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Das zweite Sonett der Louise Labé1

O schöne Augen, Blicke abgewendet,
o Seufzer, Klagen, o vergossne Tränen,
o dunkle Nächte, die durchwacht mein Wähnen,
o lichter Tag, vergebens mir verendet!

O Trauer du, da Sehnsucht stets verweilt,
o alle Übel wider mich bereitet,
o tausend Tode rings um mich gebreitet,
o Ewigkeit der Qual, da Zeit enteilt!

O Geigenton des Leids, Musik im Schmerz,
o Lächeln, Stirn und Haar, o edle Hand —
zu viele Flammen für ein armes Herz!

Weh dir, der alle diese Feuer trägt,
daß du sie an mein Leben hast gelegt,
und bleibst von jedem Funken unverbrannt!


  1. Nach dem Original und einer vorhandenen Übertragung.