X.5. Älteste Schrifttradition über den Ursprung der Menschengeschichte

 

 Abermals ein großer Blick dieses ältesten Naturforschers, den noch zu unserer Zeit viele nicht zu fassen vermögen! Die innere Geschichte der Erde zeigt nämlich, daß bei Bildung derselben die organische Kräfte der Natur allenthalben sogleich wirksam gewesen und daß, wo sich eine derselben äußern konnte, sie sich alsobald geäußert habe. Die Erde vegetierte, sobald sie zu vegetieren vermochte, obgleich ganze Reiche der Vegetation durch neue Absätze der Luft und des Wassers untergehen mußten. Das Meer wimmelte von Lebendigem, sobald es dazu geläutert genug war, obgleich durch Überschwemmungen des Meeres Millionen dieser Lebendigen ihr Grab finden und damit andern Organisationen zum Stoff dienen mußten. Auch konnte in jeder Periode dieser auswirkenden Läuterungen noch nicht jedes Lebendige jedes Elements leben; die Gattungen der Geschöpfe folgten einander, wie sie ihrer Natur und ihrem Medium nach wirklich werden konnten Und siehe da, alles dies faßt unser Naturweise in eine Stimme des Weltschöpfers zusammen, die, wie sie das Licht hervorrief und damit der Luft sich zu läutern, dem Meer zu sinken, der Erde allmählich hervorzugehen befahl, d. i. lauter wirksame Kräfte des Naturkreises in Bewegung setzte, so auch der Erde, den Wassern, dem Staube befiehlt, daß jedes derselben organische Wesen nach seiner Art hervorbringe und sich die Schöpfung also durch eigne, diesen Elementen eingepflanzte organische Kräfte selbst belebe. So spricht dieser Weise und scheut den Anblick der Natur nicht, den wir jetzt noch allenthalben gewahr werden, wo organische Kräfte sich ihrem Element gemäß zum Leben ausarbeiten. Nur stellt er, da doch abgeteilt werden mußte, die Reiche der Natur gesondert gegeneinander, wie der Naturkündiger sie sondert, ob er wohl weiß, daß sie nicht abgezäunt voneinander wirken. Die Vegetation geht voraus; und da die neuere Physik bewiesen hat, wie sehr die Pflanzen insonderheit durch das Licht leben, so war bei wenig abgewittertem Felsen, bei wenig hinzugespültem Schlamm unter der mächtigen Wärme der brütenden Schöpfung schon Vegetation möglich. Der fruchtbare Schoß des Meers folgte mit seinen Geburten und beförderte andere Vegetationen. Die von jenen Untergegangenen und von Licht, Luft und Wasser beschwängerte Erde eilte nach und fuhr fort, gewiß nicht alle Gattungen auf einmal zu gebären; denn sowenig das fleischfressende Tier ohne animalische Speise leben konnte, so gewiß setzte seine Entstehung auch den Untergang animalischer Geschlechter voraus, wie abermals die Naturgeschichte der Erde bezeugt. Seegeschöpfe oder grasfressende Tiere sind's, die man als Niederlagen der ersten Aeonen in den tiefern Schichten der Erde findet, fleischfressende Tiere nicht oder selten. So wuchs die Schöpfung in immer feinern Organisationen stufenweise hinan, bis endlich der Mensch dasteht, das feinste Kunstgebilde der Elohim, der Schöpfung vollendende Krone.

 Doch ehe wir vor diese Krone treten, lasst uns noch einige Meisterzüge betrachten, die der alte Naturweise in sein Gemälde webte. Zuerst. Die Sonne und die Gestirne bringt er nicht als Wirkerinnen in sein ausarbeitendes Rad der Schöpfung. Er macht sie zum Mittelpunkt seines Symbols; denn allerdings erhalten sie unsere Erde und alle organische Geburten derselben im Lauf und sind also, wie er sagt, Könige der Zeiten; organische Kräfte selbst aber geben sie nicht und leuchten solche nicht hernieder. Noch jetzt scheint die Sonne, wie sie im Anfange der Schöpfung schien; sie erweckt und organisiert aber keine neuen Geschlechter; denn auch aus der Fäulnis würde die Wärme nicht das kleinste Lebendige entwickeln, wenn die Kraft seiner Schöpfung nicht schon zum nächsten Übergange daselbst bereitläge. Sonne und Gestirne treten also in diesem Naturgemälde auf, sobald sie auftreten können, da nämlich die Luft geläutert und die Erde aufgebaut dasteht, aber nur als Zeugen der Schöpfung, als beherrschende Regenten eines durch sich selbst organischen Kreises.

