c. Das Gleichnis

 

Von dieser letzteren Art der Bilder können wir unmittelbar zum Gleichnis fortgehen. Denn in ihr beginnt bereits, indem das Subjekt des Bildes genannt ist, das selbständige und bildlose Aussprechen der Bedeutung. Der Unterschied liegt jedoch darin, daß im Gleichnis alles dasjenige, was das Bild ausschließlich in bildlicher Form darstellt, auch in seiner Abstraktion als Bedeutung, welche dadurch neben ihr Bild tritt und mit demselben verglichen wird, für sich eine selbständige Ausdrucksweise erhalten kann. Metapher und Bild veranschaulichen die Bedeutungen, ohne sie auszusprechen, so daß nur der Zusammenhang, in welchem Metaphern und Bilder vorkommen, offen anzeigt, was eigentlich mit ihnen gesagt sein soll. Im Gleichnis dagegen sind beide Seiten, Bild und Bedeutung - wenn zwar mit geringerer oder größerer Ausführlichkeit bald des Bildes, bald der Bedeutung - vollständig geschieden, jede für sich hingestellt und dann erst in dieser Trennung aufeinander der Ähnlichkeiten ihres Inhalts wegen bezogen.

In dieser Beziehung kann man das Gleichnis teils eine bloß müßige Wiederholung nennen, insofern ein und derselbe Inhalt in doppelter, ja in dreifacher und vierfacher Form zur Darstellung kommt, teils einen häufig langweiligen Überfluß, da die Bedeutung schon für sich da ist und keiner weiteren Gestaltungsweise, um verstanden zu werden, bedarf. Mehr noch als bei dem Bilde und der Metapher fragt es sich deshalb bei der Vergleichung als solcher nach einem wesentlichen Interesse und Zweck in dem Gebrauch vereinzelter oder gehäufter Gleichnisse. Denn der bloßen Lebendigkeit wegen, wie man gewöhnlich meint, sind sie ebensowenig als der größeren Deutlichkeit willen anzuwenden. Im Gegenteil machen Gleichnisse ein Gedicht nur allzuoft matt und schwerfällig, und ein bloßes Bild oder eine Metapher kann gleiche Klarheit haben, ohne erst die Bedeutung noch außerdem danebenzustellen. Den eigentlichen Zweck des Gleichnisses müssen wir deshalb darein setzen, daß die subjektive Phantasie des Dichters, wie sehr sie sich auch den Inhalt, den sie aussprechen will, für sich seiner abstrakteren Allgemeinheit nach zum Bewußtsein gebracht hat und ihn in dieser Allgemeinheit ausdrückt, sich dennoch gleichmäßig gedrungen findet, eine konkrete Gestalt dafür aufzusuchen und sich das seiner Bedeutung nach Vorgestellte auch in sinnlicher Erscheinung anschaubar zu machen. Nach dieser Seite hin drückt daher das Gleichnis, wie das Bild und die Metapher, die Kühnheit aus, daß die Phantasie, wenn sie irgendeinen Gegenstand - sei es ein einzelnes sinnliches Objekt, ein bestimmter Zustand, eine allgemeine Bedeutung - vor sich hat, in der Beschäftigung mit demselben die Kraft beweist, zusammenzubinden, was dem äußerlichen Zusammenhange nach entferntliegt, und somit in das Interesse für den einen Inhalt das Mannigfaltigste hineinzureißen und durch die Arbeit des Geistes an den gegebenen Stoff eine Welt vielgestaltiger Erscheinungen zu fesseln. Diese Gewalt der Gestalten erfindenden und durch sinnreiche Beziehungen und Verknüpfungen auch das Heterogene bändigenden Phantasie überhaupt ist es, welche auch dem Gleichnis zugrunde liegt.

α) Erstens nun kann sich die Lust des Vergleichens nur ihrer selbst wegen befriedigen, ohne in dieser Pracht der Bilder etwas anderes als die Kühnheit der Phantasie selber darzutun. Es ist dies gleichsam die Schwelgerei der Einbildungskraft, die sich besonders bei den Orientalen in südlicher Ruhe und Müßigkeit an dem Reichtum und Glanz ihrer Gebilde ohne weiteren Zweck ergötzt und den Hörer verlockt, sich derselben Müßigkeit hinzugeben, oft aber durch die wunderbare Macht überrascht, mit der sich der Dichter in den buntesten Vorstellungen ergeht und einen Witz bekundet, der geistreicher als ein bloßer Witz ist. Auch Calderon hat viele Vergleiche dieser Art, besonders wenn er große, prächtige Aufzüge und Feierlichkeiten schildert, die Schönheit der Rosse, der Reiter beschreibt oder wenn er von Schiffen spricht, die dann jedesmal »Vogel ohne Schwingen, Fisch ohne Flossen« heißen.

β) Näher aber zweitens sind die Vergleichungen ein Verweilen bei ein und demselben Gegenstande, der dadurch zum substantiellen Mittelpunkte von einer Reihe anderer entfernter Vorstellungen gemacht wird, durch deren Andeutung oder Ausmalung das größere Interesse für den verglichenen Inhalt objektiv wird.

