Molière: Der eingebildete Kranke
Molières Dramen gehören in jene größte dramatische Überlieferung, die wahrscheinlich schon vor den Griechen ihre Ursprünge hat, historisch klar in ihnen zum ersten Male hervortritt, sich in der lateinischen Komödie des plautus und Terenz fortsetzt, im Mittelalter groß von Hroswitha von Gandersheim aufgenommen zu Molière führt, von dem fraglich ist, ob er in dieser Überlieferung Nachfolger besessen: in die Überlieferung des Dramas der Maske. Der komischen oder tragischen, gleichviel. Um die Maske handelt es sich in allen größten Problemen des Dramas und der klassische Geist des Dramas, dessen Gegensatz der romantische Shakespeare verkörpert, erhebt sich vielleicht in Molière zum letzten Male. Es ist sogar sehr möglich – wenn auch nicht entschieden – daß das Wesen der dramatischen Maske ganz rein und geklärt allein in der Komödie erscheinen kann und daß sich in einer unendlich paradoxen Tiefe der Ausspruch von einer »antiken Heiterkeit« beweisen könnte. Was nämlich für die Tragödie die Ethik, das ist für die Komödie die Logik, in bei den ist philosophische Substanz, aber in der Komödie die absolute, gereinigte. Nicht durch die Größe der Leidenschaft ist die Komödie wahrhaft ausdruckslos und groß, wird Maske, sondern durch die Tiefe des Gedankens, und sie verfolgt ihn bis er heiter wird und in Gelächter umschlägt. Wie dies unter Menschen in ihrer Rede zugehen kann, ja grundsätzlich die Norm der Philosophie übersteigt, daß Philosophie niemals komödisch noch tragödisch sein kann, bildet das Problem. Denn wenn man die Tiefe des Ausdruckslosen in der Tragödie und die intellektuale Reinheit der Komödie einmal erkannt hat und das Wechselspiel bei der in beiden, wird man allerdings das Problem von der Philosophie her stellen und befindet sich genau auf dem Grat des platonischen Dialogs, von wo diese beiden Formen der Sprache und der Erkenntnis, denn so darf man sie auffassen, – Tragödie und Komödie – abstürzen.
Molière ist die genaueste Tangente französischen Geistes an das Griechentum. Darum muß sein »Malade Imaginaire« wenigstens eine ideale Maske haben, die auch von innen ausreichend vorgeschrieben ist: nämlich eines Menschen, der sich krank glaubt. Wenn man nun weiß, daß ein solcher auch krank ist, wenn auch maskenhaft krank, so doch nur um so reiner: krank, so hat er auch eine Maske. Diesen geheimen Grund des Dramas verfehlte der Darsteller. Sein Argan war nicht krank und so fehlte ihm in einer etwas hilflosen Agilität die Größe. Wenn er sich tot stellt, sollte er (auch wenn Molière das nicht vorschreibt) sein Haupt verhüllen.