Denken und Sprechen
Das Verhältnis zwischen Begriff und Wort könnte aufschlußreich werden für das Verhältnis zwischen Denken und Sprechen. Wir erklären Denken und Sprechen immer aufs neue für identisch und müssen doch auf Schritt und Tritt zugeben, dass der Sprachgebrauch immer wieder einen Unter schied mache zwischen Denken und Sprechen, dass also die Identität nur auf Grund einer besondern Definition beider Begriffe zu Recht bestehe. Reden wir doch, ohne dem Sprachgebrauch Gewalt anzutun, sowohl von einem gedankenlosen Sprechen als von einem nicht nur wortlosen Denken (was ein inneres Sprechen sein kann), sondern geradezu von einem vorsprachlichen Denken (Bd. I. 181 f.).
Zunächst möchte ich in sprachlicher Beziehung bemerken, dass der Begriff Denken wirklich nicht völlig der Korrelatbegriff von Sprechen ist. Eigentlich müßten wir ein besonderes Verbum für die Anwendung der Vernunft besitzen, das etwa dem französischen raisonner entspräche. Die einstige Übersetzung dieses Wortes, "vernünfteln" nämlich, hat wegen ihrer ungeschickten Bildung einen tadelnden Beigeschmack bekommen. Unser Begriff Denken würde dann für die Bedeutung übrig bleiben, welche auch raisonner im Sinne von Schließen besitzt, und wir könnten unsern Ausdruck "schließen" als den sprachlichen Korrelatbegriff für Denken gebrauchen. Ich will mit diesen Bemerkungen keine neuen Vorschläge machen; ich will nur auf die Schwierigkeiten der Terminologie aufmerksam machen. Nach dem gegenwärtig üblichen Sprachgebrauche verwirren sich nämlich die Korrelatbegriffe mit ihrer Komplikation. Wir gehen einerseits vom Begriff zum Urteil, zum Schlüsse und zum Denken über, anderseits vom Worte zum Satze, zum Schlüsse und zur Sprache. Auf den beiden untern Stufen ist die Beziehung der beiden Korrelatbegriffe noch einigermaßen deutlich, auf der dritten Stufe fehlt die sprachliche Unterscheidung, auf der vierten Stufe herrscht vollkommene Wirrnis. Darum muß es nützlich sein, auf einige Beziehungen zwischen Begriff und Wort hinzuweisen.