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Pflanzenseele

Das Interesse der Gedankenrichtung, man nennt es gewöhnlich Tendenz, läßt nun neuerdings uns das Wort Seele gern auch auf die Pflanzen anwenden. Metaphorisch ist das bei Dichtern von jeher geschehen, und auch die bilderreiche Philosophie der Inder hat die Pflanzen beseelt. Das wachsende Bedürfnis nach klaren Begriffen stellt die Frage bestimmter auf. Aber auch in der bestimmtesten Form bleibt es eine Frage des Sprachgebrauchs. Gestattet unsere Weltanschauung die Anwendung des Wortes Seele auf die Pflanzen? Richtiger: gestattet oder fordert gar die Fülle unserer Pflanzenbeobachtungen, die Ursache ihrer Lebenserscheinungen mit der Menschenseele zu vergleichen? Das Verblüffende in der Anwendung des Wortes liegt allein darin, daß wir bei den Pflanzen keine Ahnung davon haben, was in ihnen etwa dem Organ des menschlichen Seelenlebens, dem Nervensystem und seinen Sinnen, entsprechen möge. Wir müssen uns darum bei den Pflanzen ausschließlich auf die Lebenserscheinungen, auf die Wirkungen einer unbekannten Ursache, beschränken. Wir wenden das Wort Seele vom Menschen ausgehend auf die Tiere an, weil wir das Organ der Bewegungen kennen, weil die gleiche Ursache wie beim Menschen sich unserer Beobachtung aufdrängt, wenn wir auch von der Art der Wirkung des Organs nichts wissen. Es ist darum die Ausdehnung des Seelenbegriffs über die Tiere hinaus auf die Pflanzen ein noch weiterer Sprung im metaphorischen Bedeutungswandel des Wortes, eine noch stärkere Zumutung an den Sprachgebrauch.