verbindungslinie zwischen ihnen und verlegt sich in das Verhältnis, das jeder von ihnen als Geldinteressent zu dem Wirtschaftskreise hat, der das Geld akzeptiert und dies durch die Prägung seitens seiner höchsten Vertretung dokumentiert. Hierauf beruht der Kern von Wahrheit in der Theorie, daß alles Geld nur eine Anweisung auf die Gesellschaft ist; es erscheint gleichsam als ein Wechsel, in dem der Name des Bezogenen nicht ausgefüllt ist, oder auch: in dem die Prägung die Stelle des Akzeptes vertritt. Wenn man gegen die Lehre, die auch im Metallgelde einen Kredit finden will, eingewendet hat, daß der Kredit doch eine Verbindlichkeit begründe, die Metallgeldzahlung aber jede Verbindlichkeit löse, so ist übersehen, daß das, was für den einzelnen Lösung ist, für die Gesamtheit Bindung sein kann. Die Solvierung jeder privaten Verbindlichkeit durch Geld bedeutet eben, daß jetzt die Gesamtheit diese Verpflichtung gegen den Berechtigten übernimmt. Die Verbindlichkeit aus einer naturalen Leistung ist doch nur auf zweierlei Weise aus der Welt zu schaffen: entweder durch direkte Gegenleistung oder durch Anweisung auf eine solche. Letztere hat der Geldbesitzer in der Hand, und indem er sie an denjenigen, der vorgeleistet hat, übergibt, weist er ihn an einen vorläufig anonymen Produzenten, der auf Grund seiner Zugehörigkeit zu dem betreffenden Wirtschaftskreise jene erforderte Leistung gegen, eben dieses Geld auf sich nimmt. Der Unterschied zwischen dem gedeckter und dem ungedeckten Papiergeld, den man in Beziehung zu dem Kreditcharakter des Geldes gesetzt hat, ist dabei ganz irrelevant. Man hat gemeint, nur uneinlösbares Papier sei wirklich Geld (papier-monnaie), wogegen einlösbares nur eine Anweisung auf Geld sei (monnaie de papier); dagegen ist nun wieder geltend gemacht, daß dieser Unterschied keine Bedeutung für den Verkehr zwischen Käufer und Verkäufer habe, denn in diesem funktioniere auch das gedeckte Papier nicht als Zahlungsversprechen, sondern als definitive Zahlung, im Unterschiede etwa gegen den Scheck, der auch zwischen Käufer und Verkäufer nur ein Versprechen sei. Diese ganze Fragestellung dringt nicht zu dem soziologischen Sachverhalt hinunter; für diesen ist kein Zweifel, daß auch das Metallgeld ein Versprechen ist und daß es sich insofern von dem Scheck nur durch die Größe des Kreises unterscheidet, der dessen Einlösung verbürgt. Das gemeinsame Verhältnis von Geldbesitzer und Verkäufer zu einem sozialen Kreise - der Anspruch jenes an eine in diesem Kreise zu prästierende Leistung und das Vertrauen des anderen, daß dieser Anspruch honoriert werden wird - ist die soziologische Konstellation, in der sich der Geldverkehr im Gegensatz zum Naturalverkehr vollzieht.

 


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