III. [Sinkende Substanzbedeutung und steigende Wertbedeutung des Geldes]
« Zurück 1 |
2 |
3 |
4 |
5 Weiter »
Auch haben nun endlich gewisse Leistungen des Geldes von vornherein einen Sinn, der dem Wesen einer Substanz heterogen ist. Es gehört zu den Funktionen des Geldes, die ökonomische Bedeutung der Dinge in der ihm eigenen Sprache nicht nur überhaupt darzustellen, sondern zu kondensieren. In der Einheit der Geldsumme, mit der ein Gegenstand bezahlt wird, verdichten sich ebenso die Werte aller, vielleicht durch einen langen Zeitraum hin erstreckten Momente seiner Nutznießung, wie die Sonderwerte seiner räumlich auseinanderliegenden Teile, wie die Werte aller vorbereitenden und in ihm mündenden Kräfte und Substanzen. Ein Geldpreis, aus wie vielen Münzeinheiten er auch bestehe, wirkt doch als eine Einheit; dank der völligen Ununterscheidbarkeit seiner Teile, die seinen Sinn ausschließlich in seiner quantitativen Höhe bestehen läßt, bilden diese Teile eine so völlige Einheit, wie sie auf praktischem Gebiet sonst kaum besteht. Wenn man selbst von einem hochwertigen und vielverzweigten Objekt, etwa einem Landgut, sagt, es gelte eine halbe Million Mark, so wird durch diese Summe, auf wie viele einzelne Voraussetzungen und Erwägungen sie sich auch fundamentiere, doch der Wert des Gutes in einen ganz einheitlichen Begriff zusammengezogen, nicht anders, als wenn man eine auch in sich einheitliche Sache durch einen in sich einheitlichen Münzbegriff schätzt, also etwa: eine Arbeitsstunde gelte eine Mark. Man könnte dies höchstens mit der Einheit des Begriffes vergleichen, der das Wesentliche einer Anzahl individueller Gestaltungen zusammenschließt; wenn ich z.B. den Allgemeinbegriff Baum bilde, so liegen die Merkmale desselben, die ich aus ihren sehr verschiedenartigen Verwirklichungen an den einzelnen Bäumen heraus abstrahiere, nicht mehr nebeneinander, sondern durchdringen sich zu einer einheitlichen Wesenheit. Wie es der tiefere Sinn des Begriffes ist, nicht ein bloßes Zusammen von Merkmalen zu sein, sondern die ideale Einheit, in der diese Merkmale trotz aller ihrer Verschiedenheiten sich begegnen, und in die sie sich einschmelzen - so läßt der Geldpreis alle vielfache und extensiv-ökonomische Bedeutung des Objekts in eine gleichsam unausgedehnte Einheit konvergieren. Es scheint zwar, als ob jener Charakter reiner Quantität dies gerade verhindern müßte: niemals könne eine Mark mit einer zweiten eine solche Einheit bilden wie die Elemente eines organischen Körpers oder einer sozialen Vereinigung, die Verschlingung ineinander fehle ihnen, sie blieben ewig an die Form des Nebeneinander gebunden. Allein dies gilt tatsächlich nicht für den Fall, daß die Geldsumme den Wert eines Objektes ausdrückt. Eine halbe Million Mark sind an und für sich freilich ein bloßes additionales Konglomerat zusammenhangsloser Einheiten; dagegen als Wert eines Landgutes sind sie das einheitliche Symbol, Ausdruck oder Äquivalent seiner Werthöhe und so wenig ein bloßes Nebeneinander einzelner Markeinheiten, wie, wenn man die Lufttemperatur mit 20° bezeichnet, damit nicht eine Summe von 20 einzelnen Graden, sondern vielmehr ein in sich völlig einheitlicher Wärmezustand gemeint ist. Dies entspricht der erwähnten Leistung des Geldes, Werte zu kondensieren; mit dieser schließt es sich den großen Kulturmächten an, deren Wesen es ist, überall in einem kleinsten Punkt die größte Kraft zu sammeln und vermöge der Form der Konzentrierung der Energien die passiven und aktiven Widerstände gegen unsere Zwecke zu überwinden. Hier ist vor allem an die Maschine zu erinnern, und zwar nicht nur nach der auf der Hand liegenden Seite, daß sie die Naturkräfte in konzentrierter Weise in die Bahnen uns erwünschter Betätigung lenkt; sondern auch nach der hin, daß jede Verbesserung der Maschine und Erhöhung ihrer Geschwindigkeit den Arbeiter zu erhöhter Intensifikation seines Krafteinsatzes zwingt. Das eben ist der Grund, weshalb Fortschritt der maschinellen Technik und Verkürzung der Arbeitszeit so oft Hand in Hand gehen kann und muß: weil die verbesserte Maschinerie nicht nur die Naturkräfte, sondern auch die Menschenkräfte in zusammengedrängterer, gleichsam porenloserer Form in den Dienst unserer Zwecke stellt. Ich sehe die gleiche Kulturtendenz sich an der Herrschaft des Naturgesetzes innerhalb unseres Weltbildes verwirklichen: gegenüber dem Haften an der einzelnen Erscheinung, der Zufälligkeit und der Isoliertheit primärer Empirie, ist das Naturgesetz eine ungeheure Kondensierung des Erkennens; es faßt in eine kurze Formel die Erscheinungsart und Bewegung endloser Einzelfälle zusammen, der Geist komprimiert mit ihm die räumliche und zeitliche Extensität des Geschehens in eine überschaubare