[Beispiele und Belege]
Je weiter die Entwicklung der Emblematik sich verzweigte, desto undurchdringlicher wurde dieser Ausdruck. Ägyptische, griechische, christliche Bildersprache durchdrangen sich. Für die Bereitwilligkeit, mit der die Theologie dem entgegenkam, ist ein Werk wie der »Polyhistor symbolicus« 1 bezeichnend, verfaßt durch ebenden Jesuiten Caussinus, dessen lateinische »Felicitas« Gryphius übertragen hat. Auch konnte keine geeigneter erscheinen als solche nur den Gebildeten faßliche Rätselschrift, die hochpolitischen Maximen echter Lebensweisheit zu verschließen. Herder hat in seinem Aufsatz über Johann Valentin Andreä sogar gemutmaßt, daß sie für manchen Gedanken, den man vor Fürsten klar nicht habe nennen wollen, ein Asyl gewesen sei. Paradoxer hört Opitz sich an. Denn einerseits faßt er zwar die theologische Esoterik dieser Ausdrucksform als die Erhärtung einer vornehmen Abstammung der Poesie, andererseits aber meint er, um der Allgemeinverständlichkeit willen sei sie eingeführt worden. Dem Satze der »Art poetique« des Delbene: »La poésie n'était au premier âge qu'une théologie allégorique« hat er eine bekannte Formulierung des zweiten Kapitels der »Deutschen Poeterey« nachgebildet. »Die Poeterey ist anfangs nichts anderes gewesen als eine verborgene Theologie.« Aber andererseits: »Weil die erste und rawe weit gröber und ungeschlachter war/ als das sie hetten die lehren von weißheit und himmlischen dingen recht fassen und verstehen können/ so haben weise Männer/ was sie zu erbawung der gottesfurcht/ guter sitten und wandeis erfunden/ in Reime und Fabeln/ welche sonderlich der gemeine Pöfel zu hören geneiget ist/ verstecken und verbergen müssen.«2 Diese Auffassung blieb maßgebend und begründet auch bei Harsdörffer, vielleicht dem konsequentesten Allegoriker, die Theorie dieser Ausdrucksform. Wie sie in alle weitesten und beschränktesten Geistesbezirke sich eingenistet hatte, von der Theologie, Naturbetrachtung und Moral bis hinab zu Heraldik, Festpoem und Liebessprache, so unbeschränkt ist der Fundus ihrer anschaulichen Requisiten. Für jeden Einfall trifft der Augenblick des Ausdrucks zusammen mit einer wahren Bilderuption, als deren Niederschlag die Menge der Metaphern chaotisch ausgestreut Hegt. So stellt in diesem Stile das Erhabne sich dar. »Universa rerum natura materiam praebet huic philosophiae (sc. imaginum) nec qvicqvam ista protulit, qvod non in emblema abire possit, ex cujus contemplatione utilem virtutum doctrinam in vita civili capere liceat: adeo ut qvemadmodum Historiae ex Numismatibus, ita Morali philosophiae ex Emblematis lux inferatur«3. Dieser Vergleich ist besonders glücklich. Haftet doch der Natur, die da geschichtlich geprägt, nämlich Schauplatz ist, durchaus etwas Numismatisches an. Derselbe Autor — ein Referent der ›Acta eruditorum‹ — sagt an anderer Stelle: »Quamvis rem symbolis et emblematibus praebere materiam, nec quic quam in hoc universo existere, quod non idoneum iis argumentum suppeditet, supra in Actis ... fuit monitum; cum primum philosophiae imaginum tomum superiori anno editum enarraremus. Cujus assertionis alter hic tomus,4 qui hoc anno prodiit, egregia praebet documenta; a naturalibus et artificialibus rebus, elementis, igne, montibus ignivomis, tormentis pulverariis et aliis machinis bellicis, chymicis item instrumentis, subterraneis euniculis, fumo luminaribus, igne sacro, aere et variis avium generibus depromta symbola et apposita lemmata exhibens«5. Ein einziger Beleg mag zur Genüge erweisen, wie weit man in dieser Richtung ging. In Böcklers »Ars heraldica« steht zu lesen: »Von Blättern. Man findet selten Blätter in den Wappen/ wo sie aber gefunden werden/ so führen sie die Deutung der Warheit/ weilen sie etlicher Massen der Zungen und dem Hertzen gleichen.