b. Elfenbein, Gold, Erz, Marmor


Als das hauptsächlichste weitere Material ist ferner Elfenbein in Verbin- dung mit Gold, gegossenes Erz und Marmor zu nennen.

α) Elfenbein und Gold benutzte bekanntlich Phidias zu seinen Meisterwerken, wie z. B. zu dem olympischen Jupiter und auch in der Akropolis von Athen zu der berühmten kolossalen Pallas, welche auf der Hand eine Viktoria, selbst über Lebensgröße, trug. Die nackten Teile des Körpers waren aus Elfenbeinplatten, Gewand und Mantel aus Goldblech gemacht, das abgenommen werden konnte. Diese Art, in gelblichem Elfenbein und Gold zu arbeiten, stammt aus der Zeit her, in welcher die Statuen gefärbt wurden, eine Art der Darstellung, welche sich mehr und mehr zur Einfarbigkeit des Erzes oder Marmors aufhob. Das Elfenbein ist ein sehr reinliches Material, glatt, ohne die Körnigkeit des Marmors und dabei kostbar; denn um die Kostbarkeit ihrer Götterstatuen war es den Atheniensern gleichfalls zu tun. Die Pallas zu Platää hatte nur einen Überzug von Gold, die zu Athen aber gediegenes Metall. Kolossal und reich zugleich sollten die Statuen sein. Quatremere de Quincy*) hat ein Meisterwerk über diese Werke, über die Toreutik der Alten, geschrieben. Toreutik - toreyen, toreyma - sollte eigentlich von Graben in Metall, Gravieren, Einschneiden vertiefter Figuren, wie bei geschnittenen Steinen z. B., gebraucht werden, man wendet toreyma aber zur Bezeichnung von ganz oder halb erhabenen Arbeiten in Metall an, die durch Formen und Gießen, nicht durch Graben oder Gravieren gefertigt werden, dann auch uneigentlich von erhabenen Figuren auf irdenen Gefäßen und allgemeiner endlich von Bildnerei in Erzen überhaupt. Quatremere nun hat besonders auch die technische Seite der Ausführung untersucht und berechnet, wie groß die Platten aus Elefantenzähnen geschnitten werden konnten und wieviel, den kolossalen Dimensionen der Figuren nach, dazu gebraucht wurden usf. Nach der anderen Seite aber ist er gleichmäßig bemüht gewesen, aus den Angaben der Alten eine Zeichnung der sitzenden Gestalt des Jupiter und besonders des großen Stuhls mit den kunstreichen Basreliefs wiederherzustellen und so in jeder Beziehung eine Vorstellung von der Pracht und Vollendung des Werks zu geben.

Im Mittelalter ist das Elfenbein hauptsächlich zu kleineren Werken der verschiedensten Art gebraucht worden, Christus am Kreuz, Maria usf.; ohnehin zu Trinkgeschirren mit Darstellungen von Jagden und sonstigen Szenen, wobei das Elfenbein seiner Glätte und Härte wegen noch vor dem Holze viele Vorteile hat.

β) Das beliebteste und am weitesten verbreitete Material aber bei den Alten war das Erz, in dessen Guß sie es bis zur höchsten Meisterschaft zu bringen wußten. Vornehmlich zur Zeit des Myron und Polyklet wurde es allgemein zu Götterstatuen und anderen Arten von Skulpturwerken gebraucht. Die dunklere, unbestimmtere Farbe, der Glanz, die Glätte des Erzes überhaupt hat noch nicht die Abstraktion des weißen Marmors, sondern ist gleichsam wärmer. Das Erz, dessen sich die Alten bedienten, war teils Gold und Silber, teils Kupfer in vielfachen Mischungen. So ist z. B. das sogenannte Korinthische Erz eine eigene Mischung, welche bei dem Brande von Korinth aus dem unerhörten Reichtum dieser Stadt an Statuen und Geräten von Erz entstand. Mummius ließ viele Statuen auf Schiffen fortschleppen, wobei denn der ehrliche Mann, der sehr viel auf diesen Schatz hielt, voll Sorge, denselben sicher nach Rom zu bringen, ihn den Schiffern unter Androhung der Strafe, sie müßten gleiche Statuen, wenn sie verlorengingen, wieder schaffen, anempfahl.

Im Erzgießen nun erlangten die Alten eine unglaubliche Meisterschaft, durch welche es ihnen möglich wurde, ebenso fest als dünn zu gießen. Man kann dies zwar als etwas bloß Technisches ansehen, das mit dem eigentlich Künstlerischen nichts zu schaffen habe; aber jeder Künstler arbeitet in einem sinnlichen Stoff, und es ist die Eigenheit des Genies, dieses Stoffes vollständig Meister zu werden, so daß die Geschicklichkeit und Fertigkeit im Technischen und Handwerksmäßigen eine Seite des Genies selbst ausmacht. Bei dieser Virtuosität im Gießen kam ein solches Skulpturwerk wohlfeiler zu stehen und konnte schneller gefördert werden als die Ausmeißelung von Marmorstatuen. Ein zweiter Vorteil, welchen die Alten durch ihre Meisterschaft im Guß zu erreichen verstanden, war die Reinheit des Gusses, die sie so weit trieben, daß ihre erzenen Statuen gar nicht ziseliert zu werden brauchten und deshalb auch in den feineren Zügen nichts verloren, was beim Ziselieren sonst nie ganz zu vermeiden ist. Betrachten wir nun die ungeheure Menge von Kunstwerken, welche mit aus dieser Leichtigkeit und Meisterschaft im Technischen entsprangen, so müssen wir in das größte Erstaunen geraten und zugeben, daß der Kunstsinn der Skulptur ein eigener Trieb und Instinkt des Geistes sei, der gerade in solchem Maße und solcher Verbreitung nur zu einer Zeit unter einem Volke existieren konnte. Im ganzen preußischen Staate z. B. kann man noch heutigentags die Erzstatuen sehr gut zählen, die einzige bronzene Kirchentür gibt es in Gnesen und außer dem Berliner und Breslauer Standbilde Blüchers und dem Luther zu Wittenberg nur wenige bronzene Statuen in Königsberg und Düsseldorf.

