Zukunftsstaat
Zukunftsstaat spielt etwa seit Anfang der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts als sozialdemokratisches Programmwort eine große Rolle und veranlasst zahlreiche politische Debatten. So konstatieren die Grenzboten 1875, 1. Sem. 2, 45: „In einer Berliner Versammlung erklärte vor drei Jahren ein Redner, ohne prinzipiellen Widerspruch zu finden, „im Zukunftsstaat solle nur die Liebe die Verbindung der Geschlechter leiten.““ Vgl. außerdem Jürgen Bona Meyer, Fichte, Lassalle und der Sozialismus (1878) S. 38: „Mit Recht ist den Führern der Sozialdemokratie unserer Tage wiederholt entgegnet worden, sie unterließen klüglich, ein Gesamtbild ihres Zukunftsstaates vor den Augen des ihnen anhängenden Volkes zu entwerfen, wohl wissend, dass das Bild eines solchen alle Freiheit des Individuums vernichtenden Zukunftsstaates Viele nicht anziehen, sondern abschrecken werde.“ Besonders Bismarcks energische Kritik, Polit. Reden 7, 258 ff. (am 17. Sept. 1878) hatte zu erneuter Beschäftigung mit diesem Thema wirksam beigetragen. Äußerte er doch darin unter anderem: „Ich würde auch, wenn Herr Bebel den Wunsch hätte, sich Abends mit mir zu unterhalten, ihm nicht ausweichen, ich würde daran vielleicht die Hoffnung knüpfen, dass ich endlich auch erführe, wie Herr Bebel und Genossen sich den Zukunftsstaat, auf den sie uns durch Niederreißen alles Dessen, was besteht, was uns teuer ist und schützt, vorbereiten wollen, eigentlich denken.“
Siehe auch Sanders, Ergb. S. 501 und Mehring (1879) S. 5 und S. 197. Noch heutigestags bildet das Schlagwort oft genug die Zielscheibe für ironische Bemerkungen.