Schlafwandeln
Schlafwandeln (Somnambulismus) oder Schlafhandeln ist ein traumhafter Zustand, in welchem der Mensch in einseitiger Weise für Sinneseindrücke empfänglich ist und zu gleich Willenshandlungen ausführt. Manchmal scheinen einzelne Sinne im Schlafwandeln seltsam abgeschlossen gegen Reize von außen. Oft aber ist ein Hellsehen (clairvoyance) vorhanden, indem der Mensch Dinge bemerkt, die der gewöhnlichen Sinnestätigkeit entgehen. Die Grade des Somnambulismus sind verschieden. Am häufigsten kommen motorische Funktionen im Traume in den Sprechorganen vor und rufen das Sprechen im Schlafe hervor. Manche Somnambulen gehen umher, andere verrichten mechanische, manche sogar geistige Beschäftigungen (Schriftstellerei, Komposition). Die Entstehung des Zustandes ist dunkel. Früher führte man ihn auf den sogenannten tierischen Magnetismus zurück, der durch den Magnetiseur in seinem Medium erzeugt werde. Heutzutage glaubt man die Ursache des Schlafwandelns in einer dauernden Fixierung eines glänzenden Gegenstandes oder im wiederholten Streichen des Gesichts gefunden zu haben, wodurch der Geist förmlich gelähmt und in Tiefschlaf (Hypnose, vgl. d. W.) versenkt werde. Besonders Schelling (1775-1854) suchte dieses ganze Gebiet für die Philosophie zu verwerten; nach ihm gehört das Wachen dem idealsolaren, das magnetische Schlafleben dem real-tellurischen Pol an, deren jedes das gesamte Geistesleben umschließe. Ja, seine Schüler hielten das Hellsehen für völlige Entleiblichung und Versetzung in Gott (so Kerner, Jung-Stilling, Eschenmayer). Auch Schopenhauer, J. H. Fichte und Fortlage legen zu viel Gewicht auf diese Zustände; so nennt der erste z.B. den Schlafwandel „Wahrtraum“. Im allgemeinen ist vieles, was vom Schlafwandeln und Schlafhandeln überliefert ist, übertrieben und ausgeschmückt; auch läuft Betrug und Selbsttäuschung mit unter, so daß alle Berichte und Schaustellungen mit Vorsicht aufzunehmen sind. Vgl. R. Heidenhayn, der sog. tier. Magnetismus 1888. A. F. Weinhold, Hypnot. Versuche. 1880. G. H. Schneider, die psychol. Ursache der hypnotischen Erscheinungen. 1880. Wundt, Grundz. d. phsiol. Psychol. II, S. 449 ff.