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Essig

Essig (Acetum). Sowohl in der Apotheke, als auch in der Haushaltung wird mit Recht der durch saure Gärung erhaltene Weinessig (Bordeaux-Essig, französischer, rheinländischer Essig, Acetum vini) allen anderen Sorten von Essig vorgezogen. Seine Bestandteile sind: reine Essigsäure, Weingeist, Wasser, Kali, Schleim und Kleber. Ein guter Weinessig muss wasserhell, weingelb, rötlich sein, erfrischend riechen und angenehm sauer schmecken. Ist er mit Schwefelsäure verfälscht, so macht eine Auflösung von essigsaurem Baryt darin einen weißen Niederschlag. — Der gute, reine Weinessig hat etwas Erquickendes, Belebendes, Flüchtiges, wie die geistigen Getränke, er treibt auf die Harnwege und befördert den Schweiß, — auch wirkt er der Fäulnis entgegen, verhindert die Entmischung der tierischen Stoffe, und zwar weit mehr, als die Mineralsäuren. — Innerlich ist er ein herrliches Mittel in allen hitzigen Krankheiten, bei Nerven- und Faulfieber, Scharlachfieber und Pocken etc., wo man ihn mit sechs oder acht Teilen frischem Quellwasser so oft und so viel trinken lässt, als es dem Kranken zur Stillung des Durstes beliebt. Auch äußerlich zu Waschungen des Kopfes, Halses etc. ist hier Essig und Wasser eins der besten Kühlungsmittel. Zur Reinigung der Zimmerluft in Krankenstuben besprengt man auch den Fußboden mit Essig, noch besser, man entwickelt Essigdämpfe, indem man den Essig auf eine heiß gemachte Ofenschaufel gießt oder auf Glühkohlen, auf einer Spirituslampe in einem offenen Gefäße kochen und so verdunsten lässt.

Äußerlich angewandt dient der Essig noch zur Stillung leichter Blutungen; bei Nasenbluten, entstanden durch Fall, Stoss, Schlag, (nicht bei kritischem Nasenbluten) kann man ihn, mit Wasser vermischt, in die Nase ziehen, wenn anders die Blutung bedeutend ist; — ein Hauptbestandteil der gegen Quetschungen und gequetschte Wunden famosen Thedenschen Arquebusade (S. Wundwasser) ist Essig; er ist eins der besten Erquickungsmittel bei Ohnmachten, bei allen Vergiftungen durch betäubende Gifte (sobald das Gift nach oben und unten entfernt worden), als: Opium, Belladonna, Bilsenkraut, Stechapfel etc. Beim Scheintode durch Kohlendunst, durch Berauschung, Schlafsucht etc. sind die Klistiere von Essig und Wasser, neben solchen Waschungen und frischer Luft die besten Hilfsmittel (S. Anhang I.) Man wendet sie hier kalt an (vier Teile Wasser, ein Teil Essig und etwas Honig), besonders wenn die Kranken vollsaftig, gut genährt sind und an Blutkongestionen, Blutandrang zum Kopf und an habitueller Leibesverstopfung leiden.

Junge, wohlgenährte, mit viel Teint versehene Mädchen trinken oft Wochen lang täglich viel Wasser und Essig, um blässer im Gesicht zu werden. Dies ist sehr zu tadeln, denn der anhaltende Gebrauch des Essigs, so wie das tägliche Atmen in einer mit Essigdämpfen geschwängerten Luft, kann der Gesundheit höchst nachteilig werden, ja durch Abzehrung töten.

