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Ideolog, Ideologie

Ideolog und Ideologie, ursprünglich philosophische Kunstausdrücke, die der Graf Testut de Tracy Ende des 18. Jahrhunderts prägte für die von ihm und seinen Freunden vertretene materialistische Richtung. Da die Ideologen aber Napoleons politische Gegner waren, verhöhnte er mit diesem Wort zunächst diese patriotische Philosophengruppe als unpraktische Träumer und Schwärmer, dann überhaupt alles freiheitliche und ideale Streben. Aus dem Französischen (idéologue oder idéologiste und idéologie) wurden diese Spottworte in gleicher abschätziger Bedeutung, die freilich vielfach gemildert wurde, auch ins Deutsche übernommen und bürgerten sich seit den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts dauernd ein.

Goethe (Hempel) 19, 120 äußert sich: „Eine jede Idee tritt als ein fremder Gast in die Erscheinung, und wie sie sich zu realisieren beginnt, ist sie kaum von Phantasie und Phantasterei zu unterscheiden. — Dies ist es, was man Ideologie im guten und bösen Sinne genannt hat, und warum der Ideolog den lebhaft wirkenden praktischen Tagesmenschen so sehr zuwider war.“ Als scherzhafte Hyperbel legt Gaudy 3, 70 den Ausdruck einer Haushälterin in den Mund: „Und das Essen soll ich bringen? Heute, wo sie ausgebeten sind und sich bis Johanni satt essen können? Herr Du meine Güte, was das wieder für Ideologen sind!“

Ausführlich spielt Immermann 18, 211 (1840) auf Napoleons Hass an: „Dagegen ist alles Tiefste, Wahrste wie zugedeckt vor seinem adlerscharfen Auge. Was über die Einsicht in das Schlechte oder über einen glänzenden Irrtum in den öffentlichen Verhältnissen hinausliegt, verhöhnt er mit dem selbst geschaffenen Worte: Ideologie. Den Stoff zu diesem persiflierenden Unnamen haben ihm ohne Zweifel die hohlen Deklamationen der Metaphysiker der Revolution geliefert. Nachher verwechselt er mit diesem Schaum jeden echten, übersinnlichen Gedanken, zugleich groß in dem Ursprung seiner Verachtung und klein in ihrer späteren Anwendung.“

Aus einen ähnlichen Ton stimmt Heine 6, 312 (1842) seine Auslassung: „Es ist ein merkwürdiger Umstand, dass Napoleon gegen die philosophische Koterie, wozu Tracy, Cabanis und Konsorten gehörten, eine so besorgliche Abneigung hegte und sie mitunter sehr streng behandelte. Er nannte sie Ideologen, und er empfand eine vage, schier abergläubische Furcht vor jener Ideologie, die doch nichts anderes war als der schäumende Aufguss der materialistischen Philosophie.“ Vergl. auch Scherr, Blücher 2, 5 (1863): „Gegenüber den „Ideologen", wie er bekanntlich die Bekenner des Göttlichen in der Menschheit samt und sonders nannte, mit wildem Hass instinktmäßig Alles verfolgend, was wahrhaft edel und groß, weil alles wahrhaft Edle und Große der quetschenden Wucht seiner nivellierenden Tyrannei sich widersetzte — ja, gegenüber den Ideologen allein hätte es fürwahr mit dauernder Behauptung seiner Macht keine Not gehabt.“

Dagegen Lassalle 2, 139 (1863): „Unter Ideologen verstehe ich in diesem Augenblicke alle Solche, die ihr Lebtag in Büchern gelebt haben und gewohnt sind, in Ideen und Gedanken zu existieren und Alles für sie aufzuopfern.“

Von Revolutions-Ideologen spricht mehrfach Nietzsche z. B. 7, 136 und 8, 14.