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Achtes Kapitel

Von jeher hatte der Herzog für Blumen geschwärmt.

Seit langem schon verachtete er die gewöhnlichen Pflanzen, denen man wohl in den flachen Körben auf den Pariser Märkten in angefeuchteten Töpfen unter den grünen Zelttüchern und roten Schirmen begegnet.

Wie sich sein literarischer Geschmack und sein Kunsturteil verfeinert und sich sein Überdruß an allgemein verbreiteten Ideen verstärkt hatte, so hatte sich auch seine Zärtlichkeit für Blumen von jedem Bodensatz und jeder Hefe losgemacht und geklärt.

Er verglich den Laden eines Gärtners mit einem Mikrokosmus, wo alle Klassen der Gesellschaft vertreten sind: jämmerliche, elende und erbärmliche Blumen, die sich nur auf den Fensterbrettern der Dachkammern wohl befinden, deren Wurzel oft in Milchtöpfe und alte Schalen gesteckt wird, wie zum Beispiel der Goldlack; anspruchsvolle und dumm gefallsüchtige Blumen, wie sie von jungen Mädchen auf Porzellantöpfe, wie zum Beispiel die Rose, gemalt werden; schließlich die Blumen hohen Geschlechts, wie die Orchideen, zart und reizend, zitternd und fröstelnd, exotische Blumen, die, nach Paris verbannt, in warmen Glaspalästen gezüchtet werden, Prinzessinen des Pflanzenreichs, die, für sich lebend, nichts gemein haben mit den Pflanzen der Straße und dem bürgerlichen Blumenflor.

Nichtsdestoweniger fühlte er ein gewisses Mitleid mit den niedern Blumen, die durch die Ausströmungen der Kloaken und Dünste aller Art in den ärmlichen Vierteln entkräftet werden; seine wirkliche Augenfreude waren die vornehmen und seltnen Pflanzen von weither, die mit größter Sorgfalt durch künstliche Ofenwärme erhalten werden.

Dieser entschiedne Vorzug der Treibhausblume hatte sich ebenfalls durch den Einfluß seiner allgemeinen Ideen ausgebildet. Damals in Paris hatte ihn seine natürliche Vorliebe für das Künstliche dahin geführt, die wirkliche Blume gegen ihr treu nachgeahmtes Bild aufzugeben, das dank den Wundern des Gummis, des Drahtes, des Taffets, des Papiers und des Sammts sein buntes Scheinleben führte.

Er besaß eine wunderbare Sammlung künstlicher tropischer Pflanzen, von den Händen tüchtiger Arbeiter angefertigt.

Diese bewunderungswürdige Kunst hatte ihn lange bezaubert, aber er träumte jetzt von der Zusammenstellung einer andern Flora.

Er machte sich daher daran, die Treibhäuser der Avenue de Châtillon und des Dorfes d’Aunay zu besuchen, kam todmüde nach Hause, die Börse leer, aber entzückt über die Tollheiten der Pflanzenwelt, die er gesehn hatte.

Er dachte nur noch an die Sorten, die er erworben hatte, ruhelos verfolgt von dem Gedanken an die prachtvollen und seltsamen Blumenbeete.

Zwei Tage später kamen mehrere Wagen. Mit der Liste in der Hand rief der Herzog seine Einkäufe auf und prüfte einen nach dem andern.

Die Gärtner hoben von ihrem Karren eine Sammlung von Caladien, die an gedunsenen haarigen Stielen enorme schildförmige Blätter trugen. Alle hatten einen Zug von Verwandtschaft miteinander, ohne sich indessen gleich zu sein.

