Landschaftsmalerei
Das Kabinet des Herrn van Lancker enthält einen noch ungleich größeren Schatz von Niederländischen Schildereien. Die Landschaften von Both, van Goyen, Cuyp, Berghem, Wynants, Roos und anderen, eine reicher, niedlicher, vollendeter als die andere und jede mit dem eigentümlichen Verdienst ihrer Urheber bezeichnet, buhlen hier um den Beifall des Kenners. Unstreitig hat die Phantasie des Landschaftsmalers ein großes, weites Feld; die allgemeine Lebenskraft des Weltalls, die regen Elemente des Lichtes, des Äthers, des Wassers und der allgebärenden Erde geben ihr das begeisternde Schauspiel jenes größten, anbetungswürdigsten Wunders, einer immer jungen, aus ihrer Zerstörung stets wieder erstehenden Schöpfung. Das Verhältnis aber zwischen der Landschaftsmalerei und ihrer älteren Schwester, der Menschenbildnerin, scheint mir am besten dadurch bezeichnet zu werden, dass in der einen alles schon deutlicher, umgrenzter Gedanke ist, was in der andern noch unbestimmbares, zartes, ergreifendes Gefühl bleiben muß. In der Landschaft wirken allgemeine Harmonie, durchgeführte Einheit des Ganzen, große Kontraste, zarte Verschmelzungen, alles aber zu einem unnennbaren Effekt, ohne abgeschnittenen, bleibenden Umriß. Weder Lichtmassen noch Wolken, Luft und Gewässer, noch Felsen, Gebirge und Unebenheiten des Bodens haben beständige, ihnen angeeignete Formen; selbst Bäume und Pflanzen sind in unendlich höherem Grad als die Tiere der Veränderlichkeit des Wuchses und der Gestalt unterworfen, und ihre Teile, Blüten und Laub, verlieren sich mit ihren bestimmteren Formen in der Entfernung, aus welcher sie dem Auge begegnen, und fließen zusammen zu Gruppen und Massen, denen der Künstler kaum auf dem Vordergrunde die Bestimmtheit der Natur mitteilen darf. In dämmernder Ferne hingestellt, kommen die Urbilder schon hieroglyphisch bezeichnet an unsere Sehorgane; um so viel mehr ist die Bezeichnung, womit wir sie nachahmen können, in unserer Willkür, wofern sie nur ihren Zweck, nämlich den täuschenden Effekt jener schönen Verwirrung der Umrisse und jenes lieblichen Licht- und Schattenspiels, hervorbringt. Auch in dieser Gattung von Kunstgebilden kann indes die Phantasie des Malers ihre Größe und Stärke zeigen; auch sie ist einer edlen, dichterischen Behandlung fähig, wenn nur das wesentliche Ziel der Kunst, die Zusammenstellung des Schönen und die Belebung des gesammelten oder erfundenen Mannigfaltigen zur unauflösbaren Einheit, dem Künstler immerfort vor Augen schwebt. Der Mangel unabänderlicher Formen hat zwar die Folge, dass es für die Landschaft kein bestimmtes Ideal geben kann; allein dagegen ist die Freiheit des Künstlers desto unumschränkter; das weite Reich des Natürlichen und Wahrscheinlichen liegt vor ihm, und es hängt von seiner Willkür ab, gefällige Bilder, sanfte Harmonien, erhabene Phänomene, mächtige Bewegungen, erschütternde Wirkungen daraus zu schöpfen. Etwas von diesem unbestimmten Schönen der Natur findet man in den Werken aller vorhin genannten Landschaftsmaler; aber wenn es auf die Feuerprobe der Kritik ankommt, haben wir nur Einen Claude.