Im Februar 1803 schrieb Brentano an Arnim von einem kleinen, etwas faden Brief der Mereau und seiner Antwort darauf aus vollem, wahrem Herzen: »Ohne Schonung für mich und sie, wie ein geistreicher Dritter, alles mit den scharfsinnigsten Nuancen ausgeführt, ihre Geschichte in dreierlei Gestalt, voll Mutwill, wahr bis zur Zote, Erklärung meines großen Lustens, sie zu beschlafen, Trauer über ihr Alter und ihre unendlich schlechten Verse, überhaupt der freiste, kühnste und glücklichste Brief, den ich je geschrieben, und der längste, er schloß mit einigen brünstigen Handwerksburschen-Liedern.« Und dann, vier Jahre später: »Sophie, die mehr zu leben verdiente als ich, die die Sonne liebte und Gott, ist schon lange tot. Blumen und Gras wachsen über ihr und dem Kinde, welches getötet durch sie sie tötete. Blumen und Gras sind sehr traurig für mich!« Dies Eintritts- und Ausgangspforte des kleinen Irrgartens von Clemens Brentanos Ehe mit dem Standbild des ersten Sohnes in seiner Mitte. Achim Ariel Tyll Brentano nannten die Eltern ihn – Namen, die keine Anweisung auf die irdische Existenz, sondern Flügel sind, auf denen das Neugeborene bald wieder heimkehrte. Als mit dem unglücklichen Erscheinen des zweiten Kindes nun das Ende gekommen war, schien mit dem Tode der Frau, an deren Seite Brentano das Leben gar nicht leicht ertragen hatte, alles über ihm zusammenzubrechen. Er sah sich grenzenlos vereinsamt, und die Wirren, in die das Land nach der Niederlage von Jena und Auerstedt verfiel, raubten ihm selbst den Vertrautesten: Arnim, der dem König nach Ostpreußen gefolgt war. Von da schrieb er, im Mai 1807, ein halbes Jahr nach Sophiens Tod, an Brentano: »Ich setze oft an, Dir so vieles zu schreiben, was ich auf dem Herzen habe. Aber die Idee, daß ich umsonst schreibe, daß meine Worte von Andern gelesen werden, verleidet es mir gleich. Es ist noch ein Umstand, der, mir zweifelhaft, wie ein schnellgeschwungenes scharfes Schwert alles zwischen uns bewegt. Es sollte mir wehe tun, wenn es wahr wäre, und ich Dir etwas trauriges zurückriefe. Der verstorbene brave Doktor Schlosser, der Jenenser, sagte mir etwas von dem Tode Deiner Frau, den er behauptete in einer Zeitung gelesen zu haben. Wir sind hier von allem abgeschnitten, ich möchte sagen, von der Zeit; doch hatte ich eine Zuversicht und behalte sie, Deine Frau müsse leben.« Aus diesen Worten ist zu entnehmen, daß die Bitte des ergreifenden Briefs, der hier folgt, umsonst war. Er ist, soviel sich nach genauen Ermittlungen feststellen ließ, ungedruckt und daher diplomatisch getreu wiedergegeben.
Clemens Brentano an den Buchhändler Reimer
Verehrter Herr!
Legen Sie diese Zeilen nicht bei Seite, erkundigen Sie sich und melden Sie mir, wo Ludwig Achim von Arnim ist, dessen Freundschaft für mich Ihnen bekannt ist, er ist mir außer Sophien, die ich auf eine so traurige Art nebst dem Kinde in schwerer Geburt verlor, immer alles gewesen, was ich liebte, seit dem 19. Oktober weiß ich nichts von ihm, und vom 19. Oktober selbst nur, daß er diesen Tag in Halle war, mein mit Schmerz ganz vergiftetes Gemüth hat mit Ihm auch Alles aus dem Gesichte verlohren, waß ans Leben knüpfen könnte; Sie sind mir durch ihn selbst, als ein trefflicher Mann bekannt, und Sie sollen glauben, daß ich ganz unendlich unglücklich bin, ja so (im) Jammer, daß ich durch ihn durchwandlen kann, wie durch eine Hölle, die unendlich ist, und Sie sollen mir daher bald, gleich, oder nur sobald, als es ihre gute Gesinnung Sie zu thun zwingt, melden, wo Arnim wahrscheinlich ist, und ob man ihm schreiben kann, ob ihm jemand von Berlin schreibt, Sie können das gewiß erfahren, und es ist Ihnen dann so sehr leicht, mir durch eine Nachricht davon in wenigen Zeilen, wenigstens den Nahmen einer Stadt zu nennen, wohin ich denken kann, ach so wie mir jetzt ist, da ich schwebe mitten in tiefem Gram, ist es mir unendlich viel, in dieser Endlichkeit, nur zu wissen, ob jemand noch lebt, der mich liebte.
Wenn Sie mir schreiben, so melden Sie mir auch, wie viel Sie an Meine Frau für die Fiametta schon bezahlt haben, und waß Sie noch bekömmt, auch wenn Sie es gern bezahlen, so will ich Ihnen zu jener Zeit melden, an wen Sie es in dortiger Gegend bezahlen können, dieses Geld gehört meiner kleinen Stieftochter, die hier bei Mad.Rudolphi erzogen wird, und ich muß daher es besorgen, dieses bloß zu bescheidener Erinnerung.
Ihr ergebener
Clemens Brentano.
Heidelberg, 19. Dec. 1806.