Instrumentalmusik. Die Musik deren Gesang bloß aus unartikulierten Tönen besteht und die keine Wörter braucht, um das, was sie ausdrückt verständlich zu machen: sie wird deswegen der Vocalmusik entgegen gesetzt, welche verständliche Worte singt. Die ganze Musik gründet sich auf die Kraft, die schon in unartikulierten Tönen liegt, verschiedene Leidenschaften auszudrücken1; und wenn man nicht ohne Worte die Sprache der Empfindungen sprechen könnte, so würde gar keine Musik möglich sein. Es scheint also, dass die Instrumentalmusik bei dieser schönen Kunst die Hauptsache sei. Man kann in der Tat bei Tänzen, bei festlichen Aufzügen und kriegerischen Märschen, die Vocalmusik völlig missen; weil die Instrumente ganz allein hinreichend sind, die bei solchen Gelegenheiten nötigen Empfindungen, zu erwecken und zu nähren. Aber wo die Gegenstände der Empfindung selbst müssen geschildert oder kennbar gemacht werden, da hat die Musik die Unterstützung der Sprache nötig. Wir können sehr gerührt werden, wenn wir in einer uns unverständlichen Sprache, Töne der Traurigkeit, des Schmerzens oder des Jammers, vernehmen; wenn aber der Klagende zugleich verständlich spricht, wenn er uns die Veranlassung und die nächsten Ursachen seiner Klage entdeckt und die besonderen Umstände seines Leidens erkennen lässt, so werden wir weit stärker gerührt. Ohne Ton und Klang, ohne Bewegung und Rhythmus, werden wir, wenn wir die Klagen einer vor Liebe kranken Sappho lesen, von Mitleiden gerührt; aber wenn tief geholte Seufzer, wenn Töne, die der verliebte Schmerz von der leidenden erpreßt, wann eine schwärmerische Bewegung in der Folge der Töne, unser Ohr wirklich rührt und die Nerven des Körpers in Bewegung setzt; so wird die Empfindung ungleich stärker
Hieraus lernen wir mit völliger Gewissheit, dass die Musik erst ihre volle Wirkung tut, wenn sie mit der Dichtkunst vereinigt ist, wenn Vocal- und Instrumentalmusik verbunden sind. Man kann sich hierüber auf das Gefühl aller Menschen berufen: das rührendste Duett, von Instrumenten gespielt oder von Menschenstimmen, deren Sprache wir nicht verstehen, gesungen, verliert in der Tat den größten Teil seiner Kraft. Aber da, wo das Gemüt bloß von der Empfindung muss gerührt und unterhalten werden, ohne einen besonders bestimmten Gegenstand vor sich zu haben, ist die Instrumentalmusik hinlänglich. So hat man zu den Tänzen und festlichen Aufzügen keinen Vocalgesang nötig, weil die Instrumente allein hinreichend sind uns in die Empfindung zu setzen.
Dadurch wird der Gebrauch der Instrumentalmusik ihrer Natur nach vornehmlich auf die Tänze, Märsche und andere festliche Aufzüge eingeschränkt. Diese sind ihre vornehmste Werke. Hiernächst kann sie auch bei dem dramatischen Schauspiel ihre Dienste tun, indem sie den Zuschauer zum voraus durch Ouvertüren oder Symphonien zu dem Hauptaffekt, der in dem Schauspiel herrscht vorbereitet. Zum bloßen Zeitvertreib aber oder auch als nützliche Übungen, wodurch Setzer und Spieler sich zu wichtigern Dingen geschickter machen, dient sie, wenn sie Konzerte, Trio, Solo, Sonaten und dergleichen hören lässt.
