Amerighi, Michel Angelo, da Caravaggio, geb. 1569 zu Caravaggio, einem Dorfe in der Nähe von Bergamo, wovon er auch den Beinamen erhielt, genoss seinen ersten Unterricht in der Malerei zu Mailand, ging dann nach Venedig, woselbst er vorzugsweise an Giorgione's Werken die Auffassung der Naturerscheinungen und die Ausbildung der Färbung zum Gegenstand seines Studiums machte, und reiste darauf nach Rom, um unter Gius. Cesari, gen. il Cavalier d' Arpino, zu arbeiten. Der falsche Idealismus dieses, den ganzen römischen Kunstgeschmack seiner Zeit beherrschenden Meisters widerstrebte indessen bald seiner Natur und seiner Ansicht von der Malerei; er verließ daher dessen Schule, bildete sich eine eigene, seine Individualität bestimmt aussprechende Darstellungsweise, und stellte sich, in bewusster Opposition, sowohl gegen die unwahre Schönheitsmanier des Cesari, als gegen die den Eklektizismus in der Kunst anbahnende Schule der Carracci, an die Spitze einer neuen Richtung, der sog. Naturalisten, deren Hauptmeister er wurde. Die außerordentliche Wahrheit und Treue und die durch eine besondere, gespannte Beleuchtung erreichte eminente Wirkung in seinen Bildern, erregten in Rom eine um so größere Bewunderung, je stärker sich darin der Gegensatz gegen die kraftlose Manier und flaue Farbe des Cavalier d'Arpino aussprach. Er bekam viele Bestellungen, malte die umfangreichen Wandgemälde in einer Kapelle in S. Luigi de' Francesi (noch daselbst zu sehen) und die Porträts der Päpste Paul V. (gegenwärtig in der Villa Borghese zu Rom) und Urban des VIII. Diese Triumphe verschafften ihm ebensoviel Anhänger als Neider von der Gegenpartei, die seine Bilder heruntersetzten. Aber stets bereit, die Kunst seines Pinsels mit der Fertigkeit eines Degens zu verteidigen, wurde er durch sein leidenschaftliches Temperament in viele Händel verwickelt, in deren Folge er Rom verlassen musste, weil er einen seiner Gegner im Duell getötet hatte. Er flüchtete sich nach Neapel und führte daselbst mehrere Bilder aus; allein sein unsteter düsterer Sinn ließ ihn nirgends lange verweilen. Er ging daher nach Malta, malte dort für die Kathedrale S. Giovanni eine Enthauptung Johannes des Täufers (die man noch daselbst sieht), sowie das Porträt des Malteser Großmeisters Vignacourt, ein Bild von schönster Wärme der Färbung und schlagender Wirkung, (gegenw. im Louvre zu Paris), für welche treffliche Leistungen er zum Malteser-Ritter ernannt winde. Seine unverträgliche Gemütsart zog ihm indessen auch hier Streitigkeiten mit einem angesehenen Ritter zu. Er wurde gefangen gesetzt, wusste sich aber wieder zu befreien und entfloh nach Sizilien, woselbst er zu Syrakus, Palermo und Messina mehrere (noch heut zu Tage dort zu sehende) Bilder fertigte. Da er sich indessen hier ebenfalls vor seinen Feinden nicht sicher glaubte, versuchte er über Neapel nach Rom zurückzukehren, wurde aber unterwegs überfallen und so verwundet, dass er in ein bösartiges Fieber verfiel, an dem er 1609 in Porto Ercole starb.
