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Drittes Kapitel

Ein Teil der Büchergestelle, die an den Wänden seines orangegelben und blauen Arbeitszimmers aufgestellt waren, enthielten ausschließlich lateinische Werke; doch nur solcher Autoren, die von den in der Sorbonne gedrillten Fachgelehrten mit dem Sammelnamen „Dekadenten“ abgetan werden.

War doch die lateinische Sprache so, wie sie Mode war zu jener Zeit, die die Gelehrten hartnäckig als das große Jahrhundert zu bezeichnen belieben, in der Tat wenig dazu angetan, ihn zu reizen. Jene lackierte Sprache mit ihren berechneten, fast unveränderlichen Wendungen, ohne irgendeine Geschmeidigkeit der Syntax, ohne Farbe, ohne Unterscheidungen. Jene an allen Nähten abgetragne, von holperigen Ausdrücken befreite, wenn auch zuweilen bilderreiche Sprache vermag ebenfalls die seichten Redensarten, die unbestimmten Gemeinplätze amtlicher Perückenstöcke und Laureat-Poeten auszudrücken, erzeugt aber eine solche Langeweile, daß man sich beim Studium ihres Stils fast ins große Jahrhundert des französischen Sonnengottes — Ludwigs XIV. — versetzt wähnen dürfte, wo man einzig einer gleichen Kraftlosigkeit und Entmannung begegnet.

Da ist unter andern der sanfte Virgil, den Schulfüchse gern den Schwan von Mantua nennen, wahrscheinlich darum, weil er nicht in dieser Stadt geboren ist. Virgil kam ihm als einer der schrecklichsten Pedanten und unausstehlich langweiligsten Schwätzer vor, den jemals das Altertum erzeugt hat; was waren denn seine so sauber gewaschnen und herausgeputzten Schäfer, die sich der Reihe nach ganze Töpfe voll gezierter, eiskalter Verse über den Kopf schütten? Vergleicht er seinen Orpheus doch mit einer weinenden Nachtigall! Sein Aristeus, der Sohn des Apollo, ist ein jammernder Bienenzüchter, und sein Äneas eine überaus verwaschne schmächtige Persönlichkeit, die mit steifen Gebärden wie ein Schattenbild in dem fadenscheinigen, lose gebundnen und öligen Gedicht umherwandelt. Alles dieses brachte ihn natürlich außer sich.

Die langweiligen Albernheiten, die diese Gliederpuppen in den Kulissen austauschen, hätte er wie die unverschämten Entlehnungen, die bei Homer, Theokrit, Ennius und Lucrez gemacht sind, selbst nach dem Plagiat, das uns Makrobius als fast wörtliche Abschrift eines Gedichts von Pisander nachweist, — kurz, all die unaussprechliche Leere seiner als klassisch geltenden Gesänge noch allenfalls ruhig hingenommen. Wobei ihn aber wirklich die Gänsehaut überlief, das waren seine sechsfüßigen Verse, dieses wahre Blech, wie eine leere Kanne klingend.

Jene starre Verskunst, der Meisterschmiede des Catull entnommen, phantasiearm, einförmig, vollgestopft mit unnützen Wörtern und Lückenbüßern, eine Anhäufung feststehender Wendungen und dem Homer sklavisch nachgebildeter Epitheta, die schließlich nichts bezeichnen und nichts zeigen — dieser ganze armselige Wortschwall klanglos platter Vergleiche spannte ihn geradezu auf die Folter.

Es muß noch hinzugefügt werden, daß, wenn seine Bewunderung für Virgil schon mehr als mäßig war, der offne Unflat des Ovid noch geringere Anziehungskraft für ihn hatte, wie auch sein Widerwille gegen die ungeschlachte Grazie und das hohle Geschwätz des Horaz, jenes trostlosen Tölpels, der sich mit übertüncht alten Clown-Zoten zierte, schon mehr als grenzenlos war.

Auch Ciceros und Cäsars berühmter Lakonismus vermochte ihn wenig zu begeistern, denn da zeigte sich eine Trockenheit des Redestils, eine Armut des Gedächtnisses, eine unglaubliche Hartleibigkeit.