Es waren darunter ganz ungewöhnliche rosenfarbige, solche wie die Virginale, die aus Wachstuch oder englischem Pflaster geschnitten zu sein schien; ganz weiße, wie der Alban, den man aus einer durchsichtigen Schweinsblase hergestellt wähnte; einige, besonders Madame Mama, sahen aus wie Zink, auf dem kleine Stückchen gestanzten Metalls glänzen, in kaisergrüner Farbe, wie mit Tropfen Ölfarbe, rotem Bleioxyd oder Bleiweiß bespritzt; andre, wie der Bosporus, glichen täuschend gestreiftem Kattun, rot und myrtengrün gesprenkelt; wieder andre, wie die Aurora Borealis, breiteten ihre fleischfarbnen Blätter aus, mit purpurroten Rändern und violetten Fäserchen, ein aufgeschwollnes Blatt, das rötlichen Wein und Blut schwitzte.

Die Gärtner brachten neue Varietäten, die einer künstlichen Haut, von roten Adern durchzogen, glichen; und die Mehrzahl, wie zerfressen von Aussatz, spannten ihr bleiches Fleisch aus, gefleckt mit Ausschlag und behaftet mit Flechten; andre hatten den hellen rosa Ton von sich schließenden Wunden, oder die bräunliche Färbung des sich bildenden Schorfes; noch andre waren wie von Ätzmitteln verbrüht und von Brandwunden zerstört; wieder andre zeigten eine haarige Haut wie von Geschwüren ausgehöhlt und vom Krebs zerfressen; noch andre schienen mit Verband belegt, mit quecksilberhaltiger schwarzer Schmiere und grüner Belladonnasalbe bestrichen, mit dem gelben Glimmer des Jodpulvers gesprenkelt.

„Potztausend!“ rief er entzückt aus.

Eine neue Pflanze von gleichartigem Modell wie das des Caladium, die Alocasia Metallica begeisterte ihn noch mehr. Sie war wie mit einer Schicht grüner Bronze überstrichen, über die silberne Reflexe hinliefen; es war ein Meisterwerk der Unnatürlichkeit, man möchte sagen, es gliche einem Stück Ofenrohr, von einem Töpfer aus grünem Eisen gefertigt.

Die Leute luden dann rautenförmige, flaschengrüne Blattpflanzen ab, in deren Mitte ein Stäbchen aufstieg, an dessen Ende ein großes Herzas schwankte, gelackt wie die spanische Pfefferschote. Wie um die alltäglichen Erscheinungen der Pflanzen zu verhöhnen, sprang aus der Mitte von scharfem Rot ein fleischiger, faseriger, weiß und gelber Schwanz hervor, aufrecht bei den einen, bei den andern geringelt wie der Schwanz eines Schweines.

Es war das Anthurium, eine Arumart, kürzlich von Kolumbia nach Frankreich eingeführt; sie bildete einen Teil dieser Familie, zu der auch ein Amorphophallus gehörte; eine Pflanze aus Kochinchina mit fischstecherartig geschnittnen Blättern mit langen schwarzen, mit Narben bedeckten Stielen, gleich vernarbten Gliedern eines Negers.

Herzog Jean frohlockte.

Man hob einen neuen Schub von Ungeheuern aus dem Wagen: Echinopsen, deren in Watte gehüllte Blüten das häßliche Rosa eines verstümmelten Gliedes hatten; Nidularium, das in Säbelscheiden eine gähnende Öffnung zeigte; Tillandsia Lindeni, die schartige Messer von dicker, roter Farbe hervorsteckte; Cypripedium, mit wirrigen, zerrissnen Rändern, eine wahnsinnige Hervorbringung der Natur. Sie glichen einer kleinen Schale, einem Holzschuh, über dem sich eine menschliche Zunge aufschürzte mit ausgestrecktem Zungenband, wie man sie wohl in Werken, die Hals-und Mundkrankheiten behandeln, abgebildet findet. Zwei kleine Flügelchen, rot wie Ebereschen, die einer Kindermühle entnommen zu sein schienen, vervollständigten dieses lächerliche Gesamtbild.