 Zweitens. Vom Anfange der Erde ist der Mond da, für mich ein schönes Zeugnis dieses alten Naturbildes. Die Meinung derer, die ihn für einen spätern Nachbar der Erde halten und seiner Ankunft alle Unordnungen auf und in derselben zuschreiben, hat für mich keine Überredung. Sie ist ohne allen physischen Erweis, indem jede scheinbare Unordnung unseres Planeten nicht nur ohne diese Hypothese erklärt werden kann, sondern auch durch diese bessere Erklärung Unordnung zu sein aufhört. Offenbar nämlich konnte unsere Erde mit den Elementen, die in der Hülle ihres Werdens lagen, nicht anders als durch Revolutionen, ja auch durch diese kaum anders als in der Nachbarschaft des Mondes gebildet werden. Er ist der Erde zugewogen, wie sie sich selbst und der Sonne zugewogen ist; sowohl die Bewegung des Meeres als die Vegetation ist, nachdem wir wenigstens das Uhrwerk unserer Himmels- und Erdkräfte kennen, an seinen Kreislauf gebunden.

 Drittens Fein und wahr stellt dieser Naturweise die Geschöpfe der Luft und des Wassers in eine Klasse, und die vergleichende Anatomie hat eine wundernswürdige Ähnlichkeit im innern Bau, insonderheit ihres Gehirns bemerkt, als dem wahren Stufenzeiger der Organisation eines Geschöpfes. Die Verschiedenheit der Ausbildung nämlich ist überall nach dem Medium eingerichtet, für welches die Geschöpfe gemacht sind; bei diesen zwo Klassen also, der Luft- und Wassergeschöpfe, muß im innern Bau dieselbe Analogie sichtbar werden, die sich zwischen Luft und Wasser findet. Überhaupt bestätigt dies ganze lebendige Rad der Schöpfungsgeschichte, daß, da jedes Element hervorbrachte, was es hervorbringen konnte, und alle Elemente zum Ganzen eines Werks gehören, eigentlich auch nur eine organische Bildung auf unserm Planeten habe sichtbar werden können, die vom niedrigsten der Lebendigen anfängt und sich beim letzten edelsten Kunstwerk der Elohim vollendet.

 Mit Freude und Verwunderung trete ich also vor die reiche Beschreibung der Menschenschöpfung; denn sie ist der Inhalt meines Buchs und glücklicherweise auch dessen Siegel. Die Elohim ratschlagen miteinander und drücken dieser Ratschlagung Bild in den werdenden Menschen: Verstand und Überlegung also ist sein auszeichnender Charakter. Sie bilden ihn zu ihrem Gleichnis, und alle Morgenländer setzen dies vorzüglich in der aufgerichteten Gestalt des Körpers. Ihm wurde der Charakter eingeprägt, zu herrschen über die Erde; seiner Gattung also wurde der organische Vorzug gegeben, sie allenthalben erfüllen zu können und als das fruchtbarste Geschöpf unter den edlern Tieren in allen Klimaten als Stellvertreter der Elohim, als sichtbare Vorsehung, als wirkender Gott zu leben. Siehe da die älteste Philosophie der Menschengeschichte.