Gegen Quetschungen, Sugillationen, gequetschte Wunden sind die kalten Schmuckerschen Fomentationen (S. Bähungen), wozu auch Essig kommt, eins der ersten und besten Mittel. Bei den schlimmsten Formen von Friesel und Scharlachfieber haben Klistiere von Kleienabkochung und Essig (und gleichzeitig innerlich kohlensaures Ammonium) einen höchst gelinden Verlauf der Krankheit erzielt und alle Lebensgefahr gehoben. (S. Most, prakt. Arzneimittellehre. 1842. S. 49.) — Essigklistiere und Essigbäder, Essig und Wasser innerlich und äußerlich lobt man auch in der Bleikolik der Maler. Der italienische Arzt Vergari gab einem Kranken der Art, der schon drei Tage lang andere Mittel ohne Erfolg gebraucht, vier Lot Essig in zwei Pfund Wasser zu trinken. Sogleich verschwand der Leibschmerz, der Kranke fiel in sanften Schlaf und hatte beim Erwachen einige Stuhlgänge. Der Essigtrank wurde dreimal täglich wiederholt und am siebenten Tage folgte Genesung.

Nach Gruithuisen (Medic. chir. Zeitung 1827. Bd. 2. p. 125 —127) wirken Essigdämpfe zum Einatmen, und Umschläge von Essig auf den Kopf und um den Hals sehr wohltätig beim Croup der Kinder. Überhaupt ist der Essig ein so wichtiges Mittel, dass er in keiner Haushaltung, in keiner Haus- und Reiseapotheke fehlen sollte. Hierher gehören auch noch folgende Bereitungen:

1) Der Sauerhonig (Oxymel simplex). Er wird so bereitet, dass ein Teil guter Weinessig und zwei Teile Honig in einem zinnernen Gefäß bis zur Honigdicke abgedampft werden. Das beste Fiebergetränk in hitzigen Fiebern, Gallenfiebern, im Hitzstadium des Wechselfiebers ist ein Teil Sauerhonig mit acht Teilen frischem Quellwasser vermischt.

2) Der Kräuteressig (Acetum aromaticum). Er ist als Waschmittel gegen Ansteckungsstoffe, bei Ohnmachten etc. sehr zu empfehlen auch auf den Apotheken stets vorrätig. Seine Bereitung ist diese:

Nr. 74. Nimm: Wermut, Rosmarin, Salbei, Pfefferminze, von jedem vier Lot, Gewürznelken, Zedoarwurzel, von jedem ein Lot, Weinessig, acht Pfund. Nach genügsamer Ausziehung bei gelinder Wärme in einem Glasgeräte, wird der Essig ausgepresst, und nachdem er durchgeseiht worden, werden acht Lot Rosmarin-Spiritus hinzugesetzt.

3) Der Rautenessig (Acetum Rutae). Er wird aus sechs Lot Raute und zwei Pfund Essig bereitet. Gegen Magensäure und Blähungen Hysterischer lobt man denselben, dreimal täglich einen Esslöffel voll, mit Wasser genommen. Äußerlich zum Riechen und Waschen dient er bei Ohnmachten, Schwindel, nervösen Kopfschmerzen.

4) Der Vierräuber-Essig (Acetum quatuor latronum, Vinaigre de quatres voleurs). Derselbe hatte in früheren Pestzeiten als Schutzmittel dadurch großen Ruf erlangt, dass vier Räuber trotz aller Berührung mit infizierten Sachen sich vor der Ansteckung schützten. Die Bestandteile sind dieselben des Kräuteressigs (s. o.); doch kommt außerdem noch Lavendel, Angelika etc. auch etwas Kampfer hinzu.

5) Der Stahlessig (Acetum chalybeatum). Der Arzt Fuller empfiehlt ihn, dreimal täglich einen halben bis einen Esslöffel voll mit Wasser, besonders gegen Bleichsucht und langwierigen Fluor albus. Die Bereitung ist diese: Man nimmt ein Pfund guten Essig und zwei Lot reine (durch einen Magnet ausgezogene) kupferfreie Stahlfeile. Man lässt die Masse drei Tage mazerieren und seiht sie dann durch Löschpapier.

