Ideen
Meine Leser wissen, dass ich das Wort Idee nur in seinem ursprünglichen, dem Platonischen, Sinne gelten lasse, und diesen, besonders im 3. Buche meines Hauptwerks, gründlich ausgeführt habe. Der Franzose und Engländer andererseits verbindet mit dem Worte idée, oder idea, einen sehr alltäglichen, aber doch ganz bestimmten und deutlichen Sinn. Hingegen dem Deutschen, wenn man ihm von Ideen redet (zumal wenn man Üdähen ausspricht), fängt an, der Kopf zu schwindeln, alle Besonnenheit verläßt ihn, ihm wird, als solle er mit dem Luftballon aufsteigen. Da war also etwas zu machen für unsere Adepten der Vernunftanschauung; daher auch der frechste von allen, der bekannte Scharlatan Hegel, sein Prinzip der Welt und aller Dinge ohne Weiteres die Idee genannt hat, — woran dann richtig Alle meinten etwas zu haben. — Wenn man jedoch sich nicht verdutzen läßt, sondern frägt, was denn eigentlich die Ideen seien, als deren Vermögen die Vernunft bestimmt wird; so erhält man gewöhnlich, als Erklärung derselben, einen hochtrabenden, hohlen, konfusen Wortkram, in eingeschachtelten Perioden von solcher Länge, dass der Leser, wenn er nicht schon in der Mitte derselben eingeschlafen ist, sich am Ende mehr im Zustande der Betäubung, als in dem der erhaltenen Belehrung befindet, oder auch wohl gar auf den Verdacht geräth, es möchten ungefähr so etwas wie Chimären gemeint sein. Verlangt er inzwischen, dergleichen Ideen speziell kennen zu lernen; so wird ihm allerlei aufgetischt: bald nämlich die Hauptthemata der Scholastik, welche leider Kant selbst, unberechtigter und fehlerhafter Weise, wie ich in meiner Kritik seiner Philosophie dargetan habe, Ideen der Vernunft genannt hat, jedoch nur, um sie als etwas schlechthin Unbeweisbares und theoretisch Unberechtigtes nachzuweisen: nämlich die Vorstellungen von Gott, einer unsterblichen Seele und einer realen, objektiv vorhandenen Welt und ihrer Ordnung; — auch wird wohl, als Variation, bloß Gott, Freiheit und Unsterblichkeit angeführt: bald wieder soll es sein das Absolutum, welches wir oben § 20 als den notgedrungen inkognito reisenden kosmologischen Beweis kennen gelernt haben; bisweilen aber auch das Unendliche, im Gegensatz des Endlichen, da an diesem Wortkram der deutsche Leser, in der Regel, sein Genügen hat und nicht merkt, dass er am Ende nichts Deutliches dabei denken kann, als nur »was ein Ende hat«, und »was keines hat.« Sehr beliebt sind ferner, als angebliche Ideen, vorzüglich bei den Sentimentalen und Gemütlichen, »das Gute, das Wahre und das Schöne«; obwohl dies eben nur drei sehr weite und abstrakte, weil aus einer Unzahl von Dingen und Verhältnissen abgezogene, mithin auch sehr inhaltsarme Begriffe sind, wie tausend andere dergleichen Abstrakta mehr. Ihren Inhalt anlangend, habe ich oben, § 29, die Wahrheit nachgewiesen als eine ausschließlich den Urteilen zukommende, also logische Eigenschaft; und über die beiden andern hier in Rede stehenden Abstrakta verweise ich teils auf die »Welt als W. und V.« Bd. I, § 65, und teils auf das ganze dritte Buch des selben Werks. Allein wenn bei jenen drei magern Abstraktis nur recht mysteriös und wichtig getan und die Augenbrauen bis in die Perücke hinauf gezogen werden; so können junge Leute leicht sich einbilden, dass Wunder was dahinter stecke, nämlich etwas ganz Apartes und Unaussprechliches, weshalb sie den Namen Ideen verdienen und somit vor den Triumphwagen jener vorgeblichen, metaphysischen Vernunft gespannt werden.