X.3. Der Gang der Kultur und Geschichte gibt historische Beweise, daß das Menschengeschlecht in Asien entstanden sei

 

Alle Völker Europas, woher sind sie? Aus Asien. Von den meisten wissen wir's gewiß: wir kennen den Ursprung der Lappen, der Finnen, der Germanier und Goten, der Gallier, Slawen, Kelten, Cimbern u. f. Teils aus ihren Sprachen oder Sprachresten, teils aus Nachrichten ihrer alten Sitze können wir sie ziemlich weit ans Schwarze Meer oder in die Tatarei verfolgen, wo zum Teil noch ihre Sprachreste leben. Von der Abkunft anderer Völker wissen wir weniger, weil wir die älteste Geschichte derselben weniger kennen; denn bloß die Unkunde voriger Zeiten macht Autochthonen. Ein seltnes Verdienst um die Menschheit wäre es, wenn der sprachgelehrteste Geschichtforscher der alten und neuen Völker, Büttner, uns die Schätze seiner zusammenhaltenden Belesenheit auftäte und, wie er's tun könnte, einer Reihe von Völkern ihren ihnen selbst unbekannten Stammbaum gäbe.159

Die Abkunft der Afrikaner und Amerikaner ist uns freilich dunkler; soweit wir aber den obern Rand des erstgenannten Weltteils kennen und die ältesten Traditionen über ihn zusammenhalten, ist er asiatisch. Weiter hinab müssen wir uns begnügen, in der Negergestalt und Farbe wenigstens nichts Widersprechendes gegen diese Abkunft, vielmehr ein fortgehendes Gemälde klimatischer Nationalbildungen zu finden, wie das sechste Buch dieser Schrift zu zeigen versucht hat. Ein gleiches ist's mit dem später bevölkerten Amerika, dessen Bepflanzung aus dem östlichen Asien schon der einförmige Anblick der Völker wahrscheinlich machte.

Mehr als die Bildungen aber sagen uns die Sprachen der Völker; und wo auf der ganzen Erde gibt es die ältest-kultivierten Sprachen? In Asien Wollt ihr das Wunderding sehen, daß Völker Tausende von Meilen hin in die Länge und Breite lauter einsilbige Sprachen reden, seht nach Asien. Die Strecke jenseit des Ganges, Tibet und Sina, Pegu, Ava, Arrakan und Brema, Tonquin, Laos, Koschin-Sina, Kambodscha und Siam sprechen lauter unbiegsam-einsilbige Worte. Wahrscheinlich hat die frühe Regel ihrer Sprachkultur und Schrift sie dabei erhalten; denn in dieser Ecke Asiens sind die ältesten Einrichtungen beinah in allem unverändert geblieben. Wollt ihr Sprachen, deren großer, fast überfließender Reichtum auf sehr wenige Wurzeln zusammengeht, so daß sie mit einer sonderbaren Regelmäßigkeit und dem fast kindischen Kunstwerk, durch eine kleine Veränderung des Stammworts einen neuen Begriff zu sagen, Mannigfaltigkeit und Armut verbinden, so seht den Umfang Südasiens von Indien bis nach Syrien, Arabien und Äthiopien hin. Die bengalische Sprache hat 700 Wurzeln, gleichsam die Elemente der Vernunft, aus denen sie Zeitwörter, Nennwörter und alle andere Redeteile bildet. Die ebräische und die ihr verwandten Sprachen, so ganz anderer Art sie sind, erregen Erstaunen, wenn man ihren Bau selbst noch in den ältesten Schriften betrachtet. Alle ihre Worte gehen an Wurzeln von drei Buchstaben zusammen, die anfangs vielleicht auch einsilbig waren, nachher aber, wahrscheinlich durch das ihnen eigne Buchstabenalphabet, frühzeitig in diese Form gebracht wurden und in ihr vermittelst sehr einfacher Zusätze und Biegungen die ganze Sprache bauten. Ein unermeßlicher Reichtum von Begriffen geht z. B. in der fortgebildeten arabischen Sprache an wenige Wurzeln zusammen, so daß das Flickwerk der meisten europäischen Sprachen mit ihren unnützen Hülfsworten und langweiligen Flexionen sich nie mehr verrät, als wenn man sie mit den Sprachen Asiens wergleicht. Daher fallen diese auch, je älter sie sind, dem Europäer zu lernen schwer; denn er muß den nutzlosen Reichtum seiner Zunge aufgeben und kommt in ihnen wie zu einer feindurchdachten, leisegeregelten Hieroglyphik der unsichtbaren Gedankensprache.