Er konnte seine Augen nicht abwenden von dieser unglaublichen aus Indien kommenden Orchidee. Die Gärtner, die sich infolge der Verzögerungen langweilten, fingen jetzt an, mit lauter Stimme die an den Töpfen steckenden Zettel selbst vorzulesen.

Herzog Jean setzte seine Betrachtungen fort; er hörte nahezu bestürzt die rauhen Namen der grünen Pflanzen ankündigen: Encephalartos Horridus, eine riesenhaft eiserne Artischocke, rostfarbig gezeichnet, so, wie man sie auf die Türen der Schloßmauern steckt, um das Übersteigen zu verhindern; Cocos Micania, eine Art Palme, zackig und schlank, allseitig von hohen Blättern gleich indianischen Rudern umgeben; Zamia Lehmanni, eine ungeheure Ananas, wie ein gewaltiger Chesterkäse in Heideland gepflanzt und auf seiner Spitze mit widerhakigen Wurfspießen besät; Cibotium Spectabile, das alle Gattungen durch seine wahnsinnige Form überbietet; aus einem palmigen Blätterwerk schießt der enorme Schwanz eines Orang-Utangs heraus, ein haarig brauner Schwanz, am Ende wie zu einem Bischofsstab abgerundet.

Aber der Herzog beachtete sie kaum und wartete nur mit Ungeduld die Serie von Pflanzen ab, die ihn vor allen bezauberten, die vegetabilischen leichenfressenden Kobolde, die fleischverzehrenden Pflanzen, Gobe-Mouche, der Fliegenfänger der Antillen, mit dem faserigen Rand, der eine Verdauungsflüssigkeit absondert und mit gebognen Stacheln versehn ist, die sich übereinander krümmen und ein Gitter über dem Insekt bilden, das er einschließt; die Drosera des Torflandes, mit drüsenartigen Haaren besetzt; die Sarracena, der Cephalothus mit seinen offnen, gefräßigen Hörnchen, fähig, wirkliches Fleisch zu verdaun und aufzuzehren; schließlich noch Nepenthes, dessen Phantasien alle Grenzen der exzentrischen Form überschreiten.

Er wurde nicht müde, den Topf in seinen Händen zu drehn und umzudrehn, aus dem diese Extravaganz der Flora hervorkam. Die Pflanze erinnerte an den Gummibaum, von dem sie auch die länglichen Blätter hatte, mit ihrem dunkeln metallischen Grün; aber am Ende dieses Blattes hing ein grüner Bindfaden, der sich einer Nabelschnur vergleichen läßt und eine grünliche Urne trägt, violett marmoriert, eine Art deutsche Porzellanpfeife oder sonderbares Vogelnest, das sich ruhig hin und her wiegte und ein mit Haaren besetztes Innre zeigte.

„Die hat es weit gebracht,“ murmelte der Herzog.

Er mußte sich seinem Entzücken entreißen, denn die Gärtner, die es eilig hatten, leerten den Boden ihrer Karren und stellten knollige Begonien und schwarze Krebsblumen auf die Erde.

Der Herzog bemerkte, daß noch ein Name auf der Liste blieb. Der Cattleya von Neu-Granada; man bezeichnete ihm eine geflügelte Glocke von verwischtem, fast verblaßtem Lilablau; er ging näher und steckte seine Nase hinein, doch prallte er erschrocken zurück; sie strömte einen Geruch von lackiertem Tannenholz aus, wie der von Spielzeugschachteln, die ihm die Schrecken eines Neujahrstages wachriefen.

Er dachte, daß es gut wäre, ihr zu mißtrauen, bedauerte fast, zwischen den geruchlosen Pflanzen, die er besaß, diese Orchidee zugelassen zu haben, die so unangenehme Erinnerungen erweckte.

Als er allein war, betrachtete er diese Menge von Gewächsen, die sein Vorzimmer füllte; sie mischten sich miteinander, kreuzten ihre Degen, ihre langen Dolche, ihre eisernen Lanzen, sie bildeten eine grüne Gewehrpyramide, über der, gleich barbarischen Lanzenfähnlein, Blumen von blendendem, hartem Ton schwebten.