 Und nun, da das Rad des Werdens bis zur letzten herrschenden Triebfeder vollendet war, ruhte Elohim und schuf nicht weiter; ja, er ist auf dem Schauplatz der Schöpfung so verborgen, als ob alles sich selbst hervorgebracht hätte und in notwendigen Generationen ewig also gewesen wäre. Das letzte findet nicht statt, da der Bau der Erde und die aufeinander gegründete Organisation der Geschöpfe genugsam beweist, daß alles Irdische als ein Kunstgebäude einen Anfang genommen und sich vom Niedrigern zum Höheren hinaufgearbeitet habe; wie aber nun das Erste? Warum schloß sich die Werkstätte der Schöpfung und weder das Meer noch die Erde wallt jetzt von neuen Gattungen lebendiger Wesen auf, so daß die Schöpfungskraft zu ruhen scheint und nur durch die Organe festgestellter Ordnungen und Geschlechter wirkt? Unser Naturweise gibt uns mit dem wirkenden Wesen, das er zur Triebfeder der ganzen Schöpfung macht, auch hierüber physischen Aufschluß. Wenn es das Licht oder Feuerelement war, was die Masse trennte, den Himmel erhol, die Luft elastisch machte und die Erde bis zur Vegetation bereitete: es gestaltete die Samen der Dinge und organisierte sich vom niedrigsten bis zum feinsten Leben hinauf; vollendet war also die Schöpfung, da nach dem Wort des Ewigen, d. i. nach seiner ordnenden Weisheit, diese Lebenskräfte verteilt waren und alle Gestalten angenommen hatten, die sich auf unserm Planeten erhalten konnten und sollten. Die rege Wärme, mit der der brütende Geist über den Wassern der Schöpfung schwebte und die sich schon in den unterirdischen frühern Gebilden, ja in ihnen mit einer Fülle und Kraft offenbart, mit der jetzt weder Meer noch Erde etwas hervorzubringen vermögen, diese Urwärme der Schöpfung, sage ich, ohne welche damals sich sowenig etwas organisieren konnte, als sich jetzt ohne genetische Wärme etwas organisiert, sie hatte sich allen Ausgeburten, die wirklich wurden, mitgeteilt und ist noch jetzt die Triebfeder ihres Wesens.

Welche unendliche Menge groben Feuers z. B. riß die Steinmasse unserer Erde an sich, die noch in ihr schläft oder wirkt, wie alle Vulkane alle brennbare Mineralien, ja jeder geschlagene kleine Kiesel beweist! Daß Brennbares in der ganzen Vegetation sei und daß das animalische Leben sich bloß mit der Verarbeitung dieses Feuerstoffs beschäftige, ist durch eine Menge neuerer Versuche und Erfahrungen bewiesen, so daß der ganze lebendige Kreislauf der Schöpfung der zu sein scheint, daß das Flüssige fest und das Feste flüssig, das Feuer entwickelt und wieder gebunden, die lebendigen Kräfte mit Organisationen beschränkt und wieder befreit werden. Da nun die Masse, die der Ausbildung unserer Erde bestimmt war, ihre Zahl, ihr Maß, ihr Gewicht hatte, so mußte auch die innere, sie durchwirkende Triebfeder ihren Kreis finden. Die ganze Schöpfung lebt jetzt voneinander; das Rad der Geschöpfe läuft umher, ohne daß es hinzutue; es zerstört und baut in den genetischen Schranken, in die es der erste schaffende Zeitraum gesetzt hat. Die Natur ist gleichsam durch die Gewalt des Schöpfers vollendete Kunst worden und die Macht der Elemente in einen Kreislauf bestimmter Organisationen gebunden, aus dem sie nicht weichen kann, weil der bildende Geist sich allem einverleibt hat, dem er sich einverleiben konnte. Daß nun aber ein solches Kunstwerk nicht ewig bestehen könne, daß der Kreislauf, der einen Anfang gehabt hat, notwendig auch ein Ende haben müsse, ist Natur der Sache. Die schöne Schöpfung arbeitet sich zum Chaos, wie sie aus einem Chaos sich herausarbeitete; ihre Formen nützen sich ab; jeder Organismus verfeint sich und altert. Auch der große Organismus der Erde muß also sein Grab finden, aus dem er, wenn seine Zeit kommt, zu einer neuen Gestalt emporsteigt.

 


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