Somit fand er seine Rechnung weder hier noch dort, ebensowenig bei den Lieblingsschriftstellern, die als Tonangebende falscher Gelehrsamkeit in den Himmel gehoben wurden, wie bei den übrigen allen: Sallust, der weniger farblos als die andern; Titus Livius, der sentimental und schwülstig ist; Seneka, aufgedunsen und matt; Suetonius, lymphatisch und fiebernd; Tacitus, der nervöseste, obgleich in seiner Kürze der schärfste und der muskulöseste von allen.

In der Poesie ließen ihn Juvenal trotz seiner zeitweilig gestiefelten und gespornten Verse, Persius trotz seiner geheimnisvollen Zuflüsterungen völlig kalt. Indem er Tibull und Properz, Quintil und Plinius, Statius und Martial gern überging, vermochte ihm Terenz und selbst Plautus, deren Kauderwelsch von neugebildeten Wörtern und zusammengesetzten Diminutiven wimmelte, schon eher zu gefallen; aber die niedrige Komik und das grobe Salz widerten ihn an.

Herzog Jean fing erst beim Lucan an, sich für die lateinische Sprache zu interessieren, denn da war sie schon reicher und ausdrucksvoller. Seine sorgfältig gearbeiteten, mit Schmelz bedeckten und mit Juwelen gezierten Verse fesselten ihn; aber diese ausschließliche Pflege der leidigen Form, dieser Klang hellschreiender Töne, dieser metallische Glanz verdeckte ihm keineswegs die arge Gedankenleere, das Geschwollne und Aufgeblasne.

Der Schriftsteller aber, den er wirklich gern hatte und der ihn für immer vom Lesen der tönenden Schriften eines Lucan entfernte, war Pretonius.

Dieser war ihm ein scharfsichtiger Beobachter, ein zarter Analytiker, ein vortrefflicher Maler; ruhig, ohne vorgefaßte Meinung und ohne Haß beschreibt er das tägliche Leben in Rom, die Sitten seiner Zeit als muntrer satirischer Erzähler.

Er zeichnet Tatsachen im richtigen Licht und Verhältnis, er stellt sie in der bestimmten Form und Ordnung fest, enthüllt das Kleinleben des Volkes, seine Erlebnisse, seine Roheiten wie sein sinnliches Treiben.

Hier ist es ein Inspektor, der im Hotel garni die Namen der kürzlich angekommenen Reisenden zu wissen verlangt; da sind es verrufne Häuser, in denen Männer um nackte Weiber herumschleichen, während man durch die schlecht schließenden Türen der Kammern den Belustigungen der Paare zusieht; dann wieder in den Villen des tollen Luxus und der unsinnigen Pracht übermütigen Reichtums, wie in den armen Herbergen mit ihren durchwühlten Gurtbetten voll Wanzen bewegt sich die Gesellschaft der Zeit: Schurken wie Ascyltus und Eumolpus auf der Suche nach einem unverhofften Fund; alte Knabenschänder im aufgeschürzten Kleide mit weiß und rot bemalten Backen; sechzehnjährige Liederlinge, feist mit gekräuseltem Haar; Weiber, die eine Beute ihrer hysterischen Anfälle werden; Erbschaftsjäger, die ihre Knaben und Mädchen den Ausschweifungen der Erblasser überliefern — alle diese Typen folgen einander auf der Straße streitend, die Bäder besuchend, sich krumm und lahm schlagend, wie das wohl in einer Pantomime zu geschehn pflegt.

Und dies mit einer Frische erzählt, in schönstem Kolorit und kräftigem Stil aller Mundarten, die Ausdrücke allen in Rom untergegangnen Sprachen entlehnt, alle Grenzen und alle Fesseln des sogenannten großen Jahrhunderts überschreitend. Er läßt jeden seinen Jargon reden: die Freigelaßnen und jeglicher Bildung Baren das Pöbellatein und gemeine Kauderwelsch, die Fremden ihre barbarischen Mundarten, vermischt mit Afrikanisch, Syrisch und Griechisch, und die pedantischen Dummköpfe, wie den Agamemnon des Buches, seine gemachte Redeweise zum besten geben. Diese Menschen sind alle mit einem Federstrich gezeichnet; sie lagern um einen Tisch, tauschen den abgestandnen Ideenbrei Trunkener aus und überbieten sich in der Verausgabung verschimmelter Grundsätze und alberner Sticheleien, das Maul stets gegen Trimalchio gerichtet, der sich in den Zähnen stochert, über die Gesundheit seines Innern und seine Blähungen spricht, indem er die Gäste einladet, es sich bequem zu machen und sich ja keinen Zwang anzutun.