Die von Caravaggio in der Malerei eingeschlagene Richtung war keine bloß zufällige; sie ging als Extrem aus dem Naturalismus, der sich durch die ganze Kunstepoche der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Italien zog und aus der allgemeinen Stimmung der Zeit voll geistiger Kämpfe und ungestümer Leidenschaften hervor. Bei Caravaggio fand sie nur gerade das entsprechende Naturell, sie zur vollständigen Entwicklung und Geltung zu bringen. In seinen Werken spiegelt sich sein ganzes von fessellosen Leidenschaften bewegtes, trübem und finsterem Sinne hingegebenes Leben. Maßvolle Schönheit, Adel und Würde darf man daher in ihnen nicht suchen; auch in der Komposition, in welcher die Figuren meistens zuviel auf einem Plan angeordnet sind, und in der er den seltsamen Geschmack an Darstellungen mit halben Figuren verbreiten half, erscheint er nicht als Meister. Dafür ist er aber ein um so treuerer Nachahmer der Natur, jedoch nicht einmal der Natur in ihrer ruhigen Größe und Schönheit, sondern in ihrer gemeinen Wirklichkeit, wie sie von sinnlichen Begierden erregt, von den wildesten Äußerungen des Lebens entflammt erscheint. Allein bei aller Gemeinheit der Auflassung, zeigt sich in seinen Bildern dennoch eine eigentümliche Großheit, eine feierliche Gemessenheit und ein gewisses Pathos, das sich zusammengenommen mit der geschlossenen Beleuchtung, den scharfen grellen Lichtern und dunkeln Schatten, der klaren, warmen und kräftigen Färbung und einer erstaunlichen Wirkung zu einer eigentümlichen Poesie steigert, die seine Gestalten, hei aller naturalistischen Derbheit, doch über die Erscheinungen des gewöhnlichen Lebens erhebt. Freilich eignete sich diese Darstellungsweise am wenigsten für heilige Gegenstände, auf denen, weil er immer dasselbe, meist sehr gemeine Modell, wie es sich ihm zufällig darbot, mit möglichster Treue kopierte, Bettler, Sackträger, Häscher, Lazzaroni, ohne andere Veränderung, als die der Gewänder, als — Apostel, Evangelisten, Heilige, und Zigeunerinnen, und nichtswürdige Frauenzimmer, — als Madonnen, Magdalenen u. s. w. erschienen, so dass sogar zu seiner Zeit einzelne seiner Bilder wieder von den bereits eingenommenen Altären weggenommen werden mussten. Wo solcher Widerspruch zwischen Gegenstand und Darstellung dagegen wegfällt, z. B. in seinen Genrebildern, in denen er einen eigenen Reiz entfaltet, namentlich aber wo er Zaubereien, Mordszenen und nächtlichen Verrat, denen er selbst nicht fremd gewesen, malt, erscheint er daher auch am Vollendetsten.
Von Caravaggio's zahlreichen, beinahe in allen Galerien zerstreuten Bildern dürften außer den genannten zu den bemerkenswertesten gehören: zu Augsburg in der Galerie: der heil. Sebastian von gewaltigem Effekt; zu Berlin im Museum: die sogenannte irdische Liebe und ein vortreffliches Porträt; zu Bologna, im P. Zambeccari: ein heil. Johannes; zu Dresden in der Galerie: der heil. Sebastian und drei Bilder mit Spielenden; zu Florenz in der Galerie der Uffizien: Christus im Tempel; zu Genua im Pal. Marcello: Petri Verleugnung und im Pal. Pasqua: Spieler; in München in der Pinakothek: die Anbetung des Christkinds und eine Dornenkrönung Christi; in Neapel: ein Orpheus im Pal. Reale; zu Paris im Louvre: Maria, eine Wahrsagerin und Maria auf dem Totenbette (das letztere Bild war ursprünglich für die Kirche della Scala in Rom gemalt, die Mönche ließen es aber wegen des Unwürdigen der Darstellung — die Maria hat das geschwollene Aussehen einer Ertrunkenen — wieder wegnehmen); zu St. Petersburg in der Eremitage, einen lautenspielenden Jüngling, das Mahl zu Emmaus, eine Kreuzigung Petri; endlich zu Rom: die Grablegung Christi in der Galerie des Vatikans, ein Bild tief unter dem Gegenstand, aber von höchster Meisterschaft der Technik; eine heil. Familie, in der Galerie Borghese; falsche Spieler, eines der vorzüglichsten Bilder des Meisters (gest. von Volpato), in der Galerie Sciarra; eine Wahrsagerin in der Galerie des Kapitols; die sog. „Geometrie" und die sog. „heil. Anna und Maria" (eine Alte, welche Garn windet, und eine junge Näherin), im Palast Spada; eine sog. heil. Magdalena im Palast Doria; eine Kreuzigung Petri in S. M. del Popolo und mehrere andere Bilder in den Palästen Barberini, Braschi, Corsini, Doria, Rospigliosi, im Quirinal u.s.w.
Literatur. Baglioni, Giov., Vite de' Pittori, Scultori, Architetti. Nap. 1733. — Lanzi, Gesch. der Malerei in Italien. — Fiorillo, Gesch. der zeichn. Künste in Italien. — Kugler, Handbuch der Gesch. der Malerei. — Waagen, Kunstwerke und Künstler in Paris.