Die Luft in dem Raum verdünnte sich; bald darauf schlängelte sich ein weißes, sanftes Licht im Dunkel eines Winkels und nahe dem Fußboden.

Er trat hinzu und bemerkte, daß es die Rhizomorphen waren, die beim Atmen gleichsam einen Nachtlampenschimmer ausstrahlen.

„Diese Pflanzen sind geradezu erstaunlich,“ sagte er zu sich; dann trat er zurück und warf einen Blick auf den Haufen: sein Zweck war erreicht. Keine einzige machte den Eindruck des Natürlichen; Stoff, Papier, Porzellan, Metall, sie schienen der Natur vom Menschen geliehn zu sein, um solche Extravaganzen hervorzubringen.

„Es ist wahr,“ fuhr Herzog Jean fort, „daß in den meisten Fällen die Natur allein unfähig ist, solche ungesunden, verdorbnen Gattungen zu erzeugen; sie liefert den ersten Stoff, den Keim und den Boden, die Nährmutter und die wesentlichen Bestandteile der Pflanze, die der Mensch aufzieht, modelliert, malt und schnitzt je nach seinem Gefallen.

So eigensinnig, so verworren, so beschränkt sie auch ist, sie hat sich schließlich ergeben, und ihr Meister hat es dahin gebracht, durch chemische Gegenwirkungen die Substanzen der Erde zu verändern, lang gereifte Zusammenstellungen, langsam vorbereitete Kreuzungen anzuwenden, sich geschickter Ableger, methodischer Pfropfreiser zu bedienen, und er bildet jetzt auf demselben Zweig Blumen verschiedner Farbe, erfindet für sie neue Nuancen und ändert nach seinem Willen die hundertjährige Form ihrer Pflanzen; er schleift die Blöcke ab, vollendet die Entwürfe, zeichnet sie mit seinem Stempel, drückt ihnen sein Kunstsiegel auf.

„Kein Zweifel,“ meinte er und faßte seine Betrachtungen zusammen, „der Mensch kann in wenigen Jahren eine Zuchtwahl herbeiführen, die die faule Natur nur nach Jahrhunderten hervorzubringen vermag; heutzutage sind entschieden die Gärtner allein die wahren Künstler.“

Er fühlte sich etwas angegriffen und erstickte fast in der Atmosphäre der eingeschloßnen Pflanzen; die Wege, die er seit ein paar Tagen gemacht hatte, hatten ihn ermüdet; der Wechsel der freien Luft und der lauwarmen Temperatur seiner Wohnung, die Unbeweglichkeit eines zurückgezognen Lebens und die Bewegung eines freien Daseins waren zu schroff gewesen. Er verließ sein Vorzimmer und legte sich aufs Bett; aber mit einem einzigen Gegenstand beschäftigt, wie durch eine Federkraft in Bewegung gesetzt, fuhr der Geist, obgleich eingeschläfert, fort, seine Kette abzuwickeln; und es dauerte nicht lange, bis er der düstern Macht des Alps verfiel.

Er befand sich in einer Allee mitten im Gehölz. Es dämmerte, er ging an der Seite einer Frau, die er nie gekannt, noch je gesehn hatte. Sie war mager, hatte flachsgelbes Haar, ein Bulldoggengesicht voller Sommersprossen, schiefe Zähne, die unter der Stumpfnase hervorstanden. Sie trug eine große weiße Schürze, ein Tuch aus Büffelleder über die Brust geschlagen, halbhohe preußische Soldatenstiefel und eine schwarze Haube mit Rüschen verziert.

Sie schien eine Fremde und sah aus wie eine dem Jahrmarkt entlaufne Gauklerin.

