10. Chatsworth
Von Middleton an geht es im Tal der Derwent hinab, welches immer schöner und reicher wird. Der Kontrast, nachdem wir so geraume Zeit nichts als öde Gebirgsrücken gesehen hatten, war über alle Beschreibung erfreulich. – Wir hatten schöne Weiden, Saatfelder, herrliche malerische Umzäunungen und Raine, mit hochstämmigen Eichen, Eschen und Buchen, Linden und Ahorn, auch hier und dort längs den Höhen ein Wäldchen. Ja näher an Chatsworth, desto reicher wird die Gegend. Die Waldung an beiden Seiten des Tals, so wohl hinter dem Hause als gegenüber, ist dicht und überschwänglich an Wuchs; zwischen dem Laubholze streben überall schlanke Tannen und pyramidische schwarze Fichten in die Höhe. Der herzogliche Park liegt auf einer Anhöhe am linken Ufer der Derwent, in welcher wir Gruppen von Kühen sich kühlen sahen, indes die schönen Wiesen zu beiden Seiten mit diesen malerischen Heerden bedeckt waren. Man fährt auf einer steinernen Brücke über den Fluß durch den Park nach dem Schlosse. Beides, Park und Schloß, sind vor achtzig Jahren auf der Stelle, wo das alte Schloß Chatsworth stand, angelegt worden, und haben viel von der Pracht jener Zeit. Das Schloß ist ganz eines so großen Englischen Peers würdig. Auf die Architektur mag ich mich nicht einlassen; die ist nun einmal in England, auch da, wo sie Geld genug gekostet hat, nicht fehlerfrei. Die Zimmer sind reich, doch nicht mit dem Geschmack, den wir in Schooneberg bewunderten, möbliert; viele haben auch noch das alte Ameublement, von achtzig Jahren her. – Der Bau ist erst kürzlich ganz fertig geworden; denn man hat nach- und angebaut. – Ein Teil des Gebäudes heißt noch: the Queen of Scot's apartment. Die Zimmer der unglücklichen Marie sollen wirklich in dieser Gegend gestanden haben. Das Einzige, was man aus jenen Zeiten aufbewahrt hat, ist ihr Bett mit Vorhängen und Decke von rotem Sammet mit Gold. Wer kann sich entbrechen, bei dem Anblick eines Bettes, worin diese unglückliche Prinzessin so oft geschlafen, geruhet, gesonnen, geweint, gewacht, geträumt – und den ganzen Kreis ihrer regen Leidenschaften durchlaufen haben mag, in Gedanken zuweilen sich in jene Zeiten zu versetzen, und für die schöne Dulderin den Atem ein wenig gepreßt zu fühlen?
Der Garten hat eine schöne Kaskade, mit allerlei davon abhängigen Fontainen und Wasserkünsten. Die höchste Fontaine soll achtzig Fuß hoch springen; sechzig glaube ich selbst, dass sie bei stillem Wetter in die Höhe gehen kann. – Für die Phantasie ist hier keine außerordentliche Nahrung, wenig Sublimes, Romantisches, Poëtisches; aber eine reiche, geschmückte Natur, und ein Aufenthalt, wo man ein Vermögen von 40 bis 50000 Pfund Sterling wohl genießen kann. –
So schön als jenseits, ist auch das Tal unterhalb Chatsworth, welches sich immer weiter südostwärts zieht. Die Sandsteingebirge umschlingen es überall auf der östlichen und südlichen Seite. Innerhalb sieht man Kalkgebirge. Endlich öffnet sich eine Reihe Hügel gegen den Fluß, und ihre abgestürzten senkrechten Felswände stehen romantisch, mit Waldung bekleidet, an seinen Ufern. Vom Dorfe Matlock, zwei Englische Meilen weit bis nach Matlock Bath, zieht sich dieses verengte wunderschöne Kalktal in verschiedenen Krümmungen, und läßt hier und da dreieckige Wiesen in den Zwischenräumen der Hügel. – Drosseln und Nachtigallen hielten hier ihr immerwährendes Koncert im Walde.