Dieser realistische Roman, dieses aus dem vollen Fleisch des römischen Lebens geschnittne Stück, ohne ängstliche Sorge, wie man darüber urteilen werde, voll von lebendiger Satire, ohne Schielen nach Sitte noch Moral, diese Geschichte, ohne Intrige, fast ohne Handlung, die dieses sodomitische Treiben darstellt und mit seltner Feinheit die Freuden und Schmerzen der Liebeleien in farbenprächtiger Sprache malt, ohne daß der Verfasser nur ein einziges Mal in den Vordergrund tritt — sie packte den Herzog Jean, denn er ersah in der Verfeinerung des Stils, in der Schärfe der Beobachtung, in der Festigkeit der Methode eine eigentümliche Ähnlichkeit mit den wenigen modernen französischen Romanen, die er erträglich fand.

Ernstlich bedauerte er, „Eustion“ und „Albutia“ nicht zu besitzen, jene beiden Werke des Petronius, die auf immer verloren sind; aber der Bücherliebhaber in ihm tröstete den Gelehrten, besaß er doch die prächtige Ausgabe in Oktav des „Satyricon“ mit der Jahresziffer 1585 und dem Drucker J. Dousa, Leyden.

Von Petronius ab leitete seine lateinische Sammlung in das zweite Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung über, zu dem schwülstigen Phrasenhelden Fronto sowie zu den Attischen Nächten des Aulus Gellius, seines Schülers und Freundes, den er ebenfalls überging, um Halt zu machen bei Apulejus, von dem er eine erste Ausgabe in Folio aufbewahrte, gedruckt zu Rom 1469.

Dieser Afrikaner machte ihm Vergnügen. Die lateinische Sprache zeigte sich in seinen „Metamorphosen“ in ihrem vollen Glanze.

Er öffnete nur noch selten Tertullians „Schutzrede der Christen“ und die „Abhandlung über die Geduld“ ; höchstens las er einige Seiten aus „De cultu feminarum“, worin Tertullian die Frauen rügt, die sich mit Kleinodien und kostbaren Stoffen putzen, und ihnen den Gebrauch von Schönheitsmitteln verbietet, weil sie zu täuschen versuchen, indem sie die Natur zu verbessern und zu verschönern sich bemühn.

Diese Ideen, die den seinigen schnurstracks widersprachen, machten ihn lächeln. Doch die Rolle, die Tertullian in seiner bischöflichen Residenz Karthago spielte, schien ihn zu süßen Träumereien zu verleiten; mehr als seine Werke zog ihn in Wirklichkeit aber der Mann selbst an.

Hatte er doch während der aufrührerischen Zeiten gelebt, heimgesucht von schrecklichen Aufständen unter Caracalla, unter Macrin, unter dem sonderbaren Hohenpriester-Heliagabal, dessen Predigten und dogmatischen Schriften, dessen Verteidigungsreden und Auszüge aus den Homilien der Kirchenväter er verfaßte, während das Kaiserreich in all seinen Fugen krachte. Mit größter Kaltblütigkeit lehrt er die fleischliche Enthaltsamkeit, Genügsamkeit beim Mahl und Einfachheit der Kleidung, während zur selben Zeit Heliagabal in Silberstaub und Goldsand herumspazierte, auf dem Kopfe die dreifache päpstliche Krone trug, seine Kleider mit kostbaren Steinen besetzte und, umgeben von Eunuchen, sich mit weiblichen Handarbeiten beschäftigte, sich Kaiserin nennen ließ und jede Nacht den Kaiser, den er mit Vorliebe unter Barbieren, Köchen und Zirkusleuten auswählte, wechselte.

Dieser Gegensatz entzückte den Herzog; denn die lateinische Literatur, unter Pretonius zur höchsten Reife gelangt, fing an sich aufzulösen. Die christliche Literatur brach sich Bahn und brachte mit neuen Ideen nie gebrauchte Ausdrücke und neue Satzbildungen, sowie bislang unbekannte Zeit-und Eigenschaftswörter mit weit hergeholten Bedeutungen, abstrakte Begriffe, die in der römischen Sprache selten angewendet und von denen Tertullian als einer der ersten Gebrauch gemacht hatte.

