Drittes Kapitel:
Die bewußte Symbolik der vergleichenden Kunstform
Was durch die Erhabenheit, im Unterschiede des eigentlichen bewußtlosen Symbolisierens, hervorgetreten ist, besteht einerseits in dem Trennen der für sich ihrer Innerlichkeit nach gewußten Bedeutung und der davon abgeschiedenen konkreten Erscheinung, andererseits in dem direkter oder indirekter hervorgehobenen Sichnichtentsprechen beider, in welchem die Bedeutung als das Allgemeine die einzelne Wirklichkeit und deren Besonderheit überragt. In der Phantasie des Pantheismus aber wie in der Erhabenheit konnte der eigentliche Inhalt, die eine allgemeine Substanz aller Dinge, nicht für sich ohne Beziehung auf das - wenn auch seinem Wesen nicht adäquate - erschaffene Dasein zur Anschauung kommen. Diese Beziehung jedoch gehörte der Substanz selber an, welche an der Negativität ihrer Akzidenzien sich den Erweis ihrer Weisheit, Güte, Macht und Gerechtigkeit gab. Deshalb ist im allgemeinen wenigstens auch hier das Verhältnis von Bedeutung und Gestalt noch wesentlicher und notwendiger Art, und die beiden verknüpften Seiten sind noch einander nicht im eiaentlichen Sinne des Worts äußerlich geworden. Diese Äußerlichkeit aber, da sie an sich im Symbolischen vorhanden ist, muß auch gesetzt werden und tritt in den Formen hervor, welche wir in dem letzten Kapitel der symbolischen Kunst zu betrachten haben. Wir können sie die bewußte Symbolik und näher die vergleichende Kunstform nennen.
Unter der bewußten Symbolik nämlich ist zu verstehen, daß die Bedeutung nicht nur für sich gewußt, sondern ausdrücklich von der äußerlichen Weise, in welcher sie dargestellt wird, unterschieden gesetzt ist. Die Bedeutung, so für sich ausgesprochen, erscheint dann - wie in der Erhabenheit - nicht wesentlich in und als die der Gestalt, welche ihr auf solche Weise gegeben wird. Die Beziehung beider aufeinander bleibt aber nicht mehr, wie auf der vorigen Stufe, ein in der Bedeutung selber schlechthin begründetes Beziehen, sondern wird ein mehr oder weniger zufälliges Zusammenbringen, welches der Subjektivität des Poeten, dem Vertiefen seines Geistes in ein äußerliches Dasein, seinem Witze, seiner Erfindung überhaupt angehört, wobei er denn bald mehr von einer sinnlichen Erscheinung ausgehen und ihr aus sich eine verwandte geistige Bedeutung einbilden, bald seinen Ausgangspunkt mehr von der wirklich oder auch nur relativ inneren Vorstellung nehmen kann, um dieselbe zu verbildlichen oder selbst nur ein Bild mit einem anderen, das gleiche Bestimmungen in sich faßt, in Beziehung zu setzen.
Von der noch naiven und bewußtlosen Symbolik unterscheidet sich deshalb diese Art der Verknüpfung sogleich dadurch, daß jetzt das Subjekt sowohl das innere Wesen seiner zum Inhalt genommenen Bedeutungen als auch die Natur der äußeren Erscheinungen kennt, welche es vergleichungsweise zur näheren Veranschaulichung benutzt und beide in dieser bewußten Absicht der aufgefundenen Ähnlichkeit wegen zueinanderstellt. Der Unterschied aber zwischen der jetzigen Stufe und der Erhabenheit ist darin zu suchen, daß einerseits zwar die Trennung und das Nebeneinandertreten der Bedeutung und ihrer konkreten Gestalt in dem Kunstwerke selbst in geringerem oder höherem Grade ausdrücklich herausgehoben wird, andererseits jedoch das erhabene Verhältnis vollständig fortfällt. Denn als Inhalt ist nicht mehr das Absolute selbst, sondern irgendeine bestimmte und beschränkte Bedeutung genommen, und innerhalb der beabsichtigten Scheidung derselben von ihrer Verbildlichung stellt sich ein Verhältnis her, das durch ein bewußtes Vergleichen dasselbe tut, was die unbewußte Symbolik in ihrer Weise bezweckte.
Zum Inhalt aber kann als Bedeutung nicht mehr das Absolute, der eine Herr, aufgefaßt werden, weil schon durch das Sondern von konkretem Dasein und Begriff und durch das wenn auch nur vergleichende Nebeneinandergestelltsein beider für das Kunstbewußtsein, insofern es diese Form als letzte und eigentliche ergreift, sogleich die Endlichkeit gesetzt ist. In der heiligen Poesie dagegen ist Gott das allein Bedeutende in allen Dingen, die ihm gegenüber sich als vergänglich und nichtig erweisen. Soll nun aber die Bedeutung an dem, was an sich selbst beschränkt und endlich ist, ihr ähnliches Bild und Gleichnis finden können, so muß sie selber um so mehr von beschränkter Art sein, als auf der Stufe, die uns jetzt beschäftigt, gerade das - freilich seinem Inhalt äußerliche und vom Dichter nur willkürlich auserwählte - Bild der Ähnlichkeiten wegen, die es mit dem Inhalte hat, als relativ gemäß angesehen wird. Von der Erhabenheit deshalb bleibt in der vergleichenden Kunstform nur der Zug übrig, daß jedes Bild, statt die Sache und Bedeutung selbst ihrer adäquaten Wirklichkeit nach darzustellen, nure'rn Bild und Gleichnis derselben abgeben soll.
