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Immaterielle Substanz

Zu einem scholastischen Gezänk würde bei solchen Ausgangspunkten alles Reden über die sogenannte immaterielle Substanz der Seele. Ich habe auf der Universität noch einen Lehrer der Logik gehört, der mit Thomas von Aquino dreierlei Geister oder immaterielle Substanzen lehrte: Menschenseelen, Engel und Gott. Es braucht wohl nicht erst gesagt zu werden, daß auch die immaterielle Substanz nur eine Verkleidung der Menschenseele ist, welche den Engelgläubigen das unmittelbar Gewisse, das der Selbstbeobachtung Wohlbekannte zu sein schien. Schon Hume hat mit der Unbefangenheit des Genies geleugnet, daß er eine solche Selbstbeobachtung kenne, die ihm die Existenz einer immateriellen Substanz, einer Seele, eines Ich verrate. So oft er seinem Ich näher treten wolle, stoße er immer auf eine bestimmte Wahrnehmung oder Empfindung; niemals könne er das Ich ohne solche Seelenäußerungen auffassen, niemals etwas anderes als die Seelenäußerungen wahrnehmen. Kant, der bald kühne und große, bald ängstliche und kleine Kritiker Humes, hat dessen Skeptizismus durch seine Lehre von den Kategorien besiegen zu können gehofft. Substanz ist ihm nur noch beim Ding-an-sich, von dem wir überhaupt nichts wissen; in der Welt als Erscheinung ist Substantialität nur eine Form des Denkens. Wir glauben etwas ganz Ähnliches ohne jede Mystik zu sagen, wenn wir die Seele und ihre immaterielle Substanz Worte nennen. Wir wissen eben auch nicht, was hinter, vor, unter oder über den Worten noch "an sich" ist.

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