Sprachgebrauch von "Seele"
Man sieht, das Körnchen Salz und der Weltgeist sprechen ähnliche Sprachen, sobald man sie sprechen läßt. Nicht viel unähnlicher sind die Sprachen der verschiedenen Menschen, die über das Wesen der Seele streiten. Hätte Descartes nur gesagt: "Die Tiere haben keine Menschenseele", so wäre diese Einfältigkeit unwidersprochen geblieben. Behaupten wiederum die Schüler Fechners, es müsse auch jeder Pflanze eine Seele zugesprochen werden, so lautet der selbstverständliche Einwand: aber doch keine menschliche Seele, an die wir bei dem Begriff Seele zuerst denken. Redet man gar von einer Allbeseelung, von. der Seele unorganischer Dinge, so ist eine solche Begriffsanwendung einleuchtend oder absurd, je nachdem man dabei das Wort Seele erweitert oder einschränkt. Nur daß die Sache mit den Mitteln der Sprache nicht aufzuklären ist. Will man z. B. den Ausdruck Seele vermeiden und redet darum vom Innenleben eines der Schwerkraft oder der chemischen Verwandtschaft gehorchenden unorganisierten Stoffes, so kann man sich bei dem Worte Innenleben doch wieder nur dann etwas denken, wenn man darunter etwas dem menschlichen Innenleben, das heißt der "Seele" Ähnliches versteht. Und geht man weiter, läßt man die einem Naturgesetze gehorchenden Atome der Liebe und dem Haß folgen, wie die Griechen einst sagten, läßt man sie je nach Umständen Wohlbehagen oder Mißbehagen bei Einhaltung oder Nichteinhaltung der mechanischen oder chemischen Richtungswege empfinden (wie der Botaniker Nägeli lehrt), so müssen wieder diese Begriffe des Menschenseelenlebens ungeheuer erweitert werden.