Dies Verweilen kann mehrfache Gründe haben.

αα) Als ein erster Grund ist das Sichvertiefen des Gemüts in den Inhalt anzugeben, von dem es beseelt ist und der so fest im Innern haftet, daß es sich nicht von dem dauernden Interesse für denselben loszusagen vermag. In dieser Beziehung läßt sich sogleich ein wesentlicher Unterschied zwischen orientalischer und okzidentalischer Poesie, den wir oben bei Gelegenheit des Pantheismus schon berührt haben, wieder geltend machen. Der Orientale ist in seiner Vertiefung weniger selbstsüchtig und dadurch ohne Schmachten und Sehnsucht; sein Verlangen bleibt eine objektivere Freude an dem Gegenstande seiner Vergleichungen und dadurch theoretischer. Mit freiem Gemüt blickt er um sich her, um in allem, was ihn umgibt, was er kennt und liebt, ein Bild desjenigen zu sehen, womit sein Sinn und Geist beschäftigt und wovon er voll ist. Die von aller bloß subjektiven Konzentration befreite, von aller Krankhaftigkeit gesundete Phantasie befriedigt sich in der vergleichenden Vorstellung des Gegenstandes selbst, hauptsächlich wenn derselbe durch Vergleichung mit dem Glänzendsten und Schönsten soll gepriesen, erhoben und verklärt werden. Der Okzident dagegen ist subjektiver und in Klage und Schmerz schmachtender und verlangender.

Dies Verweilen ist dann vornehmlich ein Interesse der Empfindungen, besonders der Liebe, welche sich an dem Gegenstande ihrer Leiden und ihrer Lust erfreut und, wie sie innerlich nicht von diesen Empfindungen loskommen kann, nun auch nicht ermüdet, das Objekt derselben sich immer von neuem wieder vorzumalen. Verliebte sind vorzüglich an Wünschen, Hoffnungen und wechselnden Einfallen reich. Solchen Einfallen lassen sich auch die Gleichnisse zurechnen, zu welchen die Liebe überhaupt um so eher kommt, je mehr die Empfindung die ganze Seele einnimmt und durchzieht und für sich selber vergleichend ist. Was sie erfüllt, ist z. B. ein einzelner schöner Gegenstand, der Mund, das Auge, das Haar der Geliebten. Nun ist der menschliche Geist tätig, unruhig, und besonders sind Freude und Schmerz nicht tot und ruhend, sondern rastlos und bewegt: ein Hinundhergehen, das aber allen anderweitigen Stoff auf die eine Empfindung, welche das Herz zum Mittelpunkte seiner Welt macht, in Beziehung bringt. Hier liegt das Interesse der Vergleichung in der Empfindung selbst, welcher sich die Erfahrung aufdrängt, andere Gegenstände in der Natur seien gleichfalls schön oder verursachten Schmerz, weshalb sie nun diese gesamten Gegenstände in den Kreis ihres eigenen Inhalts vergleichend hineinzieht und denselben dadurch erweitert und verallgemeinert.

Ist der Gegenstand des Gleichnisses nun aber ganz vereinzelt und sinnlich und wird er mit ähnlich sinnlichen Erscheinungen in Zusammenhang gesetzt, so gehören besonders gehäufte Vergleichungen dieser Art einer noch sehr wenig tiefen Reflexion und einem wenig ausgebildeten Empfinden an, so daß die Mannigfaltigkeit, welche sich bloß in äußerem Stoffe umherbewegt, uns leicht matt erscheint und nicht sehr interessieren kann, weil keine geistige Bezüglichkeit darin zu finden ist. So heißt es z. B. im vierten Kapitel des Hohenliedes: »Siehe, meine Freundin, du bist schön! siehe, schön bist du! Deine Augen sind wie Taubenaugen.

Dein Haar ist wie die Ziegenherden, die bescheren sind auf dem Berge Gilead. Deine Zähne sind wie die Herden mit beschnittener Wolle, die aus der Schwemme kommen, die allzumal Zwillinge tragen, und ist keiner unter ihnen unfruchtbar. Deine Lippen sind wie eine rosinfarbene Schnur und deine Rede lieblich, deine Wangen sind wie der Ritz am Granatapfel zwischen deinen Zöpfen. Dein Hals ist wie der Turm Davids mit Brustwehr gebaut, daran tausend Schilde hangen und allerlei Waffen der Starken. Deine zwo Brüste sind wie zwo junge Rehzwillinge, die unter Rosen weiden, bis der Tag kühle werde und die Schatten weichen.«

Dieselbe Naivität findet sich in vielen der Gedichte, die Ossians Namen tragen, wie es z. B. darin heißt: »Du bist wie Schnee in der Heide; dein Haar wie ein Nebel auf dem Kromla, wenn er sich auf dem Felsen kräuselt und gegen den Strahl in Westen schimmert; deine Arme gleich zweien Pfeilern in der Halle des mächtigen Fingal.«

In der ähnlichen Art, nur durchaus oratorisch, läßt Ovid den Polyphem sprechen (Metamorphosen, XIII, v. 789 - 807): »Weißer bist du, o Galathea, als das Blatt der schneeigten Rainweide; blühender als Wiesen, schlanker als die lange Ulme; glänzender als Glas, mutwilliger als das zarte Geißböckchen; glatter als die vom Meer immer abgeriebene Muschel; lieblicher als die Wintersonne, als die Sommerschatten; edler als Obst, ansehnlicher als die hohe Platane« - und so geht es alle neunzehn Hexameter hindurch, rednerisch schön, aber als Schilderung einer wenig interessanten Empfindung selber von geringem Interesse.

