2. Leben Kants


Als im Frühjahre 1781 die Kritik der reinen Vernunft erschien, stand ihr Verfasser bereits im 57. Lebensjahre. Am 22. April 1724 zu Königsberg als Sohn eines ehrbaren Sattlers und einer frommen Mutter geboren, hatte Immanuel Kant von seinem 8. bis 16. Jahre eine der Gelehrtenschulen (das noch heute bestehende Collegium Fridericianum), vom 17. bis 22. die Universität seiner Vaterstadt besucht. Schon im Elternhause war er von pietistischen Einflüssen umgeben gewesen, im Gymnasium kam zu diesen noch ein intensiver lateinischer Unterricht, während die Realien sehr vernachlässigt wurden. Wohl gerade deshalb wandte sich sein früh selbständiger Geist auf der Universität in erster Linie philosophischen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Studien zu. Sein Lieblingslehrer war der früh verstorbene Wolffianer Martin Knutzen (1713-51), dem er die Bekanntschaft mit Newton verdankte. Den Abschluß dieser Studien bildete seine Erstlingsschrift: Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte (1747). Um eine gesicherte wirtschaftliche Grundlage zu gewinnen, hat er dann, der Sitte der Zeit folgend, etwa sieben Jahre (1747 bis 1754) hindurch mehrere Hauslehrerstellen, ebenfalls in seiner ostpreußischen Heimat, bekleidet. Im Herbst 1755 endlich habilitierte er sich an der Königsberger Universität mit einer lateinischen Abhandlung (s. S. 179), nachdem er einige Monate vorher mit der Dissertation De igne den Magistergrad erworben hatte. Aber, obwohl in das nun folgende Jahrzehnt eine reiche Schriftsteller sowie eine erfolgreiche Lehrtätigkeit fällt, die u. a. Herder in seinen Humanitätsbriefen mit Begeisterung geschildert hat, rückte er infolge der Ungunst äußerer Umstände in die erstrebte Professur für Logik und Metaphysik doch erst 1770 ein. Bis dahin war er auf den Ertrag seiner Schriften und Vorlesungen angewiesen, wozu zuletzt noch eine gering dotierte Unterbibliothekarstelle an der Schloßbibliothek kam. Von 1781 an erschienen dann seine großen kritischen Werke. Aber, während sein Ruhm weit über die Grenzen Deutschlands drang, entfernte er sich von seiner Vaterstadt kaum mehr als eine Meile. Ihr treu bleibend, hat er vorteilhafte Berufungen nach anderen Universitäten (Erlangen, Jena, Halle) standhaft ausgeschlagen. Nur ein störendes Ereignis von größerer Bedeutung fiel in dieses ruhige, ganz der Wissenschaft, der Lehrtätigkeit und dem Umgang mit gleichgesinnten Freunden gewidmete, übrigens heiterer Geselligkeit nicht entbehrende Gelehrtenleben. Es war die auf Betreiben des rückschrittlichen Wöllnerschen Regimes am 1. Oktober 1794 erlassene Kabinettsorder Friedrich Wilhelms II., die dem 70jährigen Greise »Entstellung und Herabwürdigung mancher Hauptund Grundlehren der Heiligen Schrift und des Christentums« vorwarf und »bei fortgesetzter Renitenz« mit »unfehlbar unangenehmen Verfügungen« drohte. Nach dem Tode des Königs (1797) konnte er wieder aufatmen. Doch hat er seine religionsphilosophische Wirksamkeit nicht mehr aufgenommen. Zunehmende Altersschwäche zwang ihn schon im Sommer 1796 seine Vorlesungen, nach 1798 auch seine schriftstellerische Tätigkeit einzustellen. Am 12. Februar 1804 ist er gestorben.


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