Dadurch bleibt diese Art des Symbolisierens als Grundtypus ganzer Kunstwerke eine untergeordnete Gattung. Denn die Gestalt besteht nur in der Beschreibung eines unmittelbaren sinnlichen Daseins oder Vorfalls, von welchem die Bedeutung ausdrücklich zu unterscheiden ist. Bei Kunstwerken aber, welche aus einem Stoff gebildet und in ihrer Gestaltung ein unentzweites Ganzes sind, kann solches Vergleichen sich nur etwa nebenher, wie es z. B. in echten Produkten der klassischen und romantischen Kunst der Fall ist, als Schmuck und Beiwerk geltend machen.
Wenn wir daher diese ganze Stufe als Vereinigung der beiden früheren ansehen, indem sie sowohl die Trennung von Bedeutung und äußerer Realität in sich faßt, welche der Erhabenheit zugrunde lag, als auch das Hinweisen einer konkreten Erscheinung auf eine verwandte allgemeine Bedeutung, wie wir es beim eigentlichen Symbol hervortreten sahen, so ist dennoch diese Vereinigung nicht etwa eine höhere Kunstform, sondern vielmehr eine zwar klare, aber verflachte Auffassung, welche, in ihrem Inhalt begrenzt und in ihrer Form mehr oder weniger prosaisch, sich ebensosehr aus der geheimnisvoll gärenden Tiefe des eigentlichen Symbols als von dem Gipfel der Erhabenheit herab in das gewöhnliche Bewußtsein hinein verläuft.
Was nun die bestimmtere Einteilung dieser Sphäre angeht, so findet zwar bei diesem vergleichenden Unterscheiden, welches die Bedeutung für sich voraussetzt und ihr gegenüber eine sinnliche oder bildliche Gestalt auf sie bezieht, durchgängig fast das Verhältnis statt, daß die Bedeutung als die Hauptsache und die Gestaltung als bloße Einkleidung und Äußerlichkeit genommen wird; zugleich aber tritt der weitere Unterschied ein, daß bald die eine, bald die andere von beiden Seiten zuerst hingestellt und somit von ihr ausgegangen wird. In dieser Weise steht entweder die Gestaltung als eine für sich äußere, unmittelbare, natürliche Begebenheit oder Erscheinung da, von der dann eine allgemeine Bedeutung aufgewiesen wird, oder die Bedeutung ist für sich sonst herbeigeführt, und es wird dann erst für sie irgendwoher äußerlich eine Gestaltung ausgewählt.
Wir können in dieser Beziehung zwei Hauptstufen unterscheiden.
A. In der ersten macht die konkrete Erscheinung, sei sie aus der Natur oder aus menschlichen Begebnissen, Vorfällen und Handlungen hergenommen, einerseits den Ausgangspunkt, andererseits das für die Darstellung Wichtige und Wesentliche aus. Sie wird zwar nur der allgemeineren Bedeutung wegen, die sie enthält und andeutet, ausgeführt und nur insoweit entfaltet, als es der Zweck, diese Bedeutung in einem damit verwandten einzelnen Zustande oder Vorfall zu veranschaulichen, erfordert; das Vergleichen aber der allgemeinen Bedeutung und des einzelnen Falls als subjektive Tätigkeit ist noch nicht ausdrücklich herausgestellt, und die ganze Darstellung will nicht ein bloßer Zierat an einem auch ohne diesen Schmuck selbständigen Werke sein, sondern tritt noch mit der Prätention auf, für sich schon ein Ganzes abzugeben. Die Arten, die hierher gehören, sind die Fabel, die Parabel, der Apolog, das Sprichwort und die Verwandlungen.
B. Auf der zweiten Stufe dagegen ist die Bedeutung das erste, was vor dem Bewußtsein steht, und die konkrete Verbildlichung derselben das nur Danebenstehende und Beiherspielende, das für sich gar keine Selbständigkeit hat, sondern als der Bedeutung ganz unterworfen er- scheint, so daß nun auch die gerade dieses und kein anderes Bild heraussuchende subjektive Willkür des Vergleichens näher zum Vorschein kommt. Diese Darstellungsweise kann es zum größten Teil nicht zu selbständigen Kunstwerken bringen und muß sich deshalb damit begnügen, ihre Formen als das bloß Nebensächliche anderweitigen Gebilden der Kunst einzuverleiben. Als Hauptarten lassen sich hierher das Rätsel, die Allegorie, die Metapher, das Bild und Gleichnis zählen.
C. Drittens endlich können wir anhangsweise noch des Lehrgedichts und der beschreibenden Poesie Erwähnung tun, da sich in diesen Dich- tungsarten auf der einen Seite das bloße Herauskehren der allgemeinen Natur der Gegenstände, wie das Bewußtsein in seiner verständigen Klarheit dieselbe auffaßt, auf der anderen das Schildern ihrer konkreten Erscheinung für sich verselbständigt und somit die vollständige Trennung desjenigen ausgebildet wird, was erst in seiner Vereinung und echten Ineinsbildung wahrhafte Kunstwerke zustande kommen läßt.
Die Scheidung nun der beiden Momente des Kunstwerks führt es mit sich, daß die verschiedenen Formen, welche in diesem ganzen Kreise ihre Stellung finden, fast durchgängig nur der Kunst der Rede angehören, indem die Poesie allein solche Verselbständigung von Bedeutung und Gestalt aussprechen kann, während es die Aufgabe der bildenden Künste ist, in der äußeren Gestalt als solcher deren Inneres kundzugeben.