«6 »Von Wolcken. Gleichwie die Wolcken sich übersich (!) in die Höhe schwingen/ hernach fruchtbaren Regen herab giessen/ davon das Feld/ Frucht und Menschen erfrischet und erquicket werden/ also soll auch ein Adeliches Gemüth/ in Tugend-Sachen gleichsam in die Höhe aufsteigen/ alsdenn mit seinen Gaben/ dem Vatterland zu dienen/ beflissen seyn.«7 »Die weise (!) Pferde bedeuten den obsiegenden Frieden/ nach geendigtem Krieg/ und zugleich auch die Geschwindigkeit.«8 Das Erstaunlichste ist eine komplette Farbenhieroglyphik, zu der, als Kombinatorik von je zwei Farben, dieses Buch anweist. »Roth zu Silber/ Verlangen sich zu rächen«9, »Blau ... zu Roth/ Unhöflichkeit«10, »Schwartz ... zu Purpur/ beständige Andacht«11, um nur soviel zu nennen. »Die vielfachen Dunkelheiten des Zusammenhanges zwischen Bedeutung und Zeichen ... schreckten nicht ab sondern reizten vielmehr dazu, immer entfernter liegende Eigenschaften des darstellenden Gegenstandes zu Sinnbildern zu verwerthen, um durch neue Klügeleien sogar die Ägypter zu übertreffen. Dazu kam die dogmatische Kraft der von den Alten überlieferten Bedeutungen, sodaß ein und dieselbe Sache ebenso gut eine Tugend wie ein Laster, also schließlich Alles versinnbildlichen kann.«12
- Cf. Polyhistor symbolicvs, electorum symbolorum, & parabolarum historicarum stromata, XII. libris complectens. Auctore P. Nicolao Caussino Trecensi, è Societate Iesu. Permissu superiorum. Coloniae Agrippinae 1623.↩
- Opitz: Prosodia Germanica, Oder Buch von der Deudschen Poeterey l.c. [S.51]. S.2.↩
- [Anonymes Referat über Menestrier: La philosophie des images l.c. (u. S. 192). In:] Acta eruditorum. Anno MDCLXXXIII publicata, ac serenissimo fratrum pari, Dn. Johanni Georgio IV, electoratus saxonici haeredi, et Dn. Friderico Augusto, ducibus saxoniae &c. &c. &c. Principibus juventutis dicata. Lipsiae 1683. S. 17.↩
- Cf. La philosophie des images. Composée d'vn ample. Recueil de devises, et du jugement de tous les ouvrages qui ont êté faits sur cette matiere. Par le P(ère) C(laude) F(rançois) Menestrier, de la Compagnie de Jesus. Paris 1682. — Sowie Devises des princes, cavaliers, dames, scavans, et avtres per-sonnages illvstres de l'Europe, ou la philosophie des images, tome second. Par le P(ère) C[laude] F[rançois] Menestrier, de la Compagnie de Jesvs. Paris 1683.↩
- [Anonymes Referat über Menestrier: Devises des princes l.c. In:] Acta eruditorum 1683 l.c. [S. 191]. S. 344.↩
- Ars beraldica, Das ist: Die Hoch-Edle Teutsche Adels-Kunst/ Darinnen begriffen I. Vom Stammen und Herkommen des Teutschen Adels und dessen Namen. II. Vom Unterscheid des Adels/ und desselben Vortrefflichkeit. III. Von der Ertheilung des Adels. IV. Von der Wappen Ursprung und Erfindung/ auch dem Unterscheid. V. Von der Herolden Namen und Amt. VI. Von der Wappen Farben/ Bildern/ auch andern Zeichen und Figuren/ samt deroselben Bedeutungen in der Heroldt-Kunst/ Durch Georg Andreas Böckler Arch. & Ing. Nürnberg 1688. S. 131.↩
- L.c. S. 140.↩
- L.c. S. 109.↩
- L.c. S. 81.↩
- L.c. S. 82.↩
- L.c. S. 83.↩
- Giehlow: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance l.c. [S. 186]. S. 127.↩