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Der Deutsche im Teeraum

Mensch, und es war ein ganz kleiner Affenstall, ganz voll, und so heiß, und alle Leute plapperten und klapperten und nippten an diesen Vogelnäpfen, aus denen es Tee zu trinken gab, und dann so kleine Mürbekuchen, keine richtige Torte und keine Schlagsahne – fürchterlich! Mein Debut begann damit, dass ich erst mal einen ganzen Tisch beim Hereinkommen umriß, die Teller rasselten, die Tassen rollten, der Tee floß … Ich entschuldigte mich, und es ging mir wie dem Magister bei Goethe, der bei der Verbeugung mit dem Hintern immer wieder Neues umwirft. Ach, es war schrecklich!

Es waren furchtbar feine Leute. Langweilen dich feine Leute auch so sehr? Sie sind gleich auf der ganzen Erde – und von einem ehrfurchtgebietenden Stumpfsinn. Sie saßen da und bröselten mit den Kuchen und rührten mit den Löffelchen in den Tasselchen. Ganz besonders habe ich ja Amerikanerinnen gefressen. Junge, diese alten, ledergegerbten Gestelle, grell angezogen, geputzt, aufgedonnert … Ich weiß, dass diese Exportware minderwertig ist – aber, weißt du, da lachen sie so viel über unsre deutschen Jägerhemdreisenden: diese da sind ja mindestens ebenso schlimm. Nein, sie sind noch viel grauenvoller. Unsre Leute sind doch noch manchmal – manchmal! – naiv. So eine kleine sächsische Lehrerin mag sich ja manchmal recht komisch ausnehmen, und sehr angenehm wird die Lodenherde auf dem Kapitol ja auch nicht grade sein … Aber diese hier! Dieses kalte Fischauge, diese bleierne Ode, diese freche Prätention: hier sitzen wir, und so sind wir, und wer nicht so ist, der zählt überhaupt nicht mit. Und die Welt sieht in diesen kalten grauen Augen so einfach aus – was uns nicht paßt, darüber sprechen wir nicht, und also gibts das auch nicht.

Wenn ich diese alten Schachteln so sehe, dann erscheint mir dahinter immer der Mann, der für sie gearbeitet hat und noch arbeitet. Also dafür –? Damit so eine in der Welt herumrollen kann, mit ewig gleichbleibender Miene und ewig gleichbleibendem Geplapper Kapitol, Bretagne und Nordkap betrachten kann, auf den Rennen umherstehen, in den Logen hocken und hier in der Teestube diese süßen Sachen zur vorgeschriebenen Stunde, mit dem vorgeschriebenen Gespräch herunterschlucken kann? Dafür –?

Zahlen! Natürlich kommt keiner. Und ich habe eine solche Sehnsucht, dass jetzt irgendein vierschrötiger Kerl hereinkäme, massiv wie Emil Jannings, mit einem wuchtigen Wupp alles von den Tischen herunterfegte, sich aufstöhnend breit hinlümmelte und riefe: So – nun wollen wir mal eine ordentliche Tasse Kaffee trinken!

Und da hätte er vielleicht gar nicht einmal so unrecht.

Peter Panter
Die Weltbühne, 03.07.1924, Nr. 27, S. 37.