6) Himbeer-Essig. Man gießt auf zwei Pfund reife Himbeeren vier Pfund guten Weinessig, lässt dieses acht Tage in einem Glas zugedeckt stehen, presst dann das Ganze stark aus, kocht es auf und setzt ein Pfund guten weißen Zucker hinzu; dann verwahrt man die Flüssigkeit in einem gut verschlossenen Glas im kühlen Keller. So hält sich dieser Essig ein volles Jahr hindurch, ja länger. Es ist derselbe zu Anfange aller hitzigen Fieber: der Blattern, des Scharlachs, der Masern etc. ein köstliches, angenehmes, kühlendes Getränk, indem man zu einem Glas Wasser oder Haferschleim davon zwei bis drei Esslöffel voll zusetzt.

7) Bleiessig, Bleiextrakt (Acetum Lithargyri, plumbicum, Extraktum Saturni). Derselbe wird so bereitet, dass man acht Lot Mennige mit drei Pfund destilliertem Essig in einem glasierten irdenen Topf unter stetem Umrühren so lange kocht, bis ein Pfund übrig bleibt, worauf es filtriert wird. Ein Lot davon auf ein Maß Regenwasser gibt das bekannte Goulardsche Bleiwasser (S. Blei), welches nur äußerlich, bei Brucheinklemmung auch in Klistieren, angewendet wird. (S. Blei.)

8) Essigsäure (Acidum aceticum, Alkohol aceti). Sie ist in den Apotheken vorrätig und eins der besten aller Riechmittel bei Ohnmachten, Schwindel, großer Ermattung, nach Verletzungen. — Carmichael lobt die reine Essigsäure zur Vertreibung der Hühneraugen. Man betupft sie, nachdem sie etwas beschnitten worden, Abends und Morgens damit. Durch dasselbe Verfahren kann man auch Warzen und Leichdörner an den Händen vertreiben.

9) Essignaphtha (Naphtha aceti), oder Essigäther (Äther aceticus). Sie ist nicht so stark, aber angenehmer, erquickender als die Schwefelnaphtha, wirkt auch rascher auf den Schweiß. Man gibt sie beide gegen Ohnmachten, Schwächegefühl, leichte hysterische Krämpfe etc. zu 15—30 Tropfen auf Zucker oder mit Wasser. Alle Ätherarten, so wie auch deren Verdünnungen: die versüßten Säuren, die sogenannten Hoffmannstropfen (Liquor anodynus mineralis Hoffmanni), der versüßte Salzgeist (Spiritus salis dulcis), der ätherische Essiggeist (Spiritus acetico-aethereus) und der versüßte Salpetergeist (Spiritus nitri dulcis) werden häufig als Hausmittel gegen Ohnmachten, Migräne, Vapeurs angewandt, können aber in manchen Fällen, wo das Brausepulver besser wäre (s. d.), schaden; z. B. bei den oft wiederkehrenden Ohnmachten solcher Personen, die an organischen Fehlern des Herzens und der großen Gefäße leiden, bei den Ohnmachten und Schlafe Epileptischer, Gemütskranker, wo Ruhe und frische Luft das beste Mittel ist.

Der Spiritus nitri dulcis, dreimal täglich zu 20—30 Tropfen in Wacholdertee, ist gegen Wassersucht, der Spiritus salis dulcis mit Sirup und Brusttee gegen chronische Brustbeschwerden und Krampfhusten vorzuziehen. Wenn bei der Lungenschwindsucht der Auswurf stockt und der Kranke nicht an Fieber und Blutandrang leidet, so ist der Werlhofi sehe Brustsaft (Linctus pectoralis Werlhofi) dem Elixir pectorale Regis Daniae (s. d.) noch vorzuziehen. Es ist dieser Linctus, wovon binnen einer Stunde oder so lange, bis der Husten lose wird, alle zehn bis fünfzehn Minuten einen Teelöffel voll genommen wird, eine Mischung aus zwei Quäntchen Spiritus salis dulcis und sechs Lot Klatschrosensirup (Sirup. papaveris rhoeados), — ein ausgezeichnetes Mittel, welches solche unglückliche Kranke selbst in dem letzten Stadium der Krankheit angenehm finden.