Strahlende Materie
Strahlende Materie hat Crookes den feinen Stoff genannt, der die Ursache für die in luftverdünnten Röhren (Hittorfschen oder Crookesschen Röhren; Verdünnung bis auf 0,00001 Atmosph.) bei Anwendung elektrischer Ströme entstehenden eigentümlichen Lichterscheinungen ist. Mit dieser strahlenden Materie hat später sich namentlich Thomson eingehend beschäftigt und ihr beziehungsweise bestimmten materiellen Teilen, aus denen die strahlende Materie besteht, den Namen Korpuskeln (s. d.) gegeben. Die elektrischen Ladungen in luftverdünnten Röhren hat zuerst Hittorf 1869 genauer untersucht. Er beobachtete, daß das + Licht vollständig verschwindet, am – Pol aber senkrecht zur Oberfläche der Kathode eigentümliche Strahlen ausgehen, die sich geradlinig fortpflanzen und Glas, Rubin usw. zu intensivem Leuchten bringen (Kathodenstrahlen). In jüngster Zeit hat Goldstein aber beobachtet, daß auch am + Pol den Kathodenstrahlen entgegengesetzte negative Strahlen entstehen, die sich gleichfalls geradlinig fortpflanzen und ebenfalls auf einer Glaswand wie die Kathodenstrahlen eine, wenn auch wesentlich schwächere Fluoreszenz hervorbringen. Die Kathodenstrahlen sieht man demgemäß gegenwärtig als feine, materielle negativ elektrisch geladene Teilchen an, die von der Kathode mit 1/5 bis 1/4 Lichtgeschwindigkeit durch das Vakuum hindurchgeschleudert werden (vgl. Korpuskeln). Es sind winzige Stäubchen gewissermaßen jenseits der Materie, die von allen stark erhitzten Körpern (z.B. auch von der Sonne) und von den elektrischen Körpern fortgeschleudert werden.
Röntgenstrahlen oder X-Strahlen sind keine Kathodenstrahlen, die ja nur im Inneren eines luftleeren Baumes entstehen; es sind vielmehr solche Strahlen, die außerhalb der Röhren dadurch entstehen, daß kräftige Kathodenstrahlen auf die Glaswand oder irgend einen festen Körper fallen. Sie durchdringen fast alle Körper und werden dadurch sichtbar gemacht, daß man sie auf einen Schirm von Bariumplatincyanür fallen läßt, der dadurch zu fluoreszieren anfängt.