Kochrezepte
Aus einem völkischen Kochbuch. Man schneide einen alten Juden in nicht zu dünne Scheiben, wälze ihn in einer Mehlschwitze und überstreue ihn vorsichtig mit etwas gestoßenem ›Berliner Tageblatt‹. Die Mischung lasse man in einem Stahlhelm dreimal aufkochen und serviere heiß. Ein Hakenkreuz aus Mazze wird den Appetit jedes deutschen Gastes anregen.
Aus einem demokratischen Kochbuch. (Vorrede). Wir enthalten uns hier ausdrücklich jeder Politik, da wir der demokratischen Auffassung sind, dass die Hauptgebiete des Lebens, wie zum Beispiel die Nahrungszufuhr, unpolitisch sind und es auch bleiben müssen. Daher folgen hier die Rezepte in der ungekürzten Fassung der Vorkriegszeit, ohne Rücksicht auf die Zeitereignisse –
(Eine Seite darauf)
Unserer ersten deutschen Hausfrau:
der jeweiligen deutschen Kaiserin
ehrfurchtsvoll dargewidmet
von einer deutschen Familienmutter.
Aus einem sozialdemokratischen Kochbuch. Man nehme nach Anhörung des Parteivorstandes drei frische Eier und zerschlage sie bei einem vorliegenden Beschluß der Reichstagsfraktion. Während man umrührt, berufe man einen Parteitag ein und lasse über die Menge des zu verwendenden Mehles abstimmen. Will man ein brauchbares Rezept haben, verwende man die Angaben der Opposition. Ist Einstimmigkeit zwischen Fraktion und Vorstand erzielt, setze man die Speise aufs Feuer, ziehe sie aber bei Bedenken der Gewerkschaften sofort zurück. Auf diese Weise hat man zwar keinen Eierkuchen, wohl aber ein höchst anregendes Gesellschaftsspiel.
Aus meinem Privatkochbuch. Man fülle guten, alten Whisky in eine nicht zu flache Suppenterrine, rühre gut um und genieße das erfrischende Getränk, soweit angängig, nüchtern. Ein Zusatz von Mineralwassern empfiehlt sich nicht, da selbe oft künstliche Kohlensäure enthalten, daher gesundheitsschädlich sind.
Anmerkung: Der Whisky muß von Zeit zu Zeit erneuert werden.
Kaspar Hauser
Die Weltbühne, 20.07.1926, Nr. 29, S. 90,
wieder in: Mona Lisa.