5. Hagley Park


Dieser prächtige Landsitz ist jetzt das Eigentum des Lords Westcote, eines Bruders von dem berühmten Lord George Lyttelton der die Anlage machte. Es hält schwer, ihn mit den lieblichen Leasowes zu vergleichen; denn er ist in einem ganz andern Stil, und mußte es nach seiner Bestimmung, zum Aufenthalt der Dannhirsche, auch sein. – Hier ist alles festlicher, geputzter, weitläuftiger, als in den Leasowes. Um das Wohnhaus des Lords (Hall) zieht sich ein samtweicher Grasplatz (Lawn) weit hinauf an den Hügel, hier und dort durch einzelne Gruppen von Buchen mit üppigem Wuchs, von Laub strotzend, verziert. – In der Ferne auf einem hohen mit Gras bedeckten Berge steht ein prächtiger Obelisk, der in der ganzen Gegend sichtbar ist. Die Bäume im Walde stehen weitläuftig gepflanzt, und sind alle vom stolzesten Wuchse; königlich streben sie empor, ragen an den Gehängen der Hügel stufenweis über einander hinaus, und bilden gleichsam Wolken von grünem Laub, welche in unaussprechlicher Fülle über dem grünen Rasen sich türmen. – Das Gras zwischen ihnen ist so samtweich, als auf den Wiesen um das Haus, und mit Waldkräutern fast ganz unvermischt: das schönste Futter für die niedlichen Dannhirsche, die hier mit ihrem bunten Fell, ihren muntern Köpfchen, schlanken Körpern und schlankeren schnellen Füßen in Herden von mehreren Hunderten den Fremden ganz nahe kommen lassen, ehe sie sich in leichten Sprüngen, als flögen sie dahin, von ihm entfernen. – Dieses festliche geputzte Ansehen gibt mir einen Vergleich an die Hand, den ich nicht vergessen will. Die Leasowes fand ich in einem reitzenden Negligé, wie eine Schöne, die ihrer natürlichen Grazie mit kaum merkbarer Kunst Einheit zu geben, und Blick und Gedanken auf sie beständig zurückzuführen weiß. Bei Hagleypark fiel mir der Herr Zeremonienmeister in Bath wieder ein, der eine stattliche, wohlgewachsene Dame vom Lande in ein schweres Full-dreß Atlaskleid vom schönsten Gewebe und Dessein wohl eingepackt hat, und sie mit aller ihrer Herrlichkeit steif da sitzen und keuchen läßt. – Noch ein anderer Vergleich – denn eine Idee gibt die andere – läßt sich aus der Dichtkunst hernehmen, weil hier doch von Dichtern die Rede ist. Hagleypark ähnelt einer modernen Pindarischen Ode mit ihrer gemessenen Zahl von Strophen, Antistrophen und Epoden, die weiter nichts als diese Abteilungen und der hochtrabende Gang ihrer Verse zu einem Gedichte machen; die Leasowes sind die schöne ungekünstelte Ergießung des kühnen Dichtergenies in einem glücklichen Augenblick. Jeder Schulmeister in einer Lateinischen Schule weiß ein Rezept, nach welchem man eine Ode verfertigen kann; und in der Tat sind die Ingredienzien, bis auf das Eine, das Genie des Dichters, überall zu haben. Eben so läßt sich von jedem Gärtner lernen, dass zu einem schönen Englischen Park Bäume und blühendes Gebüsch, rieselnde Waldbäche, schlängelnde Pfade, Tempelchen, Moossitze, Inschriften, Denksäulen, Begräbnisurnen, und, so Gott will, auch Ruinen, gehören. Dies alles findet man denn in so manchem Garten in England, wie in so manchem auf dem festen Lande, der im Englischen Geschmack sein soll. Allein, dass dies Alles auch ein Ganzes bilden sollte, daran wird selten gedacht; weil man sicher glaubt, diese Absicht werde schon durch die Hecke, die das Grundstück