Zum Hauptinhalt springen

Beschreibung

Sind wir nun ganz durchdrungen von dieser wissenschaftlichen Resignation, dass also nämlich die allermeisten, die erklärenden Sätze überhaupt nicht über die Worte hinausführen können, dass die allermeisten erzählenden Sätze nur Bestätigungen des allgemeinen Sprachgebrauchs sind, dass endlich die großen Fortschritte der menschlichen Erkenntnis einzig und allein in erzählenden Sätzen oder in Beschreibungen von neuen Beobachtungen der Wirklichkeit bestehen, dann werden wir wissen, wie nahe der Physiker Kirchhoff unserer Anschauung kam, als er es in einem viel umstrittenen Satze für die Aufgabe der Mechanik erklärte, "die in der Natur vor sich gehenden Bewegungen vollständig und auf die einfachste Weise zu beschreiben". Der menschlichen Erkenntnis kommt es auf die Beschreibung an, womit doch bildlich die ordentliche Beredung gemeint ist, das Festhalten in Wortzeichen des Gedächtnisses. Der Entdecker brauchte die Sprache gar nicht, für sich selbst nicht; die anderen Menschen aber hätten nichts vom Genie, wenn er seine Neuigkeit nicht mitteilen wollte und könnte. Mitteilen aber läßt sich durch feststehende Begriffe von unmittelbarer Verständlichkeit nur das Alte, nur das in den Sprachschatz schon Aufgenommene; das Neue läßt sich nur bildlich umschreiben, läßt sich nur beschreiben.

Wir erfahren also in diesem Zusammenhange wieder, dass die menschliche Sprache, wie sie durch Metaphern oder bildliche Anwendungen entstanden und gewachsen ist, auch heute noch gegenüber ihren höchsten Aufgaben immer aufs neue zur Metapher wird. So wie die Summe unserer ererbten Begriffe den apriorischen Sprachschatz oder unsere Weltanschauung bildet und jede neue Beobachtung durch Aufnahme in das Gedächtnis zu einem Begriffswandel führt, so schweben natürlich unzählige alte und neue Sätze schwatzhaft um die Worte. Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass all diese Bilder der Wirklichkeit sich von ihr immer weiter entfernen. Ich werde nicht müde, es zu wiederholen: es verbinden sich nicht die Begriffe zu Urteilen, sondern die Urteile oder Sätze verbinden, klären sich zu Begriffen oder Worten. Und wenn die sterile alte Jungfer Logik darüber auch ohnmächtig werden sollte, ich muß jetzt endlich aussprechen, was ich gelernt zu haben glaube und was mich zu meinem kritischen Rückblick auf die Logik geführt hat. Es sind nämlich unsere Begriffe oder Worte allerdings aus unseren Sinneseindrücken entstanden; aber unsere Urteile, oder Sätze sind nicht aus Begriffen hervorgegangene höhere Gestaltungen, sie sind vielmehr ein Rückschritt zu den Sinneseindrücken. Der Sinneseindruck "weiß" war dabei, als das Wort "Schnee" gebildet wurde; sagt dann eine der bewunderten entwickelten Sprachen den Satz "der Schnee ist weiß", so kehrt sie zum Sinneseindruck zurück, entweder um ihn zwecklos zu beschwatzen oder um, nun im Besitze des Dingworts, die Aufmerksamkeit auf den Sinneseindruck zu lenken. Das Geschwätz, das erklärende Urteil, geht vom Wort aus, vom Inhalt des Begriffs, die Beobachtung, das erzählende Urteil, geht vom Umfang des Begriffes aus, also von einer Stelle, die der Wirklichkeit näher liegt.