Er fragte sich, wer dieses Weib sein möge, das er schon seit langem in seiner Intimität fühlte; er suchte vergeblich nach ihrem Ursprung, ihrem Namen, ihrem Gewerbe, ihrem Recht, neben ihm zu sein; ihm kam keine Erinnerung an diese unerklärliche Bekanntschaft, die doch zweifellos war.

Er forschte noch immer in seinem Gedächtnis, als plötzlich vor ihnen eine seltsame Figur zu Pferde erschien, die plötzlich herantrabte und sich dann im Sattel herumdrehte.

Jetzt erstarrte sein Blut vor Schrecken in den Adern, wie gebannt blieb er an seinem Platz. Dieses doppelsinnige Gesicht, ohne Geschlecht, war grün, mit entsetzlichen Augen von kaltem, klarem Blau, die unter violetten Augenlidern hervorsahn; Ausschlag umgab den Mund; außergewöhnlich magre Arme, wie die eines Skeletts, nackt bis zum Ellbogen, staken aus zerrißnen Ärmeln hervor, zitternd vor Fieber, und fleischlose Lenden klapperten in übergroßen Reiterstiefeln.

Der entsetzliche Blick dieser Augen heftete sich auf Herzog Jean, durchdrang ihn, erstarrte ihn bis zum Mark; die Frau mit dem Bulldoggengesicht klammerte sich in wahnsinniger Angst an ihn, stieß ein Todesgeheul aus, den Kopf auf den steifen Hals hintenüber geworfen.

Und sogleich begriff er den Sinn dieser furchtbaren Erscheinung. Er hatte das Bildnis der Lustseuche vor sich.

Außer sich und von Furcht getrieben warf er sich in einen Querweg, erreichte laufend einen Pavillon, der zwischen Ebenholzbäumen stand; dort sank er in einem Korridor auf einen Stuhl nieder.

Nach einigen Minuten, als er anfing wieder zu Atem zu kommen, vernahm er ein Schluchzen neben sich, er richtete den Kopf in die Höhe … die Frau mit dem Bulldoggenkopf stand vor ihm; und jämmerlich grotesk weinte sie heiße Tränen, jammernd, daß sie während der Flucht ihre Zähne verloren habe, indem sie aus der Tasche ihrer großen weißen Schürze Tonpfeifen hervorzog, die sie zerbrach; und die Stücke der weißen Röhren steckte sie in die Löcher ihres Zahnfleisches.

Teufel, jetzt wird sie ganz verrückt, dachte der Herzog, die Pfeifenrohrstücke werden niemals festsitzen, — und in der Tat, sie fielen auch alle eins nach dem andern wieder aus.

Im selben Augenblick vernahm er den Galopp eines Pferdes. Eine furchtbare Angst erfaßte den Herzog; fast brachen seine Knie unter ihm zusammen; der Galopp kam näher; die Verzweiflung trieb ihn wie mit einem Peitschenhieb in die Höhe. Er warf sich auf das Weib, das auf den zerbrochnen Tonstücken herumtrampelte, und flehte sie an, ruhig zu sein, sie beide nicht zu verraten durch den Lärm ihrer Stiefel. Sie schlug mit Händen und Füßen um sich, er schleifte sie bis zum Ende des Korridors und erwürgte sie fast, um sie am Schreien zu hindern; plötzlich bemerkte er eine Wirtshaustür mit grünem Laden, ohne Klinke; er stieß sie auf, nahm einen Anlauf, blieb aber plötzlich stehn.

Vor sich, mitten in einer weiten Lichtung, sah er riesige, weiße Pierrots bei hellem Mondschein Bocksprünge machen.

Tränen der Entmutigung stiegen ihm in die Augen; niemals, nein niemals könnte er die Schwelle der Tür überschreiten.

Ich würde zertreten werden, dachte er, — und wie um seine Befürchtungen zu rechtfertigen, vervielfältigte sich die Zahl der ungeheuern Hanswürste; ihre Sprünge nahmen jetzt den ganzen Horizont und den ganzen Himmel ein, gegen den sie abwechselnd bald mit ihren Köpfen, bald mit ihren Füßen stießen.