Systematik, in der sozusagen die ganze Welt latent enthalten ist. An einem ganz anderen Pol der Erscheinungen zeigt die Ablösung der Handwaffen durch die Feuerwaffen dieselbe Entwicklungsform. Im Pulver liegt die enorme Kraftverdichtung, die mit einem Minimum von Muskelleistung eine unmittelbar gar nicht erzielbare Extensität der Wirkung entfesselt. Ja vielleicht ist die Wichtigkeit und die Differenzierung der Persönlichkeit innerhalb der historischen Bewegung, die an die Stelle der Gentil-, Familien-, Genossenschaftsorganisationen tritt, dem gleichen Prinzip Untertan. Indem die bewegenden Kräfte von immer individualisierteren, äußerlich enger begrenzten Trägern ausstrahlen, erscheinen sie komprimierter als vorher, die Schicksalsfaktoren, die bei enger Einschmelzung des einzelnen in seine Gruppe durch diese hin verteilt sind, konzentrieren sich jetzt in ihm selbst; das Selbstbestimmungsrecht des modernen Menschen hätte zweckmäßigerweise nicht aufkommen können, wenn nicht in der engen Form personaler Existenz ein sehr gestiegenes Quantum von Wirkungsmöglichkeiten zusammengebunden wäre. Und dem widerstreitet es durchaus nicht, daß zugleich die Funktionen jener engen Gemeinschaften zum großen Teil an den so viel extensiveren Großstaat übergegangen sind. Denn auf die wirklichen Leistungen angesehen, ist die Lebensform des modernen Staates mit seiner Beamtenorganisation, seinen Machtmitteln, seiner Zentralisierung, eine unendlich viel intensivere, als die der kleinen und primitiven Gemeinwesen. Der moderne Staat beruht auf einem ungeheuren Zusammennehmen, Ineinanderflechten und Vereinheitlichen aller politischen Kräfte; so daß man direkt sagen kann: gegenüber den Kraftverschwendungen, die die Zerfällung einer Nation in jene selbständigen, in sich zentralisierten Gemeinwesen von geringster Extensität bewirkt, stellt sowohl die freie und differenzierte Persönlichkeit, wie andrerseits der moderne Großstaat ein unvergleichliches Zusammennehmen der Kräfte dar; die sozialen Spannkräfte sind hiermit in eine derartig kompendiöse Form gebracht, daß jeder einzelnen Anforderung gegenüber mit einem Minimum von neuem Energieaufwand ein Maximum von Leistung erzielt werden kann. Es ist nun interessant zu ersehen, wie das Geld sich nicht nur diesen Beispielen der historischen Tendenz auf Kraftverdichtung anschließt, indem es die Werte der Dinge auf die kürzeste und komprimierteste Weise ausdrückt, sondern dies auch noch so bestätigt, daß es zu vielen jener gleich gerichteten, aber ganz anderen Gebieten zugehörigen Beispiele ein direktes Verhältnis hat. In der Epoche der aufkommenden Feuerwaffen wurde pecunia nervus belli, das Pulver entwand dem Ritter und dem Bürger die Waffe und drückte sie dem Söldner in die Hand, machte ihren Besitz und ihre Benutzung also zum Privileg der Geldbesitzer. Wie eng das Aufkommen und die Fortschritte der Maschinentechnik mit dem Geldwesen verbunden sind, bedarf keines Nachweises. Dagegen werde ich später einen solchen dafür zu führen haben, daß jene Entwicklung der primären Gruppenbildung zur Befreiung der Individualität einerseits und die Erweiterung zum Großstaat andrerseits die innigste innere Beziehung zu dem Aufkommen der Geldwirtschaft hat. So sehen wir die Kulturtendenz der Kondensierung der Kräfte in vielerlei direkten und vermittelten Zusammenhängen mit der Geldform der Werte. Alle jene indirekten Bedeutungen seiner für die anderweitigen Seiten des Kulturprozesses hängen an seiner wesentlichen Leistung, daß der ökonomische Wert der Dinge mit ihm den gedrängtesten Ausdruck und eine Vertretung von absoluter Intensität gewonnen hat. Wenn man hergebrachterweise unter die Hauptdienste des Geldes rechnet, daß es Wertaufbewahrungs- und Werttransportmittel ist, so sind dies nur die groben und sekundären Erscheinungen jener grundlegenden Funktion. Sie aber hat ersichtlich gar keine innere Beziehung zu dem Gebundensein des Geldes an eine Substanz, ja an ihr tritt am empfindbarsten hervor, daß das Wesentliche des Geldes Vorstellungen sind, die, weit über die eigene Bedeutung seines Trägers hinaus, in ihm investiert sind. Je größer die Rolle des Geldes als Wertkondensator wird - und das wird sie nicht durch Wertsteigerung seines einzelnen Quantums, sondern durch die Erstreckung dieser seiner Funktion auf immer mehr Objekte, durch die Verdichtung immer verschiedenartigerer Werte in seiner Form - desto weiter wird es von der notwendigen Bindung an eine Substanz fortrücken; denn in ihrer mechanischen Immergleichheit und Starrheit muß diese der Fülle, dem Wechsel, der Mannigfaltigkeit der Werte immer inadäquater werden, die auf ihre Vorstellung projiziert und in ihr kondensiert werden.
« Zurück 1 |
2 |
3 |
4 |
5 Weiter »