Alles, was nach dem Tode Tertullians von seinen Schülern, dem heiligen Cyprianus, von Arnobius und dem unklaren Lactantius verfaßt wurde, war ohne Reiz für ihn. Jene unvollkommne schwerfällige Mache war ein linkischer Rückschritt zum ciceronianisch hochtrabenden Ton. Ihr fehlte jener besondere Duft des vierten wie der folgenden Jahrhunderte, jener Duft des Christentums, der der heidnischen Sprache den Hautgout des Wildbrets verliehn hatte, der aber mit der Zivilisation der alten Welt gleichzeitig aufhörte.

Ein einziger Dichter, Commodian aus Gaza, vertrat in seiner Bibliothek die Kunst des dritten Jahrhunderts.

Das „Carmen apologeticum“, im Jahre 259 geschrieben, ist eine Sammlung von Sprüchen in den beliebten Hexametern, die hier manchmal gereimt sind und schon an das Kirchenlatein spätrer Zeiten erinnern.

Seine überspannt dunklen Verse, voll von Ausdrücken der Tagessprache, von Wörtern ursprünglich verdrehter Bedeutung, fesselten ihn mehr als der reife gesättigte Stil der Geschichtschreiber: Ammianus Marcellinus und Aurelian Victor, der berühmte Briefschreiber Symmachus und der Kompilator und Grammatiker Macrobius; er zog sie sogar den wirklich skandierten Versen jener buntscheckig herrlichen Sprache vor, wie sie Claudius, Rutilius und Ausonius sprachen.

Waren die doch damals die Meister der Kunst. Sie erfüllten das untergehende Reich mit ihren Warnungen, der christliche Ausonius mit seinem Cento nuptialis und seiner üppigen Dichtung von der Mosella; Rutilius mit seinen Hymnen zum Ruhme Roms, seiner Verfluchung der Juden und Mönche, der Reisebeschreibung von Italien nach Gallien, in der es ihm gelingt, bestimmte Eindrücke des Geschehnen gut wiederzugeben: Landschaften, die sich zitternd im Wasser spiegeln, aufsteigende Nebel, schwere Wolken, die um die Berge brauen.

Endlich im fünften Jahrhundert Augustin, Bischof von Hippo. Diesen kannte Herzog Jean nur zu gut, denn er ist ja der angesehnste Schriftsteller der Kirche, der Gründer der christlichen Orthodoxie, der den Katholiken als ein Orakel gilt, und vor dem sie sich alle beugen. Diesen öffnete er nicht mehr, obgleich Augustin in seinen „Bekenntnissen“ den Widerwillen gegen das Irdische ebenfalls besungen und in seiner „Gottesstadt“ versucht hatte, das entsetzliche Elend des Jahrhunderts durch Vertröstung auf eine beßre Zukunft zu besänftigen.

Die zweite Hälfte des fünften Jahrhunderts war gekommen, die entsetzliche Zeit, in der die gewaltigsten Stöße die Erde erschütterten.

Die Barbaren verwüsteten Gallien; Rom, der Plünderung der Westgoten preisgegeben, fühlte sein Leben erstarren, sah seine äußersten Grenzen, den Okzident und den Orient, sich im Blute wälzend von Tag zu Tag mehr erschöpfen und dem Untergange verfallen.

In dieser allgemeinen Auflösung, diesem Meuchelmorde der Cäsaren, die rasch aufeinander folgten, in diesem Lärm bluttriefenden Gemetzels, das sich von einem Ende Europas zum andern wälzte, ertönte ein fürchterliches Hurrageschrei, das allen Unwillen und alles Geheul zum Schweigen brachte.

An dem Ufer der Donau erschienen Tausende von Männern auf kleinen Pferden, eingehüllt in weite Oberkleider von Rattenfell, scheußliche Tataren mit enormen Köpfen, platter Nase, das Kinn durch Schmarren und Narben entstellt, bartlose, zitronengelbe Gesichter stürzten sich vorwärts im gestreckten Galopp, alle Reiche gleichsam in einen Wirbelwind einhüllend und niederreißend.