Der sehr verschiedene Ton und die unendliche Bildsamkeit und Flüssigkeit gleichsam dieses Materials, das sich mit allen Arten der Darstellung vertragen kann, erlaubt nun der Skulptur, zu verschiedenartigster Mannigfaltigkeit von Produktionen überzugehen und den so gefügigen sinnlichen Stoff einer Menge von Einfallen, Artigkeiten, Gefäßen, Zieraten, anmutigen Kleinigkeiten anzupassen. Der Marmor dagegen hat eine Grenze seines Gebrauchs in Darstellung von Gegenständen und in Größe derselben, wie er z. B. Urnen und Vasen mit Basreliefs in einem gewissen Maßstabe noch liefern kann. Für kleinere Gegenstände aber wird er untauglich. Dagegen schließt das Erz, das nicht nur in Formen gegossen, sondern auch geschlagen und graviert werden kann, fast keine Art und Größe der Darstellung aus. Als ein näheres Beispiel läßt sich hier der Münzkunst sachgemäß Erwähnung tun. Auch in ihr haben die Alten vollendete Meisterwerke der Schönheit geliefert, obschon sie in dem technischen Teil des Prägens gegen die heutige Ausbildung des Maschinenwesens noch weit zurückstanden. Die Münzen wurden nicht eigentlich geprägt, sondern aus fast kugelförmigen Metallstücken geschlagen. Seinen Gipfel erreichte dieser Zweig der Kunst zur Zeit Alexanders; die römischen Kaisermünzen verschlechtern sich schon; in unserer Zeit ist besonders Napoleon in seinen Münzen und Medaillen die Schönheit der Alten wieder zu erneuern bemüht gewesen, und sie sind von großer Vortrefflichkeit; in anderen Staaten aber bleibt meist der Metallwert und die Richtigkeit die Hauptrücksicht beim Prägen der Münzen.

γ) Das letzte der Skulptur vorzüglich entsprechende Material endlich ist der Stein, der für sich schon die Objektivität des Bestehens und der Dauer hat. Die Ägypter bereits meißelten ihre Skulpturkolosse mit größter Mühseligkeit der Arbeit aus dem härtesten Granit, Syenit, Basalt usf.; am unmittelbarsten aber stimmt der Marmor m seiner weichen Reinheit, Weiße sowie in seiner Farblosigkeit und Milde des Glanzes mit dem Zwecke der Skulptur zusammen und erhält besonders durch das Körnige und das leise Hindurchscheinen des Lichts einen großen Vorzug vor der kreidehaften toten Weiße des Gipses, der zu hell ist und die feineren Schattierungen leicht überblendet. Die vorzugsweise Anwendung des Marmors finden wir bei den Alten erst in einer späteren Epoche, zur Zeit nämlich des Praxiteles und Skopas, welche in Marmorstatuen die anerkannteste Meisterschaft errangen. Phidias arbeitete zwar auch in Marmor, doch größtenteils nur Kopf, Füße und Hände; Myron und Polyklet bedienten sich hauptsächlich des Erzes; Praxiteles und Skopas hingegen suchten die Farbe, dies der abstrakten Skulptur Heterogene, zu entfernen. Allerdings läßt sich nicht leugnen, daß die reine Schönheit des Skulpturideals sich ebenso vollständig in Erz wie in Marmor ausführen lasse; wenn aber, wie dies bei Praxiteles und Skopas der Fall war, die Kunst der milderen Anmut und Lieblichkeit der Gestalt zuzuschreiten beginnt, so zeigt sich der Marmor als das gemäßere Material. Denn der Marmor (Meyer, Geschichte der bildenden Künste bei den Griechen, Bd. l, S. 279) »befördert vermittels seiner Durchsichtigkeit das Weiche der Umrisse, ihr sanftes Verlaufen und lindes Zusammenstoßen; desgleichen erscheint die zarte, künstliche Vollendung an der milden Weiße des Steins viel deutlicher, als selbst am edelsten Erz je geschehen kann, welches, je schöner es grünlich anläuft, desto mehr ruhestörende Glanzlichter und Widerscheine verursacht«. Ebenso war die sorgfältige Rücksicht, welche zu dieser Zeit auch in der Skulptur auf Licht und Schatten genommen wurde, dessen Nuancen und feinere Unterschiede der Marmor sichtbarer macht als das Erz, ein neuer Grund, dies Gestein dem Gebrauch des Metalls vorzuziehen.

 

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*) Antoine Chrysostome Quatremere de Quincy, Le Jupiter Olym- pien, ou l'Art de la sculpture antique, 1815

 


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