3. Unkünstlerische Auffassung und Darstellung der Religion Zoroasters
Wie nun dieser ganzen Anschauung der Typus des Symbolischen abgeht, fehlt ihr auch der Charakter des eigentlich Künstlerischen. Im allgemeinen zwar kann man ihre Vorstellungsweise poetisch nennen, denn die einzelnen Naturgegenstände sind ebensowenig als die einzelnen menschlichen Gesinnungen Zustände, Taten, Handlungen in ihrer unmittelbaren und dadurch zufälligen und prosaischen Bedeutungslosigkeit aufgenommen, sondern ihrer wesentlichen Natur nach im Lichte des Absoluten als des Lichtes angeschaut; und umgekehrt ist auch die allgemeine Wesenheit der konkreten natürlichen und menschlichen Wirklichkeit nicht in ihrer existenzlosen und gestaltlosen Allgemeinheit aufgefaßt, sondern dies Allgemeine und jenes Einzelne ist als unmittelbar Eines vorgestellt und ausgesprochen. Solch eine Anschauung darf als schön, weit und groß gelten, und gegen schlechte und sinnlose Götzenbilder gehalten, ist das Licht, als dies in sich Reine und Allgemeine, allerdings dem Guten und Wahren angemessen. Die Poesie darin bleibt aber ganz im Allgemeinen stehen und bringt es nicht zur Kunst und zu Kunstwerken. Denn weder ist das Gute und Göttliche in sich bestimmt, noch die Gestalt und Form dieses Inhalts aus dem Geiste erzeugt; sondern, wie wir bereits sahen, das Vorhandene selbst, die Sonne, Gestirne, die wirklichen Gewächse, Tiere, Menschen, das existierende Feuer sind als die in ihrer Unmittelbarkeit schon gemäße Gestalt des Absoluten ergriffen. Die sinnliche Darstellung wird nicht, wie die Kunst es fordert, aus dem Geiste gebildet, geformt und erfunden, sondern unmittelbar in dem äußerlichen Dasein als der adäquate Ausdruck gefunden und ausgesprochen. Zwar wird das Einzelne nach der anderen Seite hin auch unabhängig von seiner Realität durch die Vorstellung fixiert, wie z. B. in den Izeds und den Ferwers, den Genien einzelner Menschen; die poetische Erfindung aber in dieser beginnenden Trennung ist von der schwächsten Art, weil der Unterschied ganz formell bleibt, so daß der Genius, Ferwer, Ized, keine eigentümliche Gestaltung erhält und erhalten soll, sondern teils nur ganz denselben Inhalt, teils auch nur die bloße, für sich leere Form der Subjektivität hat, welche schon das existierende Individuum besitzt. Die Phantasie produziert weder eine andere, tiefere Bedeutung noch die selbständige Form einer in sich reicheren Individualität. Und wenn wir auch weiterhin die besonderen Existenzen zu allgemeinen Vorstellungen und Gattungen zusammengefaßt sehen, denen als dies Gattungsmäßige durch die Vorstellung eine reale Existenz gegeben wird, so ist doch auch dieses Erheben der Vielheit zu einer umfassenden, wesentlichen Einheit, als Keim und Grundlage für die Einzelheiten derselben Art und Gattung, nur wieder im unbestimmteren Sinne eine Tätigkeit der Phantasie und kein eigentliches Werk der Poesie und Kunst. So ist z. B. das heilige Beh-ramfeuer das wesentliche Feuer, und unter den Wassern kommt gleichfalls ein Wasser aller Wasser vor. Hom gilt als der erste, reinste, kräftigste unter allen Bäumen, der Urbaum, in welchem der Lebenssaft voll Unsterblichkeit quillt. Unter den Bergen wird Albordsch, der heilige Berg, als der erste Keim der ganzen Erde vorgestellt, der im Lichtglanz steht, von dem die Wohltäter der Menschen, welche die Erkenntnis des Lichtes hatten, ausgehen und auf welchem Sonne, Mond und Sterne ruhen. Im ganzen aber ist das Allgemeine in unmittelbarer Einheit mit der vorhandenen Wirklichkeit der besonderen Dinge angeschaut, und nur hin und wieder werden allgemeine Vorstellungen durch besondere Bilder versinnlicht.
Prosaischer noch hat der Kultus die wirkliche Durchführung und Herrschaft des Ormuzd in allen Dingen zum Zweck und fordert nur diese Angemessenheit und Reinheit jedes Gegenstandes, ohne daraus selbst nur ein gleichsam in unmittelbarer Lebendigkeit existierendes Kunstwerk zu bilden, wie es in Griechenland die Fechter, Ringer usf. in ihrer ausgearbeiteten Körperlichkeit darzustellen wußten.
Nach allen diesen Seiten und Beziehungen hin macht die erste Einheit geistiger Allgemeinheit und sinnlicher Realität nur die Grundlage des Symbolischen in der Kunst aus, ohne jedoch selber schon eigentlich symbolisch zu sein und Kunstwerke zustande zu bringen. Um zu diesem nächsten Ziele hinzugelangen, ist deshalb das Fortgehen aus der soeben betrachteten ersten Einheit zur Differenz und zum Kampfe der Bedeutung und ihrer Gestalt erforderlich.