Auch im Calderon lassen sich vielfache Beispiele von dieser Art der Vergleichungen finden, obschon ein solches Verweilen sich mehr für die lyrische Empfindung als solche paßt und den dramatischen Fortschritt, wenn es nicht gehörig durch die Sache selbst motiviert ist, allzusehr hemmt. So beschreibt z. B. Don Juan in den Verwicklungen des Zufalls weitläufig die Schönheit einer verschleierten Dame, der er gefolgt war, und sagt unter anderem:

Obwohl dennoch manches Mal

Durchbrach durch die schwarzen Schranken

Jener undurchsicht'gen Hülle

Eine Hand von hellstem Glänze,

Die der Lilien und der Rosen

Fürstin war und der als Sklave

Huldigte des Schnees Glanz

Ein beschmutzter Afrikaner.

 

Anders dagegen verhält es sich, wenn ein tiefer bewegtes Gemüt sich in Bildern und Gleichnissen ausdrückt, in denen sich innerliche, geistige Bezüge der Empfindung kundgeben, indem das Gemüt sich entweder selber gleichsam zu einer äußerlichen Naturszene oder solche Naturszene zum Widerschein eines geistigen Inhalts macht. - Auch in dieser Beziehung kommen in den sogenannten Ossianschen Gedichten viele Bilder und Vergleichungen vor, obschon das Gebiet der Gegenstände, die hier zu Gleichnissen gebraucht werden, arm ist und sich meist auf Wolken, Nebel, Sturm, Baum, Strom, Quelle, Sonne, Distel oder Gras beschränkt. So sagt er z. B.: »Angenehm ist die Gegenwart, o Fingal! Sie ist wie die Sonne auf dem Kromla, wenn der Jäger eine Jahreszeit lang ihre Abwesenheit betrauert hat und sie jetzt zwischen den Wolken gewahr wird.« Und an einer anderen Stelle: »Hörte nicht Ossian jetzt eine Stimme? oder ist es die Stimme der Tage, die nicht mehr sind? Oft kommt wie die Abendsonne das Gedächtnis vergangener Zeiten in meine Seele.« Ebenso erzählt Ossian: »Angenehm sind die Worte des Gesanges, sagte Kuthullin, und lieblich sind die Geschichten vergangener Zeiten. Sie sind wie der stille Tau des Morgens auf dem Rehhügel, wenn die Sonne schwach auf seiner Seite schimmert und der Teich unbewegt und blau in dem Tale steht.« - Dies Verweilen bei denselben Empfindungen und deren Gleichnissen ist in diesen Gedichten von der Art, daß es ein in Trauer und schmerzlicher Erinnerung ermüdetes und ermattendes Greisenalter ausdrückt. Der schwermütigen, weichen Empfindung liegt es überhaupt nahe, zu Vergleichungen überzugehen. Was solche Seele will, was ihr Interesse ausmacht, ist fern und vergangen, und so ist sie im allgemeinen schon, statt sich zu ermannen, dazu aufgefordert, sich in anderes zu versenken. Die vielen Vergleiche entsprechen dadurch ebensosehr dieser subjektiven Stimmung als auch den größtenteils traurigen Vorstellungen und dem engen Kreise, in welchem sie sich aufzuhalten genötigt ist.

Umgekehrt aber kann sich auch die Leidenschaft, insofern sie sich, ihrer Unruhe unerachtet, auf einen Inhalt konzentriert, mannigfach in Bildern und Vergleichungen, welche alle nur Einfalle  über ein und denselben Gegenstand sind, hin und her bewegen, um in der umgebenden äußeren Welt ein Gegenbild ihres Innern zu finden. Von dieser Art z. B. ist in Romeo und Julia jener Monolog Julias, in welchem sie sich zu der Nacht wendet und ausruft:

 

Komm, Nacht! - Komm, Romeo, du Tag in Nacht!

Denn du wirst ruhn auf Fittichen der Nacht

Wie frischer Schnee auf eines Raben Rücken. -

Komm, milde, liebevolle Nacht! Komm, gib

Mir meinen Romeo! Und stirbt er einst,

Nimm ihn, zerteil in kleine Stücke ihn:

Er wird des Himmels Antlitz so verschönen,

Daß alle Welt sich in die Nacht verliebt

Und niemand mehr der eiteln Sonne huldigt. - Usf.

 

 


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