3. Anschauung von Reinigung und Buße
Suchen wir jetzt nach einem Übergangspunkte zum eigentlichen Symbol hin, so können wir denselben gleichfalls in der indischen Phantasie bereits seinen Anfängen nach finden. Wie geschäftig nämlich die indische Phantasie auch sein mag, die sinnliche Erscheinung zu einer Vielgötterei heraufzuschrauben, welche in der gleichen Maßlosigkeit und Veränderlichkeit kein anderes Volk aufzuweisen hat, so bleibt sie dennoch auf der anderen Seite in mannigfaltigen Anschauungen und Erzählungen immer wieder jener geistigen Abstraktion des obersten Gottes eingedenk, mit welchem verglichen das Einzelne, Sinnliche, Erscheinende als ungöttlich, unangemessen und deshalb als etwas erfaßt wird, das negativ gesetzt und aufgehoben werden müsse. Denn gerade dies Umschlagen der einen Seite in die andere macht, wie gleich anfangs gesagt ist, den eigentümlichen Typus und die unbeschwichtigte Versöhnungslosigkeit der indischen Anschauung aus. Ihre Kunst ist es daher auch nicht müde geworden, das Sichaufgeben des Sinnlichen und die Kraft geistiger Abstraktion und innerer Versenkung aufs vielfachste zu gestalten. Hierher gehören die Darstellungen der langwierigen Büßungen und tiefen Betrachtungen, von denen nicht nur die ältesten epischen Gedichte, der Ramajana und Mahabharata, sondern auch viele andere poetische Kunstwerke die wichtigsten Proben liefern. Dergleichen Büßungen werden zwar häufig aus Ehrgeiz oder doch wenigstens zu bestimmten Zwecken unternommen, welche nicht zu der höchsten und letzten Vereinigung mit Brahman und zur Abtötung des Irdischen und Endlichen führen sollen - als z. B. der Zweck, die Macht eines Brahmanen zu erlangen usf.; zugleich aber liegt doch immer die Anschauung darin, daß die Büßung und die Ausdauer der von allem Bestimmten und Endlichen mehr und mehr sich abwendenden Meditation über die Geburt in einem bestimmten Stande sowie über die Gewalt des nur Natürlichen und der Naturgötter hinausheben. Weshalb sich denn besonders der Götterfürst Indra den strengen Büßern widersetzt und sie abzulocken versucht oder, wenn keine Lockung fruchtet, die oberen Götter anruft, ihm beizustehen, weil sonst der ganze Himmel würde in Verwirrung kommen.
In der Darstellung solcher Buße und ihrer verschiedenen Arten, Stu- fen, Grade ist die indische Kunst fast ebenso erfinderisch als in ihrer Vielgötterei und betreibt das Geschäft solcher Erfindung mit großem Ernst.
Dies macht den Punkt aus, von welchem wir weiter umherblicken können.