Zum Hauptinhalt springen

Begriffe und Bilder

Ich schicke voraus, was an späteren Stellen weiter ausgeführt wird, dass diese Stufen: Begriff, Urteil und Schluß der herkömmlichen Logik nachbenannt sind und mit der psychologischen Entstehung dessen, was wir so nennen, gar nichts zu tun haben, dass dem Begriffe fast immer ein Urteil, dem Urteile fast immer ein Schluß vorausgeht und dass aus diesem Verhältnisse übrigens die Wertlosigkeit der Logik deutlich wird. Ich schicke voraus, dass unsere sogenannten Vorstellungen, welche wir durch Begriffe oder Worte auszudrücken glauben, erst durch unsere Bemühung, Begriffen oder Worten ein Objekt unterzuschieben, in unser Bewußtsein hinein kommen. Fast alle diese Vorstellungen sind bei normaler Geistestätigkeit freilich Erinnerungen, aber nicht irgendwie wahrnehmbare, wenn auch noch so abgeblaßte Erinnerungsbilder, sondern einzig und allein Tätigkeiten unseres Gedächtnisses (vgl. auch Bd. I. S. 454). Wäre dem nicht so, wäre die Erinnerung nur ein Erinnerungsbild, welches durch Wort oder Begriff hervorgerufen wird, so hätte die Sprache gar keine solche Bedeutung für den Menschen, so könnte das Tier ohne Sprache ebenso gut denken wie der Mensch. Denn es läge gar kein Hindernis vor, dass z. B. die Geruchsempfindungen dem Hunde ebenso Vorstellungen brächten wie die Worte dem Menschen und dass der Hund so allmählich dazu käme, sich mit Hilfe seines Geruches zur Wissenschaft zu erheben wie der Mensch mit Hilfe der Lautsprache. Dagegen jedoch sträubt sich unsere Überzeugung vom inneren Leben oder von der Psychologie des Hundes. Wir können es uns nicht anders vorstellen, als dass beim Hunde die gegenwärtigen Gerüche bloß Ideenassoziationen knüpfen und dass bei der flüchtigen und mangelhaften — ich möchte sagen — Artikulation der Geruchsempfindungen auch die Ideenassoziationen der Artikulation, der weiteren Brauchbarkeit entbehren. Hört der Mensch ein ihm wohlbekanntes Wort, so steigt nur in Ausnahmsfällen ein Bild vor ihm auf, was dann fast pathologisch als Sinnestäuschung aufgefaßt werden kann; in normalen Verhältnissen wird nur eine Kette oder ein Gewebe, ein Netz oder noch richtiger eine kleine Welt, ein Mikrokosmos von Ideenassoziationen angeregt, fast ohne Beteiligung der Sinnesorgane, fast ganz ohne Bewußtsein, und zu diesem Mikrokosmos (der nicht eindimensional wie eine Kette, der nicht zweidimensional wie ein Gewebe oder ein Netz, sondern dreidimensional oder, in Hinsicht auf die Zeit, vierdimensional wie eine Welt ist) gehören auch unzählige Ergebnisse von Schlüssen und Urteilen. die also dem Gebrauche des Begriffes vorausgehen, wie sie einst der Entstehung des Begriffes vorausgegangen sind.

Was wir für Vorstellungen halten, wenn wir beim Aussprechen oder Hören eines Wortes mitunter das Bedürfnis nach einem Halt in der Wirklichkeitswelt fühlen, das ist fast immer nur eine Exemplifikation, die absichtliche innere Aufmerksamkeit auf irgend ein Beispiel. So wenn wir uns vergewissern wollen, ob wir uns bei den sogenannten konkreten Worten wie Tier, Säugetier, Eaubtier, Hund, Pudel wirklich etwas denken können. Es ist psychologisch interessant zu beobachten, wie wir in solchen Fällen immer zu dem nächstliegenden Beispiele greifen. Seitdem die Gelehrten Bücher- und Schreibtischmenschen geworden sind, wird man z. B. fast jedesmal, wenn ein Psychologe den Begriff Ding mit einer Vorstellung belegen will, Tisch, Feder und dergleichen erwähnt finden. Das Beispielmäßige der Vorstellung ergibt sich noch schärfer bei abstrakten Begriffen wie Mut, bei Beziehungsbegriffen wie aber und selbst bei Verben wie kämpfen. Ich halte es nicht für unmöglich, dass ein flüchtig vorgestelltes Beispiel für aber, für Mut und für kämpfen die gleichen Elemente aufweist: zwei, die einander gegenüberstehen.

Es liegen also den Begriffen oder Worten wohl Sinnesempfindungen und Wahrnehmungen zugrunde, nicht aber Vorstellungen oder Erinnerungsbilder. Die Verwirrung in der psychologischen Terminologie ist da freilich eine vollständige. Man hat Vorstellungen und Wahrnehmungen zu nahe aneinander gebracht und war darum immer geneigt. das Denken oder Sprechen auf Vorstellungen aufzubauen. Anderseits sind doch wieder nur die Sinnesempfindungen die unmittelbaren Elemente der Begriffe; denn beim Übergange von Sinnesempfindungen zu menschlichen Wahrnehmungen dürften doch in der Entwickelung der Organismen unzählige sprachähnliche Urteilsdifferentiale mitgewirkt haben. Wir halten uns vorläufig daran, dass nicht die Vorstellung es ist, welche dem Worte oder Begriffe zugrunde liegen muß, dass vielmehr das Wort oder der Begriff es ist, was eine Vorstellung hervorrufen kann.