Einige dieser Stücke haben ihre festgesetzten Charaktere, wie die Ballette, Tänze und Märsche und der Tonsetzer hat an diesen Charakteren eine Richtschnur, nach welcher er bei Verfertigung derselben zu arbeiten hat; je genauer er sich an den Charakter jeder Art hält, je besser wird sich sein Werk ausnehmen. Einigermaßen hat man auch bei Ouvertüren und Symphonien, die zum Eingang eines Schauspiels dienen, noch etwas vor sich, worauf die Erfindung sich gründen kann, weil sie den Hauptcharakter des Schauspiels, für welches sie gemacht sind, ausdrücken müssen. Aber die Erfindung für Konzerte, Trio, Solo, Sonaten und dergleichen Dinge, die gar keinen bestimmten Endzweck haben, ist fast gänzlich dem Zufall überlassen. Man begreift noch, wie ein Mann von Genie auf Erfindungen kommt, wenn er etwas vor sich hat, daran er sich halten kann; wo er aber selbst nicht sagen kann, was er machen will oder was das Werk, das er sich zu machen vorsetzt, eigentlich sein soll, da arbeitet er bloß auf gutes Glück. Daher kommt es, dass die meisten Stücke dieser Art nicht anders sind als ein wohlklingendes Geräusch, das stürmend oder sanft in das Gehör fällt. Dieses zu vermeiden, tut der Tonsetzer wohl, wenn er sich allemal den Charakter einer Person oder eine Situation, eine Leidenschaft, bestimmt vorstellt und seine Phantasie so lang anspannt, bis er eine in diesen Umständen sich befindende Person, glaubt reden zu hören. Er kann sich dadurch helfen, dass er pathetische, feurige oder sanfte, zärtliche Stellen, aus Dichtern aussucht und in einem sich dazu schickenden Ton declamirt und dann in dieser Empfindung sein Tonstück entwirft. Er muss dabei nie vergessen, dass das Tonstück, in dem nicht irgend eine Leidenschaft oder Empfindung sich in einer verständlichen Sprache äußert, nichts als ein bloßes Geräusch sei.
Man hat aber bei dem Instrumentalsatz außer der Sorge den Stücken einen bestimmten Charakter und richtigen Ausdruck zu geben, noch verschiedene besondere Dinge wohl zu überlegen. Es ist notwendig, dass der Tonsetzer, die Instrumente, für welche er setzt, selbst wohl kenne und genau wisse, was auf denselben zu leisten möglich sei; denn sonst kann es ihm begegnen, dass er Dinge setzt, die dem Umfang des In struments oder der Art, wie es muss gespielt werden, entgegen sind. Man muss immer bedenken, nicht nur, ob das, was man für ein Instrument setzt, auch auf demselben möglich, sondern ob es leicht zu spielen sei und mit der Natur des Instruments übereinkomme. Eine besondere Vorsicht ist nötig, wo zwei Stimmen von einerlei Instrumenten sollen gespielt werden als von der ersten und zweiten Violin. Denn, weil es da oft geschieht, dass die Stimmen in Anhören verwechselt werden, dass man das, was die zweite Violin spielt, der ersten zuschreibt und umgekehrt; so kann es sich leichte treffen, dass man verbothene Quinten und Oktaven hört, wo der Setzer keine gemacht hat. Wenn z. B. zwei ziemlich gleichklingende Violine folgendes spielten, so könnte es klingen als wenn es so geschrieben wäre: welches sehr widrig sein würde.
Eben so sorgfältig hat man auch darauf zu sehen, dass man nicht Instrumente, die in Ansehung der Höhe gar zu sehr auseinander sind, ohne die nötigen Mittelstimmen, gerade unter einander bringe, wie wenn man Violinen von einem Violoncell, ohne Bratsche wollte begleiten lassen. Denn dadurch würden die Stimmen weiter aus einander kommen als die Natur der guten Harmonie es verträgt2. Endlich hat man auch hier, wie in allen anderen Sachen des Geschmacks auf die angenehme Mannigfaltigkeit der Instrumente zu sehen; die Töne müssen sich gut gegen einander ausnehmen, aber einander doch nicht entgegen sein.
Unter allen Instrumenten, worauf leidenschaftliche Töne können gebildet werden, ist die Kehle des Menschen ohne allen Zweifel das vornehmste. Darum kann man es als eine Grundmaxime ansehen, dass die Instrumente die vorzüglichsten sind, die am meisten fähig sind, den Gesang der Menschen Stimme, nach allen Modificationen der Töne nachzuahmen. Aus diesem Grund ist die Hoboe eines der vorzüglichsten.
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1 S. Musik.
2 S. Eng. Harmonie.