vom nachbarlichen Gebiete trennt, vollkommen erreicht. Was ich hier sage, soll dem guten Lord Lyttelton zu keinem Vorwurfe gereichen. Friede sei mit seiner Asche! Nemo dat quod non habet. – Aber jetzt können wir wohl sagen, was uns besser gefällt, so wie er es sich selbst herausnehmen konnte, seinen Freund Alexander Pope den elegantesten, lieblichsten Englischen Dichter, den angenehmsten Lehrer der Weisheit, und wer weiß was alles, zu nennen. – Ich finde in seiner Anlage nicht die Einheit, die einen Zauber durch das Ganze haucht; wohl aber einzelne schöne Partien, die, wenn sie schicklicher an ihrem Orte wären, wirklich Effekt haben, und entzücken würden. So z.B. ist die Urne zu Pope'ns Andenken die am Pfade steht, schön und in herrlichem Geschmack. Allein warum just dort? fragt man immer, und fragt umsonst. Liegt er etwa dort begraben, oder ward er dort erschlagen? Denn sonst hat die Stelle schlechterdings nichts Auszeichnendes, nichts das auf den elegantissimum dulcissimumque poëtam hindeutete. – Die Grotte des Eremiten, mit der schönen Stelle aus Milton's Penseroso, sollte in tiefes heiliges Dunkel vergraben sein, um die Schwermut zu bezeichnen, die der herrschende Gedanke ist. Statt dessen steht sie an einem Orte, wo man aus dem Park ins freie Feld geht. – Die Inschrift: Omnia vanitas, findet man in einem Häuschen, welches in einer ganz beschränkten Gegend steht. Vielleicht wäre sie an dem schönen Turm, wo man die halbe Welt überschaut, weit treffender gewesen. – Dieser Turm ist in der Tat das Schönste im ganzen Garten. Er ist sehr hoch und auf einer Seite mit Epheu höchst malerisch bekleidet; es hängt mit dicht verflochtenen Zweigen wie ein Pelzmantel daran herab, und übersteigt seine höchsten Zinnen. Oben hat man eine Aussicht, deren Umfang wie ihr Reichtum unermeßlich ist. Die Mawbernhills in Worcestershire, die Blackmountains in Südwales, Radnortump in Radnorshire, dreißig Englische Meilen entfernt, die Haberleyhills in Worcestershire, die Cleehills und der Wrekin in Shropshire, endlich Dudley und Rowley liegen alle umher; und ein unendlicher Garten Gottes zu den Füßen des Wanderers, der auf dieser Warte schaut, streckt sich weit und breit bis hin an jene Gebirge. Eine Rotonda, eine Säule, auf welcher eine Statue zu Fuß des verstorbenen Prinzen von Wales steht, ein bedeckter Sitz Thomson zu Ehren, eine Kaskade, die zwischen überhängenden Wipfeln der Bäume in ein Becken stürzt, sind liebliche Partien dieses großen Lustgartens, den auch ein gutes anmaßungsloses, und gleichwohl der Würde des Besitzers angemessenes Wohnhaus ziert. Ein Leichenhof ist in diesem Garten angebracht; doch auch der steht nicht an seiner Stelle: die Idee ist nicht eingeleitet, nicht vorbereitet. Ein schönes Pfarrhaus, wie eine Kirche in Gothischem Geschmack, außerhalb des Parkes, doch daran stoßend und damit zusammenhängend, macht ebenfalls eine angenehme Verzierung. Das häufigere Wasser in den Leasowes ist dort auch besser benutzt worden, so wie die tieferen Gründe zwischen den Bergen vieles zur natürlichen Schönheit dieses Lieblingsplätzchens beitragen, was man daher von Hagley nicht einmal fordern kann.




Share
 © textlog.de 2004 • 22.11.2024 03:00:10 •
Seite zuletzt aktualisiert: 16.11.2007 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright