1. Die Religion Zoroasters


Die Religion Zoroasters nämlich sieht das Licht in seiner natürlichen Existenz, die Sonne, Gestirne, das Feuer in seinem Leuchten und Flammen als das Absolute an, ohne dies Göttliche für sich von dem Licht als einem bloßen Ausdruck und Abbilde oder Sinnbilde zu trennen. Das Göttliche, die Bedeutung, ist von seinem Dasein, den Lichtern, nicht geschieden. Denn wenn das Licht auch ebensosehr in dem Sinne des Guten, Gerechten und dadurch Segensreichen, Erhaltenden, Lebenverbreitenden genommen wird, so gilt es doch nicht etwa als bloßes Bild des Guten, sondern das Gute ist selber Licht. Ebenso ist es mit dem Gegensatz des Lichts, dem Dunklen und den Finsternissen, als dem Unreinen, Schädlichen, Schlechten, Zerstörenden, Tötenden.

Näher besondert und gliedert sich diese Anschauung in folgender Weise.

a) Erstens wird das Göttliche als das in sich Lichtreine und das demselben entgegengesetzte Finstere und Unreine zwar personifiziert und heißt dann Ormuzdunö Ahriman; diese Personifikation aber bleibt ganz oberflächlich. Ormuzd ist kein in sich freies, sinnlichkeitsloses Subjekt wie der Gott der Juden oder wahrhaft geistig und persönlich wie der christliche Gott, der als wirklich persönlicher selbstbewußter Geist vorgestellt wird; sondern Ormuzd, wie sehr er auch König, großer Geist, Richter usf. genannt wird, bleibt dennoch unabgetrennt von dem sinnlichen Dasein als Licht und Lichter. Er ist nur dies Allgemeine aller besonderen Existenzen, in denen das Licht und damit das Göttliche und Reine wirklich ist, ohne daß er sich jedoch als geistige Allgemeinheit und Fürsichsein derselben aus allem Vorhandenen selbständig in sich zurückzöge. Er bleibt in den existierenden Besonderheiten und Einzelheiten wie die Gattung in den Arten und Individuen. Als dies Allgemeine erhält er zwar den Vorzug vor allem Besonderen und ist der Erste, Oberste, der goldglänzende König der Könige, der Reinste, Beste, aber seine Existenz hat er nur in allem Lichten und Reinen, wie Ahriman in allem Finsteren, Üblen, Verderblichen und Kranken.

b) Deshalb breitet sich diese Anschauung sogleich zu der weiteren Vorstellung eines Reichs der Lichter und Finsternisse und des Kampfs derselben aus. In dem Reiche des Ormuzd sind es zunächst die Am-schaspands als die sieben Hauptlichter des Himmels, welche göttliche Verehrung genießen, weil sie die wesentlichen besonderen Existenzen des Lichts sind und deshalb als ein reines und großes Himmelsvolk das Dasein des Göttlichen selbst ausmachen. Jeder Amschaspand, zu denen auch Ormuzd gehört, hat seine Tage des Präsidiums, Segnens und Wohltuns. Weiter ins einzelne gehen sodann die Izeds und Ferwers herunter, welche wie Ormuzd selber wohl personifiziert werden, doch ohne nähere menschliche Gestaltung für die Anschauung, so daß weder die geistige noch leibliche Subjektivität, sondern das Dasein als Licht, Schein, Glanz, Leuchten, Ausstrahlen das Wesentliche für die Anschauung bleibt. - In der gleichen Weise sind nun auch die einzelnen natürlichen Dinge, welche nicht äußerlich selber als Lichter und leuchtende Körper existieren, Tiere, Pflanzen sowie die Gestaltungen der menschlichen Welt ihrer Geistigkeit und Leiblichkeit nach, die einzelnen Handlungen und Zustände, das gesamte Leben des Staats, der König, von sieben Großen umgeben, die Gliederung der Stände, Städte, Bezirke mit ihren Oberhäuptern, welche als die Besten und Reinsten Vorbild und Schutz abzugeben haben, überhaupt die gesamte Wirklichkeit als eine Existenz des Ormuzd betrachtet. Denn alles, was Gedeihen, Leben, Erhalten in sich trägt und verbreitet, ist ein Dasein des Lichts und der Reinheit und damit ein Dasein des Ormuzd; jede einzelne Wahrheit, Güte, Liebe, Gerechtigkeit, Milde, alles einzelne Lebendige, Wohltätige, Beschützende wird von Zoroaster als in sich licht und göttlich betrachtet. Das Reich des Ormuzd ist das wirklich vorhandene Reine und Leuchtende, und dabei ist kein Unterschied zwischen Erscheinungen der Natur und des Geistes, wie in Ormuzd selber Licht und Güte, die geistige und sinnliche Qualität, unmittelbar zusammenfallen. Der Glanz eines Geschöpfs ist deshalb für Zoroaster der Inbegriff von Geist, Kraft und Lebensregungen jeder Art, insoweit sie nämlich auf positive Erhaltung, Entfernung alles in sich selbst Üblen und Schädlichen gehen. Was in Tieren, Menschen, Gewächsen das Reale und Gute ist, ist Licht, und nach Maß und Beschaffenheit dieser Lichtigkeit bestimmt sich der höhere oder mindere Glanz aller Gegenstände.

