Zum Hauptinhalt springen

Unverfrorenheit

Unverfrorenheit findet sich als schlagender Ausdruck für die Mittelstraße zwischen Unbefangenheit und Unverschämtheit bisher zufrühst von 1858 ab gebucht und belegt. Siehe Kluge in der ZfdW. 1, 277 f. Henne vermutet wohl mit Recht Berliner Herkunft, wie schon Xanthippus, Das Wort sie sollen lassen stan (1879) S. 22 ihn einen „widerlichen Berlinismus“ nannte, welcher aus dem Partizip unverfert (von niederd. verfêren — erschrecken) durch Verwechslung mit verfrêren — verfrieren entstanden sei. In der gleichen Schrift bemerkt er S. 11: „Wird doch im deutschen Reichstag aus hochgestelltem Munde z. B. das ganz unverstandene Wort unverfroren und Unverfrorenheit vernommen, wo der Franzose etwa désinvolture gebrauchen würde.“

Vergl. auch Andresen S. 373. Von literarischen Zeugnissen sei noch folgendes Zwiegespräch im Kladd. 1864, 11 angeführt:

 
Müller. Na Schultze, du sehst doch noch janz unverfroren aus!
Schultze. Kerl, wie kannst du dir unterstehen und mir so — —
Müller. Aber Schultze, ich verstehe dir nich! Ich sage ja man bloß, dass du — —
Schultze. Schweig! Auf so brüske, jewaltsame Anjriffe bin ich nich jefaßt!“

Ferner Gutzkow, Dionys. Longinus (1878) S. 34: „Der Biograph erzählt mit unverfrorener Biederkeit.“