Alles verschwand in den Staubwolken dieser wilden Reiter wie in Rauch von Feuerbrünsten. Die Finsternis verbreitete sich, und die bestürzten Völker erzitterten, wenn sie diesen entsetzlichen Staubwirbel mit dem Getöse des Donners vorübersausen hörten. Die Hunnenherde machte Ost-Europa dem Erdboden gleich, stürzte sich auf Gallien, wo sie in den Ebenen von Châlons durch den römischen General Aetius niedergeworfen und im Sturm vernichtet wurde. Die mit Blut überschwemmten Wiesen kräuselten sich wie ein Purpurmeer; zweihunderttausend Leichen versperrten den Weg und brachen den Anlauf dieser aus der Richtung gekommenen Lawine, die wie mit Donnerschlägen in Italien einfiel, wo die zerstörten Städte gleich Heuschobern brannten.

Das weströmische Reich brach unter dem Stoß zusammen; sein mit dem Tode ringendes Dasein, das es stumpfsinnig im Kot hingeschleppt hatte, erlosch; es schien überdies das Ende der Welt nahe; die Städte, die von Attila vergessen worden waren, wurden durch Hungersnot und Pest dahingerafft, das Latein schien unter den Ruinen der Welt mit zu versinken.

Jahre vergingen; die barbarischen Idiome fingen an, sich zu regeln und wirkliche Sprachen zu bilden. Das Latein, das während der allgemeinen Zerrüttung in die Klöster geflüchtet war, verblieb dort, wie in den Pfarrhäusern; hier und da erstanden einige Poeten, frostig und träge: der Afrikaner Dracontius mit seinem „Hexameron“ ; Claudius Mamertius mit seinen liturgischen Poesien; Avitus von Wien. Dann die Biographen, wie Ennodius, der die Wunder des heiligen Epiphanias erzählt, jenes scharfsichtigen, verehrten Diplomaten, des biedern und umsichtigen Seelsorgers; wie Eugippius, der uns das unvergleichliche Leben des heiligen Severinus wieder vor Augen führt, diesen geheimnisvollen Einsiedlers und demütigen Asketen, der den trostlosen, vor Furcht und Schmerz wahnsinnigen Völkern wie ein Engel der Barmherzigkeit erschien; Schriftsteller wie Veranius du Gévaudan, der eine kleine Abhandlung über die Enthaltsamkeit verfaßte; wie Aurelian und Ferreolus, die die kirchlichen Satzungen zusammengestellt haben; Geschichtschreiber wie Rotherius, berühmt durch ein Geschichtswerk, das aber verloren gegangen ist.

Die Werke der nachfolgenden Jahrhunderte wurden in der Bibliothek des Herzogs Jean spärlicher. Indessen war das sechste Jahrhundert noch durch Fortunatus, Bischof von Poitiers, durch Boëthius, den alten Gregor von Tours, und Jornandes vertreten.

Wenig entzückt von der Schwerfälligkeit der karolingischen Lateiner, wie Eginhart und Alcuin, begnügte er sich als Sprachprobe des neunten Jahrhunderts mit den Chroniken des Anonymus von St. Gallen, des Frechulf und des Regino, mit dem Gedichte von der Belagerung von Paris, verfaßt von Abbo le Courbé, mit dem „Hortulus“, mit der Dichtung von Ermold le Noir, der die Taten Ludwigs des Frommen preist, und einigen nicht zu klassifizierenden moderneren Werken ohne Jahreszahl, Werken der Geheimlehre, der Arzneikunde, der Pflanzenkunde, einzelnen Bänden der Kirchenväterkunde von Migne, die nirgends mehr zu findende christliche Poesien enthielten, und mit der Blumenlehre der kleinen lateinischen Poeten von Wernsdorff.

Mit dem Anfang des zehnten Jahrhunderts hörte seine lateinische Bibliothek auf.

Die alten Ausgaben, die Herzog Jean sorgfältig gesammelt hatte, waren hiermit erschöpft, und mit einem jähen Sprung über Jahrhunderte hinweg leiteten seine Bücher direkt zu der französischen Sprache des jetzigen Jahrhunderts über.