Lockenköpfchen
„Komm zu mir, mein Lockenköpfchen,
Setz auf meinen Schoß dich nieder,
Hörst ja gerne, wenn ich singe,
Hörst ja gern die alten Lieder!“
Freundlich lächelnd spricht die Kleine:
„Wart, ich will die Zither bringen;
Denn da klingt’s noch mal so lustig!“
Und ich fange an zu singen:
Am grünen Teich
Der Knabe so bleich
Sang einsam seine Lieder.
Im Grunde so tief
Die Nixe schlief.
Da weckten die Klänge sie wieder.
Hinab, hinauf!
Im Strudellauf
Zerteilen sich die Wogen;
Bei Mondeslicht
Ein bleich Gesicht
Kommt still heraufgezogen.
„Lieb Knabe traut,
Es ruft die Braut!“
Leis hat die Nixe gesungen.
Ein Arm so weiß,
So kalt wie Eis,
Hat bald den Knaben umschlugen.
„Wie wohl, wie warm
In deinem Arm!
Lieb Knabe, laß uns scherzen!“
Die Nixe sang,
Dem Knaben drang
Der kalte Tod zum Herzen.
„Nun, was sagt mein kleines Liebchen? —
Doch du schweigst ja ganz erschrocken.
Graut dich so vor alten Märchen,
Daß dir Zung’ und Pulse stocken?“
Und mit ihren zarten Armen
Hält sie ängstlich mich umschlungen:
„Wie so böse Lieder singst du!
Wie so traurig hat’s geklungen!“
„Du, du bist der bleiche Knabe,
Und du singst die hellen Lieder.
Hüte dich, die böse Nixe
Zieht dich in die Fluten nieder! —“
„Bleib, o bleib! Was willst du unten
In dem kalten dunkeln Meere...“
Und mit tränenfeuchten Blicken
Starrt sie in des Zimmers Leere.
Doch ich küß die Purpurlippen,
Nehm die Zither heimlich leise,
Greife tändelnd in die Saiten
Und beginn die frohe Weise:
„Lockenköpfchen ist die Nixe,
Und sie hat mich fest umschlungen,
Daß dem armen bleichen Knaben
Fast das Herze ist zersprungen.“