Die gleiche Gliederung und Abstufung findet nun auch in dem Reiche des Ahriman statt, nur daß in diesem Bezirke das geistig Schlechte und natürlich Üble, überhaupt aber das Zerstörende und tätig Negative zur Wirklichkeit und Herrschaft gelangt. Die Macht des Ahriman aber soll sich nicht ausbreiten, und der Zweck der gesamten Welt wird deshalb darein gesetzt, das Reich des Ahriman zu vernichten, zu zerschmettern, damit in allem nur Ormuzd lebendig, gegenwärtig und herrschend sei.

c) Diesem alleinigen Zweck ist das ganze menschliche Leben geweiht. Die Aufgabe jedes Einzelnen besteht in nichts anderem als in der geistigen und leiblichen eigenen Reinigung sowie in der Verbreitung dieses Segens und Bekämpfung des Ahriman und seines Daseins in menschlichen und natürlichen Zuständen und Tätigkeiten. Die höchste, heiligste Pflicht ist deshalb, Ormuzd in seiner Schöpfung zu verherrlichen, alles, was von diesem Lichte gekommen und in sich selber rein ist, zu lieben, zu verehren und sich ihm gefällig zu machen. Ormuzd ist Anfang und Ende aller Verehrung. Vor allen Dingen hat der Parse daher Ormuzd in Gedanken und Worten anzurufen und zu ihm zu beten. Nach dem Preise dessen, von dem die ganze Welt des Reinen ausgestrahlt ist, muß er sich sodann im Gebet an die besonderen Dinge nach der Stufe ihrer Hoheit, Würde und Vollkommenheit wenden; denn, sagt der Parse, soweit sie gut und lauter sind, ist Ormuzd in ihnen und liebt sie als seine reinen Söhne, über die er sich freut wie beim Beginn der Wesen, da alles durch ihn neu und rein hervorgegangen war. So richtet sich das Gebet zuerst an die Amschaspands als nächste Abdrücke des Ormuzd, als die Ersten und Glänzendsten, die seinen Thron umgeben und seine Herrschaft fördern. Das Gebet an diese Himmelsgeister bezieht sich genau auf ihre Eigenschaften und Geschäfte und, sind es Gestirne, auf die Zeit ihres Erscheinens. Die Sonne wird bei Tage angerufen, und, je nachdem sie aufgeht, am Mittagshimmel steht oder niedersinkt, immer in verschiedener Weise. Vom Morgen bis Mittag bittet der Parse besonders, Ormuzd möge seinen Glanz erhöhen wollen, abends betet er, die Sonne möge durch Ormuzd und aller Izeds Schutz ihres Lebens Lauf vollenden. Hauptsächlich aber wird der Mithras verehrt der als Befruchter der Erde, der Wüsten über die ganze Natur Nahrungssaft ausgießt und als mächtiger Kämpfer gegen alle Dews des Zankes, Krieges, der Zerrüttung und Zerstörung der Urheber des Friedens ist.

Ferner hebt der Parse in seinen im ganzen eintönigen Lobgebeten gleichsam die Ideale, das Reinste und Wahrhaftigste in den Menschen, die Ferwers als reine Menschengeister, auf welchem Teile der Erde sie leben oder gelebt haben, hervor. Besonders wird zu Zoroasters reinem Geiste gebetet, dann aber zu den Oberhäuptern der Stände, Städte, Bezirke, und die Geister aller Menschen sind jetzt schon als genau verbunden betrachtet, als Glieder in der lebendigen Gesellschaft des Lichten, die einst in Gorotman noch mehr eins werden soll. Endlich werden auch die Tiere, Berge, Bäume nicht vergessen, sondern mit Hinschauung auf Ormuzd angerufen; ihr Gutes, der Dienst, welchen sie dem Menschen beweisen, wird gepriesen und besonders das Erste und Vortrefflichste in seiner Art als ein Dasein des Ormuzd verehrt. Außer dieser Anbetung dringt der Zend-Awesta auf praktische Ausübung des Guten und Reinigkeit des Gedankens, des Wortes und der Tat. Der Parse soll in seinem ganzen Verhalten des äußeren und inneren Menschen wie das Licht sein, wie Ormuzd, die Amschaspands, Izeds, wie Zoroaster und alle guten Menschen leben und wirken. Denn diese leben und lebten im Licht, und alle ihre Taten sind Licht; darum soll jeder ihr Muster vor Augen haben und ihrem Beispiele folgen. Je mehr Licht-reinigkeit und Güte der Mensch in seinem Leben und Vollbringen ausdrückt, desto näher sind ihm die Himmelsgeister. Wie die Izeds alles mit Wohltätigkeit segnen, beleben, fruchtbar und freundlich machen, so sucht auch er die Natur zu reinigen, zu veredeln, überall Lebenslicht und fröhliche Fruchtbarkeit auszubreiten. In diesem Sinne speist er die Hungrigen, pflegt den Kranken, dem Durstigen bietet er das Labsal des Trankes, dem Wanderer Obdach und Lager, der Erde gibt er reinen Samen, gräbt reinliche Kanäle, bepflanzt die Wüsten mit Bäumen, befördert, wo er kann, das Wachstum, er sorgt für die Nahrung und Befruchtung des Lebendigen, für den reinen Glanz des Feuers, entfernt die toten und unreinen Tiere, stiftet Ehen, und sie selbst, die heilige Sapandomad, der Ized der Erde, freut sich darüber und steuert dem Schaden, den die Dews und Darwands zu bereiten geschäftig sind.


 © textlog.de 2004 • 22.11.2024 05:24:04 •
Seite zuletzt aktualisiert: 14.09.2004 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright