Herba à pisser
Herba à pisser. So nennen die Franzosen ein in Nordamerika beim Volk sehr in Ruf stehendes Mittel gegen chronische Wassersucht, fliegende Gicht, Verschleimung der Lungen, der Harnblase, nämlich das Kraut des doldenförmigen Wintergrüns oder Waldmangolds (Chimophila umbellata L.), ein wirksames, harntreibendes und schleimauflösendes Mittel, welches Barton schon 1810 in den Arzneischatz aufnahm und selbst gegen Skrofeln lobt. — Vor der Anwendung müssen vorhandene Unreinigkeiten: Schleim, Galle im Magen und im Darmkanal, entfernt werden. Man nimmt zwei Lot des frischen oder gut im Schatten getrockneten Krautes, übergießt diese mit 16 Unzen Wasser und lässt das Ganze bis zur Hälfte einkochen. Eine solche Portion verbraucht der Kranke binnen 24 Stunden Esslöffelweise. Leidet derselbe an trägem Stuhlgange oder Leibesverstopfung, so setze man am Ende der Kochung dem Dekokt zwei bis drei Quäntchen Sennesblätter zu und lasse den Kranken darneben fleißig Kristallwasser, dessen Bereitung oben angegeben worden, trinken (s. S. 14). Im ungarischen Magazin der Heilkunde ("Orvosi Tár") redigiert von Prof. Bugat und Dr. Flör, Pesth 1841, März, Nr. 10, teilt Dr. Windisch, Direktor des Pesther Bürgerspitals, die Nachricht mit, dass im Herbst 1839 daselbst eine Wechselfieberepidemie geherrscht habe, die darin sich ausgezeichnet, dass die Kranken mit dem zweiten oder dritten Anfall am ganzen Körper anschwollen, leichenblass, ganz abgeschlagen und unbeweglich liegen blieben, und nach kaum bemerkbarer Abnahme der Symptome von einem Wolfshunger befallen wurden. Unter solchen Umständen wurde zwar dem nächsten gefährlichen Anfall durch schwefelsaures Chinin glücklich vorgebeugt, allein die schon dagewesene Wassersucht konnte dadurch nicht entfernt, um so weniger die darnach regelmäßig folgende vermieden werden. — In solchen Fällen bewährte sich nach fruchtloser Anwendung mehrerer Mittel die Pyrola umbellata durch eine wahrhaft wundertätige Wirkung, indem deren Anwendung eine bedeutende Vermehrung der Harnsekretion und damit, meistens in kurzer Zeit, eine dauernde Herstellung der Gesundheit folgte. Dr. Windisch empfiehlt die Pflanze besonders gegen atomische Wassersucht, welche auf keinem organischen Fehler oder bedeutender Entmischung der Säfte beruht, und rühmt von ihr, dass sie die Verdauung aufrecht erhalte, die langsame Blutbewegung mäßig befördere, den Stuhlgang erleichtere, die Harnabsonderung mächtig anrege und endlich auch durch ihren angenehmen Geschmack dem Kranken sich empfehle. Schädlich erwies sie sich bei Neigung zum fieberhaften Zustande oder beim Vorhandensein desselben; wirkungslos aber dann, wenn etwaige Anschwellungen der Baucheingeweide durch entsprechende Mittel früher nicht entfernt wurden. (S. auch v. Raimann u. v. Rosas Medic. Jahrhb. d. österr. Staats. 1842. Mai. S. 249.)