 Das gewisseste Zeichen der Kultur einer Sprache ist ihre Schrift: je älter, künstlicher, durchdachter diese war, desto mehr wurde auch die Sprache gebildet. Nun kann, wenn man nicht etwa die Scythen ausnähme, die auch ein asiatisches Volk waren, keine europäische Nation sich eines selbsterfundenen Alphabets rühmen; sie stehen hierin als Barbaren den Negern und Amerikanern zur Seite. Asien allein hatte Schrift, und zwar schon in den ältesten Zeiten. Die erste gebildete Nation Europas, die Griechen, bekamen ihr Alphabet von einem Morgenländer, und daß alle andere Buchstabencharaktere der Europäer abgeleitete oder verdorbne Züge der Griechend sind, zeigen die Büttnerschen Tafeln.160 Auch der Ägypter älteste Buchstabenschrift auf ihren Mumien ist phönicisch und so wie das koptische Alphabet verdorben- griechisch ist. Unter den Negern und Amerikanern ist an keine selbsterfundene Schrift zu gedenken; denn unter diesen stiegen die Mexikaner über ihre rohen Hieroglyphen und die Peruaner über ihre Knotenstricke nicht auf. Asien dagegen hat die Schrift in Buchstaben und Kunsthieroglyphen gleichsam erschöpft, so daß man unter seinen Schriftzügen beinah alle Gattungen findet, wie die Rede der Menschen gefesselt werden konnte. Die bengalische Sprache hat 50 Buchstaben und 12 Vokale; die sinesische hat aus ihrem Walde von Zügen nicht minder als 112 zu Lautbuchstaben und 36 zu Mitlautern erwählt. So geht es durch die tibetanische, singalesische, marattische, mandschurische Alphabete sogar mit verschiednen Richtungen der Zeichen. Einige der asiatischen Schriftarten sind offenbar so alt, daß man bemerkt, wie sich die Sprache selbst mit und zu ihnen gebildet habe; und die einfach-schöne Schrift auf den Ruinen von Persepolis verstehen wir noch gar nicht.

 Treten wir von dem Werkzeuge der Kultur zur Kultur selbst: wo wäre dieselbe früher entstanden, ja, wo hätte sie früher entstehen können als in Asien? von da sie sich auf bekannten Wegen weiter umhergebreitet. Die Herrschaft über die Tiere war dazu einer der ersten Schritte, und sie steigt in diesem Weltteil über alle Revolutionen der Geschichte hinauf. Nicht nur, daß, wie wir gesehen haben, dies UrGebirge der Welt die meisten und zähmbarsten Tiere hatte, die Gesellschaft der Menschen hat dieselben auch so frühe gezähmt, daß unsere nutzbarsten Tiergeschlechter, Schaf, Hund und Ziege, gleichsam nur aus dieser Bezähmung entstanden und eigentlich also neue Tiergattungen der asiatischen Kunst sind. Will man sich in den Mittelpunkt der Verteilung gezähmter Tiere stellen, so trete man auf die Höhe von Asien; je entfernter von ihm (im Großen der Natur gerechnet), desto minder gezähmte Tiere. In Asien bis auf seine Süd-Inseln ist alles voll derselben; in Neuguinea und Neuseeland fand sich nur der Hund und das Schwein, in Neukaledonien der Hund allein, und in dem ganzen weiten Amerika waren das Guaniko und Lacma die einzigen gezähmten Tiere. Auch sind die besten Gattungen derselben in Asien und Afrika von der schönsten, edelsten Art. Der Dschiggetai und das arabische Pferd, der wilde und zahme Esel, der Argali und das Schaf? der wilde Bock und die Angoraziege sind der Stolz ihres Geschlechts; der klügste Elefant ist in Asien von frühen Zeiten an aufs künstlichste gebraucht, und das Kamel war diesem Weltteil unentbehrlich. In der Schönheit einiger dieser Tiere tritt Afrika zunächst an Asiens Seite; im Gebrauch derselben aber steht's ihm noch jetzt weit nach. Alle seine gezähmten Tiere hat Europa Asien zu danken; was unserm Weltteil eigen ist, sind 15 bis 16 Arten, größtenteils Mäuse und Fledermäuse.161

 


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