Jetzt hielt das Pferd an. Es war da, … hinter einem runden Fenster in dem Korridor; mehr tot als lebendig drehte sich der Herzog um und sah durch das Fensterchen hindurch die steifen graden Ohren, die gelben Zähne, die Nasenlöcher, aus denen Dampf strömte, der nach Phenol roch.

Er sank nieder; er verzichtete auf fernern Kampf wie auf die Flucht; er schloß die Augen und machte sich auf alles gefaßt, ersehnte selbst, nur um zu einem Ende zu kommen, den Gnadenstoß. Ein Jahrhundert, das zweifellos nur eine Minute dauerte, verging; zitternd und schaudernd öffnete er wieder die Augen. — Alles war verschwunden; ohne Übergang, wie durch einen Aussichtswechsel, wie durch einen Dekorationstrick sah er eine abscheuliche Landschaft von Gestein in der Ferne verschwinden, eine wüste, bleiche, durchwühlte, tote Landschaft; diese schaurige Gegend war von einem ruhigen weißen Licht erhellt, das an die Strahlen des in Öl aufgelösten Phosphors erinnerte.

Auf dem Boden bewegte sich etwas, das sich als ein sehr blasses, nacktes Weib erwies, dessen Beine mit grünen Strümpfen bekleidet waren.

Er betrachtete sie neugierig; wie mit heißem Eisen gebrannte Pferdehaare kräuselte sich ihr Haar, an der Spitze gespalten; Urnen von Nepenthes hingen an ihren Ohren; wie gekochtes Kalbfleisch glänzte das Innere ihrer weit geöffneten Nasenlöcher. Mit verzückten Augen rief sie ihn leise.

Er hatte nicht Zeit zu antworten, denn schon veränderte sich das Aussehn dieses Weibes; Flammen schossen aus ihren Augen; ihre Lippen färbten sich mit wildem feurigen Rot.

Eine plötzliche Erkenntnis überkam ihn: das ist die Blume, sagte er sich.

Er entdeckte auf der Haut des Körpers schwarzbraune, kupferrote Flecke; er schreckte verstört zurück, aber das Auge des Weibes zog ihn zauberisch an, langsam trat er näher und versuchte, nicht weiter zu gehn, er sank nieder und raffte sich dennoch wieder auf, um sich ihr zu nähern. Schon berührte er sie fast, als plötzlich schwarze Amorphophallen von allen Seiten hervorsprangen und sich auf den Leib des Weibes losstürzten, der sich hob und senkte wie ein wildbewegtes Meer. Er schob sie beiseite, stieß sie zurück und empfand einen grenzenlosen Widerwillen, während er zwischen seinen Fingern diese warmen, aber festen Stengel wimmeln sah; dann waren die abscheulichen Pflanzen plötzlich wieder verschwunden, und zwei Arme suchten ihn zu umschlingen; die Angst machte sein Herz heftig schlagen, denn die Augen, die schrecklichen Augen des Weibes hatten einen kalten grausamen, entsetzlichen Ausdruck angenommen. Er machte eine übermenschliche Anstrengung, um sich ihrer Umarmung zu entwinden, aber mit unwiderstehlicher Gewalt hielt sie ihn zurück, erfaßte ihn, und mit irrem Blick sah er unter dem hochgehobnen Schenkel das wilde Nidularium sich klaffend und blutend entfalten.

Er streifte mit seinem Körper die scheußliche Wunde dieser Pflanze; er fühlte sich dem Tode nahe … da fuhr er plötzlich aus dem Schlaf auf, halb erstickt, eiskalt, fast wahnsinnig vor Angst, atmete er erleichtert auf und seufzte:

„Gott sei Dank, daß es nur ein Traum war!“