Exkurs über die staatliche Theorie des Geldes
Vermutlich aus folgendem formalen Grund: Das Valutapreisverhältnis zwischen zwei oder mehreren Ländern äußert sich täglich in einer sehr kleinen Zahl (formal) eindeutiger und einheitlicher Börsenpreise, an denen man eine »lytrische Politik«rational orientieren kann. Es läßt sich ferner auch für eine »lytrische«, insbesondere eine Umlaufsmittelverwaltung schätzen, – aber nur (an der Hand vorhandener, durch periodischen Begehr darnach sich äußernder, Tatbestände) schätzen: – welche Schwankungen eines gegebenen Zahlungsmittelvorrats (zu reinen Zahlungszwecken), für eine bestimmte verkehrswirtschaftlich verbundene Menschengruppe in absehbarer Zukunft, bei annähernd gleichbleibenden Verhältnissen, »erforderlich« sein werden. Hingegen, welches Maß von preisrevolutionären oder preisevolutionären oder (umgekehrt) preiskonservativen Wirkungen eine Inflation oder (umgekehrt) eine Einziehung von Geld in einer gegebenen Zukunft haben werde, läßt sich nicht im gleichen Sinn berechnen. Dazu müßte man bei Erwägung einer Inflation (die wir hier allein in Betracht ziehen wollen) kennen: 1. die gegenwärtige Einkommensverteilung, – daran anschließend 2. die gegenwärtig darauf aufgebauten Erwägungen der einzelnen Wirtschaftenden, – 3. die »Wege« der Inflation, d.h.: den primären und weiteren Verbleib der Neuemissionen. Dies wiederum hieße aber: die Reihenfolge und das Maß der Erhöhung von Nominaleinkommen durch die Inflation. Dann 4. die Art der Verwendung (Verzehr, Vermögensanlage, Kapitalanlage) der dadurch wiederum verursachten Güternachfrage nach Maß und vor allem: Art (Genußgüter oder Beschaffungsmittel in allen ihren Arten). Endlich 5. die Richtung, in welcher dadurch die Preisverschiebung und durch diese wiederum die Einkommensverschiebung fortschreitet, – und die zahllosen nun weiter anschließenden Erscheinungen von »Kaufkraft«-Verschiebung, auch das Maß der (möglichen) »Anregung« der naturalen Güter mehr beschaffung. Alles das wären Dinge, die ganz und gar durch künftige Erwägungen einzelner Wirtschaftender gegenüber der neu geschaffenen Lage bestimmt wären und ihrerseits wieder auf Preisschätzungen von anderen solchen Einzelnen zurückwirken würden: diese erst würden dann im Interessenkampf die künftigen »Preise« ergeben. Hier kann in der Tat von »Berechnung«: (etwa: 1 Milliarde Mehr-Emission voraussichtlich gleich Eisenpreis von + x, Getreidepreis von + y usw.) gar keine Rede sein. Um so weniger, als zwar temporär für reine Binnenprodukte wirksame Preisregulierungen möglich sind, aber nur als Höchst-, nicht als Mindestpreise und mit bestimmt begrenzter Wirkung. – Mit der (empirisch unmöglichen) Berechnung der »Preise« an sich wäre überdies noch nichts gewonnen. Denn sie würde allenfalls die als reines Zahlungsmittel erforderte Geldmenge bestimmen. Aber daneben und weit darüber hinaus würde Geld als Mittel der Kapitalgüterbeschaffung, in Kreditformen, neu und anderweit beansprucht werden. Hier würde es sich aber um mögliche Folgen der beabsichtigten Inflation handeln, die sich jeglicher näheren »Berechnung« überhaupt entzögen. Es ist also, alles in allem (denn nur dies sollten diese höchst groben Ausführungen illustrieren) verständlich, daß Knapp für moderne Verkehrswirtschaften die Möglichkeit einer planvollen, rationalen, auf einer der »Devisenpolitik« an Rechenhaftigkeit irgendwie ähnlichen Grundlage ruhenden Preispolitik durch Inflation ganz außer Betracht ließ. Aber sie ist historische Realität. Inflation und Kontra-Inflation sind – in recht plumper Form freilich – in China unter wesentlich primitiveren Verhältnissen der Geldwirtschaft wiederholt, aber mit erheblichen Mißerfolgen, in der Kupferwährung versucht worden. Und sie ist in Amerika empfohlen worden. Knapp begnügt sich aber in seinem offenbar nur mit, in seinem Sinn, »beweisbaren« Annahmen operierenden Buch mit dem Rat: der Staat solle »vorsichtig« bei