Schwankendes Betragen der Volkspartei


Ich kann es der demokratischen Partei nicht verdenken, dass sie hier noch einen Versuch wagte, sich wieder emporzuschwingen. In dem leidenschaftlichen Zustand, den der Parteigeist voraussetzt, den die Treulosigkeit der Gegner unterhält und den die getäuschte Hoffnung so leicht bis zur Wut erhöht, wäre es unbillig, ganz überlegte, mit kalter Besonnenheit nach dem richtigen Maßstab der Bürgerpflicht abgemessene Handlungen, selbst von edleren und besseren Menschen zu erwarten. Im Gegenteil, je reiner und herzerhebender das Bewußtsein der Demokratenhäupter war; je inniger sie ihre moralische Überlegenheit über einen van der Noot und einen van Eupen fühlten: desto flammender mußte ihr Eifer sie begeistern, das betörte Volk von Brabant aus den Händen solcher Anführer zu erretten. Dies vorausgesetzt, lassen sich auch gewisse Unregelmäßigkeiten leichter entschuldigen, die bei dieser Gelegenheit vorfielen, und deren Verhütung nicht allemal in der Gewalt der Gutmeinenden ist, die sich an die Spitze einer Partei stellen. Unstreitig wagte die Armee einen dreisten Schritt, als sie einige Mitglieder des Kongresses, die mit Depeschen nach Namur gekommen waren, gefänglich einzog, ihre Briefe las und sie öffentlich im Druck erscheinen ließ, wenn es gleich die Absicht dieser Emissarien war, ihnen eine Eidesformel hinterlistigerweise aufzudringen, welche die Freiwilligen in Brüssel längst verworfen hatten. Van der Mersch selbst, im Vertrauen auf den Beistand seiner Truppen, sprach am 3. April aus einem Tone, der den Ständen von Brabant feindselig klingen mußte; und es ist noch die Frage, ob er nicht am 5ten das Schwert zur Entscheidung gezogen haben würde, wenn nicht van der Noots Emissarien den Augenblick seines Auszuges aus Namur benutzt hätten, um den Magistrat dieser Stadt umzustimmen und den Pöbel mit einer ansehnlichen Summe, die Einige auf funfzigtausend Gulden angeben, zu erkaufen. Daher fand der General, als er wieder in die Stadt ziehen wollte, die Tore gegen sich und seine Truppen verschlossen, und dieser Umstand, sagt man, bewog ihn zum gütlichen Vergleich. Eben so wenig läßt es sich läugnen, dass die Reise des Herzogs von Ursel und seines Freundes, in einem Zeitpunkt, wo Vonk und seine Verbündeten sich wirklich schon zu Namur aufhielten, den Anschein hatte, dass es ihnen mehr darum zu tun war, die Gährung der dortigen Armee zu benutzen, als sie stillen zu helfen. Nehmen wir aber an, dass sie gegen die Usurpation der Stände die gute und gerechte Sache zu haben wähnten, wer könnte sie tadeln, wenn sie sich der Mittel bedienten, welche das Schicksal ihnen darbot, um sie geltend zu machen?

Weit schwerer, ich glaube sogar unmöglich, wird es sein, sie in einer andern Rücksicht zu entschuldigen. Das Vorurteil des Volkes mußte ihnen ehrwürdig sein, wenn es unheilbar war, wenn sie voraussehen konnten, dass seine Anhänglichkeit an die Stände sich weder durch Gründe noch durch Gewalt bezwingen ließ; in diesem Fall war folglich ihre Widersetzlichkeit zwecklos und ungerecht. Hatten sie hingegen die Möglichkeit in Händen, durch eine große Anstrengung die aristokratische Tyrannei zu stürzen, so bleibt ihnen ewig die Reue, aus Kleinmut die Gelegenheit verfehlt zu haben, das Vaterland zum zweitenmal zu befreien. Alle absolute Bestimmungen sind Werke der Spekulation, und nicht von dieser Welt; hier hängt alles von Verhältnissen und Umständen ab; das Wahre und Gute entlehnt, wie Recht und Gerechtigkeit, seine Farbe von der Zeit und den Dingen. Die Beistimmung der Welt zu unseren Grundsätzen können wir daher nicht erzwingen; allein die Schuld ist an uns, wenn sie unserm Charakter keine Hochachtung zollt. Besser ist es, die Waffen für eine gute Sache nicht ergreifen, als wenn man sie einmal ergriffen hat, nicht lieber mit den Waffen in der Hand zu siegen oder zu sterben.




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 © textlog.de 2004 • 22.11.2024 01:42:58 •
Seite zuletzt aktualisiert: 18.11.2007 
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