Schrift und Lautverschiebung
Weiter: Wenn Wulfila im 4. Jahrhundert die Schrift, in welcher seine gotische Bibelübersetzung auf uns gelangt ist, selbst erfunden haben sollte, so hat er sie doch sicherlich nicht frei erfunden. Ganz unzweideutig hat er die griechische Schrift zugrunde gelegt und einzelne Zeichen dem lateinischen Alphabet und den Runen entnommen. Aus seiner Abstammung, wie aus seinem Werke läßt sich unbedingt schließen, dass er sowohl germanisch als griechisch sprach. Wie sprach er nun selbst die Buchstaben seiner Bibelübersetzung aus? Und kann es einem Zweifel unterliegen, dass auch die Einführung dieser Schrift mit irgend einer Lautverschiebung in Beziehung stand? Es ist nicht anders möglich: die gelehrten Männer — und jede solche Reformation mußte von Gelehrten ausgehen —, welche ihre Muttersprache in einer ausländischen Schrift zu fixieren suchten, richteten das fremde Alphabet mit aller Liebe und Sorgfalt nach ihrer Muttersprache ein; aber vielleicht richteten sich nachher einzelne Laute der Gelehrtensprache nach dem fremden Alphabet.
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