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Bildung von Begriffen

Von welcher Seite immer man die Bildung von Begriffen beobachtet, immer wieder erweisen sich Begriffe als reine Bequemlichkeiten der Sprache, als künstliche Zeichen, die vorläufig nur in ihren untersten Arten, und da nur soso, der Natur etwa entsprechen.

Jedes Wort wird induktiv gebildet. Selbst die kleine Zahl der Planeten unserer Sonne stand nicht immer fest; es gab das Wort Planet und man wußte nicht, ob es für fünf oder zehn Individuen galt. Die Gattungsbezeichnung "meine Kinder" steht nicht fest. Wie erst bei Worten von großem Umfang.

Da ist es nun einfach unwahr, dass wir von allen Fischen z. B. die gemeinsamen Eigenschaften abstrahieren und dann im Begriff "Fisch" vereinigen. Dazu mußten wir den Begriff "Fisch" schon vorher haben. Es wiederholt sich da der Grundirrtum aller formalen Logik, dass sie die Entstehung des Begriffs im Kopfe des Schülers mit der Entstehung im Menschengeschlechte verwechselt. Ebenso gut könnte man bei der Entstehung des Spitzbogens unsere ganze gegenwärtige Entwicklung der Baukunst voraussetzen.

Im Menschengeschlecht hat sich der Begriff Fisch nicht einmal so gebildet, dass es viele Tiere im Wasser leben sah, nun ihre gemeinsamen Kennzeichen untersuchte und nach diesen Kennzeichen zum Begriffe "Fisch" kam. Nicht einmal das Kennzeichen, dass diese Tiere durch Kiemen atmen, ist so alt, wie die Begriffsbildung' "Fisch". "Fisch" war ganz pöbelhaft, was im Wrasser lebte und so ungefähr aussah wie ein Hecht oder Karpfen oder was sonst der Gattung das Bild gab.

Nun kamen nach und nach die aufmerksamen Augen und untersuchten und wünschten eine naturgemäße Klassifikation zu schaffen, die alle Fische umschloß. Ist diese Begriffsbildung heute vollzogen? Durchaus nicht.

Man hat künstlich den Begriff Säugetier geschaffen und die Walfische unter sie gereiht. Wer aber kann sagen, ob das "Säugen" ein wesentlicheres Kennzeichen sei, als das "im Wasser leben"?

Man hat die Gruppe der "Rundmäuler" geschaffen und die Neunaugen durch sie der Abteilung der Fische entzogen.

Immer war der Vorgang so: Man sah, dass Hechte, Barsche, Aale usw. im Wasser leben und auch in ihren äußern und innern Formen Ähnlichkeiten haben. Da glaubte man, sie wären einander durchaus ähnlich und benannte sie mit einem gemeinsamen Namen: Fisch. Nun zog man lustig ganz wichtige Schlüsse. Der Walfisch ist ein Fisch, also wird er wohl durch Kiemen atmen. Die Neunauge ist ein Fisch, also wird sie wohl . . .

Wir Deutschen nennen die Koniferen ("Zapfenträger" heißen sie nach der Frucht) nach ihrer Blattform "Nadelbäume". Nun hat Gingko biloba (die Pflanze erregte schon Goethes 1) botanisches und poetisches Interesse) keine Nadeln, sondern Blätter; also wird Gingko wohl . . .

So oft nun ein solcher Schluß, der um nichts schlechter war als irgend ein anderer unserer Sprache, sich nach einer neuen Beobachtung als falsch erwies, wurde instinktiv die Sprache dafür angeklagt; man erkannte den Fehler der Sprache, ohne freilich zu ahnen, dass es eben zugleich ein Fehler des Denkens war. Der Begriff Fisch wurde ad hoc neu definiert, und das lustige Schließen konnte wieder von vorn anfangen.

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  1. Sein Gedicht "Gingo biloba" im Buche Suleika entnimmt das schöne Bild von der Blattform der Pflanze, die nicht mit Sicherheit bestimmt werden könne.