§ 10. Weitere Entwicklung der naturwissenschaftlichen Methode von Gassendi bis Newton.
Was von Kopernikus und Kepler begonnen, von Galilei für die Physik endgültig begründet war - eine selbständige und streng naturwissenschaftliche Methode - ward im Laufe des siebzehnten, des »naturwissenschaftlichen« Jahrhunderts auch auf andere Gebiete übertragen. Die schon von dem Deutschen Vesal (1543) und dem Italiener Fabricio (• 1619) geförderte Anatomie und Physiologie ward durch Harveys glänzende Entdeckung vom Kreislauf des Blutes (1628) vollständig umgestaltet, das Herz, der bevorzugte Sitz so vieler animistischer Erklärungen, zu einem einfachen mechanischen Pumpwerk gemacht. Gleichfalls in England wurden von Gilbert die elektrischen und magnetischen Erscheinungen zum erstenmal wissenschaftlich behandelt (1600); freilich nimmt Gilbert, dessen neue Theorie des Magnetismus auch auf Kepler und Galilei von Einfluß war, noch eine Beseelung der Materie und eine magnetische Einwirkung der Weltkörper aufeinander an. Das 1590 in Holland zusammengesetzte Mikroskop und das 1609 ebendort erfundene, alsbald von Kepler, Galilei und dem Jesuitenpater Scheiner verbesserte Fernrohr veranlaßte eine Reihe neuer Entdeckungen. Mit Hilfe der verbesserten Astronomie war 1582 auf Veranlassung Papst Gregors XIII. die bekannte Kalenderreform erfolgt, die, von Kepler vergebens befürwortet, im protestantischen Deutschland erst 1700 durchgeführt ward. 1614 entdeckte Napier die Logarithmen, 1643 erfand Galileis Schüler Torricelli das Barometer, 1654 führte der Deutsche Otto von Guericke die Luftpumpe dem versammelten Reichstage vor, 1679 bestimmte der Franzose Mariotte das Gesetz des Luftdruckes. Auch nördlich von den Alpen entstehen jetzt gelehrte Gesellschaften: die von Paris (1616) und namentlich die Royal Society in London (1662) werden Mittelpunkte für das Zusammenwirken der Vertreter der neuen Naturwissenschaft, während die eigentlichen Universitäten im Zwang jesuitischer Neuscholastik oder protestantischer Kirchenordnungen verknöchern.
Doch wir haben nur die für die Weiterentwicklung der naturwissenschaftlichen Methode bedeutsamsten und damit auch philosophisch wichtigsten Erscheinungen zu betrachten. Es sind Gassendi (1592-1655), Boyle (1626-1691), Huyghens (1629-1695) und Newton (1643-1720). Wir lassen diese vier Männer, über deren philosophische Bedeutung sich der Laie am besten in den öfters angeführten Werken von F. A. Lange und K. Laßwitz orientiert, hier um des sachlichen Zusammenhanges willen hintereinander folgen, obwohl ihre Untersuchungen sich zum Teil mit denen der erst im II. Bande zu behandelnden Philosophen Descartes, Hobbes, ja sogar noch Leibniz und Locke verflechten.
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