der Emission autogenen Papiergelds sein. Und da er sich ganz und gar am »festen Kurs« orientiert, scheint dies auch leidlich eindeutig: Inflationsentwertung und intervalutarische Entwertung hängen meist sehr eng zusammen. Nur sind sie nicht identisch und ist vor allem nicht etwa jede Inflationsentwertung primär intervalutarisch bedingt. Daß tatsächlich preispolitisch orientierte inflationistische lytrische Verwaltung gefordert worden ist, und zwar nicht nur von den Silberbergwerksbesitzern bei der Silberkampagne, von den Farmern für Greenbacks, gibt Knapp nicht ausdrücklich zu, bestreitet es aber auch nicht. Sie ist – das beruhigte ihn wohl – jedenfalls nie dauernd geglückt. – Aber so einfach liegen die Dinge vielleicht doch nicht. Einerlei ob als Preismaßregel beabsichtigt, haben Inflationen (im obigen Sinn) jedenfalls oft tatsächlich stattgefunden, und Assignatenkatastrophen sind in Ostasien wie in Europa nicht unbekannt geblieben. Damit muß sich die materiale Geldtheorie doch befassen. Daß gar kein Unterschied zwischen der »Entwertung« des Silbers und der »Entwertung« von Assignaten stattfinde, wird gerade Knapp nicht behaupten. Schon formal nicht: entwertet ist das nicht in Münzform gebrachte, sondern umgekehrt das für industrielle Zwecke angebotene, rohe, Silber, nicht notwendig die (gesperrte) chartale Silber münze (oft im Gegenteil!).
Entwertet wird dagegen nicht das für industrielle Zwecke angebotene rohe »Papier«, sondern (natürlich) gerade die chartale Assignate. Endgültig, auf Null oder den »Sammler«- und »Museums«-Wert, allerdings (wie Knapp mit Recht sagen würde) erst: wenn sie von den Staatskassen repudiiert wird: also sei auch dies immerhin »staatlich«, durch regiminale Verfügung, bedingt. Das trifft zu. Aber auf winzige Prozente ihrer einstigen materialen Geltung (ihrer Preisrelation zu beliebigen Gütern) trotz nominaler »epizentrischer« Weitergeltung oft schon lange vorher.
Aber von diesen Katastrophen ganz abgesehen, gab es sonst der Inflationen und andererseits (in China) der »Währungsklemmen« durch außermonetäre Verwertung des Währungsmetalls genug in der Geschichte. Und da nehmen wir nicht nur davon Notiz: daß dann unter Umständen (gar nicht immer) eben gewisse Geldarten »akzessorisch« werden, die es nicht waren, sich in den Staatskassen »stauen« und »obstruktionale« Währungsänderungen erzwingen. Sondern die materiale Geldlehre müßte natürlich auch die Frage nach der Art der Beeinflussung der Preise und Einkommen und dadurch der Wirtschaft in solchen Fällen wenigstens stellen, zweifelhaft aus den früher erwähnten Gründen vielleicht –: wieweit sie theoretisch zu beantworten wäre. Und ebenso wollen wir, wenn infolge Sinkens des Gold- oder Silberpreises (im anderen Metall ausgedrückt) im formal bimetallistischen Frankreich material bald Gold allein, bald Silber allein effektiv valutarisches Geld, das andere Metall »akzessorisch« wird, nicht nur darauf verweisen, daß jene Preisverschiebungen eben »pantopolisch« bedingt seien. Ebenso nicht in sonstigen Fällen von Geldstoffänderungen. Sondern wir wollen auch fragen: Liegt in Fällen der Vermehrung eines Edelmetalls Beutegewinn (Cortez, Pizarro) oder Anreicherung durch Handel (China im Anfang unserer Ära und seit 16. Jahrhundert) oder Mehrproduktion vor? Wenn letzteres, hat sich die Produktion nur vermehrt oder auch (oder nur) verbilligt und warum? Welche Verschiebungen in der Art der nicht monetären Verwendung haben etwa mitgewirkt? Ist etwa ein für dies Wirtschaftsgebiet (z.B. das antik mittelländische) definitiver Export in ein ganz fremdes (China, Indien) eingetreten (wie in den ersten Jahrhunderten nach Chr.)? Oder liegen die Gründe nur (oder auch) auf seiten einer »pantopolisch« bedingten Verschiebung der monetären Nachfrage (Art des Kleinverkehrsbedarfs)? Mindestens diese und andere verschiedene Möglichkeiten müssen in der Art, wie sie zu wirken pflegen, erörtert werden.