2. In Italien
d) Thomas (Tommaso) Campanella


Im Gegensatz zu Bruno erscheint sein Landsmann und Ordensgenosse

d) Thomas (Tommaso) Campanella. (1568-1639)

aus Calabrien, kirchlich gesinnt. Trotzdem entging auch er, vielleicht als Gegner der »Tyrannei der Geister«, des Aristoteles und der Jesuiten, mehr aber wohl wegen seiner als Neuerungen betrachteten politischen Ansichten und Pläne - er war, wie er selbst sagt, von jeher ein Gegner der Tyrannei, Sophistik und Heuchelei -, der kirchlichen Verfolgung nicht und verfaßte viele seiner zahlreichen Schriften in den fünfzig Kerkern, in denen er beinahe dreißig Jahre seines Lebens (1599-1626) zugebracht hat. Seine letzten Lebensjahre verlebte er in Paris, unter der Gönnerschaft Richelieus und in angeregtem Verkehr mit Gassendi und dem Mersenneschen Kreise (vgl. S. 352).

Campanella nimmt eine doppelte Erkenntnisquelle an: den Glauben, aus dem die Theologie, und die Wahrnehmung (sensus), aus deren wissenschaftlicher Verarbeitung die Philosophie hervorgeht. Neben dem codex scriptus der biblischen Offenbarung existiert eine zweite Offenbarung Gottes in dem codex vivus der Natur, auf deren gründliches Studium er als Antiaristoteliker und Telesianer dringt. Sein naturwissenschaftliches Prinzip bleibt dabei freilich die bloße Häufung der Einzelbeobachtungen und die Mathematik die »Magd der Physik« Interessant ist der an Augustin und Descartes zugleich erinnernde Ausgangspunkt: Was ich sicher weiß, ist, dass ich bin. So erkennt denn der Mensch alles übrige nur von seinem Bewußtsein aus, sogar das Dasein und die Ureigenschaften (primalitates) Gottes: Macht, Weisheit und Güte (posse, nosse, velle). Das Sein des Erkennenden besteht in der Erkenntnis seines Selbst. Anderseits wandelt sich das Ich in die Dinge um. »Erkennen heißt: zu dem erkannten Ding werden.« Jeder besitzt daher eine eigene Philosophie, je nachdem er in verschiedener Weise von den Dingen sinnlich bestimmt wird. Aber die Dinge in ihrer Gesamtheit sind schließlich doch nur Teile und Offenbarungen der Gottheit, womit das Selbst zu seinem wahren Quell zurückkehrt. Das »reine« Wissen ist ein Schauen der Dinge in Gott, dem Unendlichen. Die Naturphilosophie verliert sich freilich auch bei ihm in eine mehr poetische als wissenschaftliche Auffassung des Weltgetriebes. Alles ist beseelt und fühlt, sogar der leere Raum, der nach Füllung strebt. Die beiden Urprinzipien, die er mit Telesio als Wärme und Kälte bezeichnet, bewegen sich durch Liebe und Abneigung! Ihnen gegenüber verhält sich die Materie, deren kleinste sichtbare Teilchen die Sonnenstäubchen sind, bloß leidend; aber auch sie ist beseelt, denn sie besitzt den Trieb zur Selbsterhaltung.

In einem gewissen Zusammenhange mit der Metaphysik des Kalabresen steht auch seine politische Philosophie. Während nämlich sein späteres, im Hinblick auf die derzeitige Weltlage geschriebenes Werk Über die spanische Monarchie, in striktem Gegensatz zu dem Nationalitätsprinzip Macchiavellis (§ 6), ein spanisches Universalreich mit päpstlicher Spitze empfiehlt, so entwirft sein Sonnenstaat (1623), der einen Anhang zu seiner »Wirklichkeitsphilosophie« (Philosophia realis) bildet, ein Staatsideal, das auf der Abhängigkeit des Willens (velle) und der Macht (posse) von dem Willen (nosse) beruht. Er bildet eine Art Gegenstück zur platonischen Republik, dieser sozialistische Zukunftsstaat, der auf strenger Abstufung des Wissens mit mathematischer Abzirkelung aufgebaut ist und von einem priesterlichen Herrscher (Sol oder Metaphysicus) und seinen drei Unterfürsten Pon (Potestas), Sin (Sapientia) und Mor (Amor) gelenkt wird. Der erste leitet das Kriegswesen, der zweite die wissenschaftliche und technische Erziehung, der dritte die Erhaltung und Fortpflanzung der Bürger des Sonnenstaats. Alles, auch die Kindererzeugung seiner »Solarier«, wird staatlich geregelt. Frauen, Kinder, Wohnung, Mahlzeiten usw. sind gemeinsam, Privateigentum existiert nicht. Ein vierstündiger Arbeitstag genügt, wenn alle wirklich arbeiten (Näheres bei Lafargue in Geschichte des Sozialismus in Einzeldarstellungen I, 469-506).

Mit Campanella sind wir schon in das 17. Jahrhundert hineingelangt. Wir müssen zum Beginn der Neuzeit zurück, indem wir die philosophische Bewegung in Deutschland verfolgen.


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